Wenn ein Terroranschlag zum Film wird: „September 5“
Am 5. September 1972 sah die Welt dem Terror zu. An diesem Tag nahmen palästinensische Attentäter während der Olympischen Spiele in München israelische Sportler als Geiseln. Der Fernsehsender ABC Sports übertrug die rund 21-stündige Geiselnahme live. Wie das für die beteiligten Journalisten war, erzählt der Film „September 5“ mit Leonie Benesch („Das Lehrerzimmer“) in einer Hauptrolle.
„September 5“ des Schweizer Regisseurs Tim Fehlbaum ist ein fesselnder Thriller über die Macht der Bilder. Es war „das erste Mal, dass ein terroristischer Akt live in die ganze Welt übertragen wurde“, heißt es im Film, der jetzt in Venedig Premiere feierte. „900 Millionen Menschen sahen zu.“
Daraus ergab sich für die beteiligten Journalisten eine ganz besondere Verantwortung. Doch sie hatten kaum Zeit, sich während der hektischen Ereignisse darüber Gedanken zu machen.
Das Werk spielt komplett im TV-Studio des US-Senders ABC Sports, das damals direkt neben dem olympischen Dorf aufgebaut war. Gegen den Widerstand der eigenen Nachrichtenabteilung berichtete das Fernseh-Team live über die Ereignisse, zeigt Bilder der Attentäter, der verhandelnden Polizisten vor den Eingängen des Olympiadorfs, und letztlich von Schüssen in der Ferne bei der eskalierenden Geiselnahme.
„Das Publikum soll mit den Figuren den Rausch der Live-Berichterstattung miterleben, soll dabei sein, wenn moralische Entscheidungen immer gegen eine tickende Uhr getroffen werden müssen“, beschreibt es Regisseur Fehlbaum.
Das ist ihm gelungen. Atemlos verfolgt man in „September 5“ die sich überschlagenden Ereignisse und die schwierigen moralischen Fragen, die sich für die Mitarbeiter des Senders daraus ergeben.
Sollte man in einer Live-Übertragung zeigen, wie jemand erschossen wird?
Um kurz nach 4 Uhr hören die Dolmetscherin Marianne (Benesch) und ein paar andere Mitarbeiter des Studios Schüsse. Es dauert nicht lange, bis Gerüchte einer Geiselnahme durchsickern. Mit Mariannes Hilfe übernimmt der junge Producer Geoff (John Magaro) unerwartet die Leitung der Live-Sendung. Nachdem die Geiselnehmer ein zeitliches Ultimatum für ihre Ziele angegeben haben, rennt die Zeit. Unbestätigte Gerüchte machen die Runde und das Leben der Geiseln steht auf dem Spiel.
Sollte man in einer Live-Übertragung zeigen, wie jemand erschossen wird? Bietet man mit den Fernsehbildern den Tätern nicht die Bühne, die sie sich wünschen? Oder macht ihnen gar Informationen zugänglich, die sie ohne die Fernsehsendung gar nicht gehabt hätten? Und wie gründlich muss man Quellen checken, wenn die Zeit rast? Fragen wie diese sind heute genauso aktuell wie damals. Nicht alle Entscheidungen des Teams werden sich nachträglich als richtig erweisen.
Ein Kameramann versteckt sich im Olympischen Dorf, ein anderer tarnt sich als Sportler und schmuggelt Kamerarollen ins Dorf und wieder hinaus. Der Film verwendet historische Aufnahmen von ABC, die damals im Fernsehen liefen.
Einzelne Szenen sind nachgestellt: Das Gesicht eines maskierten Attentäters, der aus dem Fenster schaut. Als Köche verkleidete Polizisten, die daran scheitern, Einlass in die olympischen Wohnungen zu erhalten.
Und immer wieder sind auch die verheerenden Fehlentscheidungen der Sicherheitsbehörden Thema. Sie werden bis heute aufgearbeitet. (dpa/red)
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