Was Johann Wolfgang von Goethe inspirierte

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Von 4. September 2021

Der Begriff Kultivierung ist heutzutage in unserer westlichen, modernen Gesellschaft eher nur im Bereich der Pflanzenzüchtung anzutreffen. Doch das war nicht immer so. In allen Kulturen galt es als erstrebenswert, ein kultivierter Mensch zu sein. Doch was genau ist damit konkret gemeint? Kultivierung bedeutet Vervollkommnung und ist mit moralischen Wertvorstellungen und dem Glauben an eine höhere Kraft untrennbar verbunden.

Viele Kunstschaffende und Gelehrte der Vergangenheit, die auch heute noch weltweit geschätzt werden, hatten einen Bezug zum Göttlichen und schöpften daraus ihre Kraft und Inspiration, so auch Johann Wolfgang von Goethe.

Goethe gilt als bedeutendster deutscher Dichter, herausragende Persönlichkeit der Weltliteratur und wird auch im Ausland als Repräsentant des geistigen Deutschlands angesehen.

Außerdem war er als Theaterleiter, Kunsttheoretiker, Oberster Bibliothekar der Anna-Amalia-Bibliothek, Naturwissenschaftler, Politiker und Verwalter tätig. Und so ganz nebenbei war er auch noch Geschäftsmann, Ehemann und Vater. Er frönte seiner Sammelleidenschaft von unzähligen Mineralien, Gemälden, Büchern, Münzen, Skulpturen und Keramik. Bei so vielen verschiedenen Verpflichtungen und Interessen bedurfte es eines guten Zeitmanagements. Wo blieb da noch der Raum für die Muse, für den kreativen und wissenschaftlichen Austausch mit Gelehrten?

Die Quelle seiner Kraft und Inspiration

Die Natur prägte wesentlich Goethes dichterisches Schaffen, seine Korrespondenz und persönlichen Gespräche. Viele seiner Werke sind auf grünen Pfaden entstanden. Im Feld und Wald fand er Inspiration und er war auch maßgeblicher Gestalter ebendieser. Der Park an der Ilm wurde nach seinen Vorstellungen im Stil eines englischen Landschaftsgartens angelegt. Inmitten dieser Parkanlage befindet sich sein Gartenhaus nebst Garten. Hier mischte er, wieder nach englischem Vorbild, Nutz-und Zierpflanzen und legte einladende Nischen und Sitzplätze zum Verweilen an, wobei die Malve, Goethes Lieblingsblume, besondere Aufmerksamkeit erhielt. Später, als er sein neues Haus am Frauenplan bezog, gestaltete Goethe auch hier seinen Hausgarten selbst.

Das Wissen um die Gartenkunst eignete er sich durch das Studium der Schriften des damals bedeutendsten deutschen Gartentheoretikers Hirschfeld an. Die Ergebnisse können bis zum heutigen Tag in Weimar bewundert werden.

Naturbrücke im Park an der Ilm in Weimar. Foto: bettinas-jungbrunnen.de

Die Bibel begleitete Goethe von Kindheit an und er hat sich, auf der Suche nach einer höheren Wahrheit, zeitlebens mit ihr auseinandergesetzt. Jedoch störten ihn die Darstellung der Marterinstrumente bei der Kreuzigung und die des Todes Jesu. Er wollte nicht den Gekreuzigten, er wollte den Auferstandenen dargestellt sehen. 

Goethe beklagte in einem Gespräch mit Eckermann am 31. Dezember 1823 auch: „Die Leute traktieren den göttlichen Namen, als wäre das unbegreifliche, gar nicht auszudenkende höchste Wesen nicht viel mehr als ihresgleichen. Sie würden sonst nicht sagen: der Herr Gott, der liebe Gott, der gute Gott. Er wird ihnen, besonders den Geistlichen, die ihn täglich im Munde führen, zu einer Phrase, zu einem bloßen Namen, wobei sie gar nichts denken. Wären sie aber durchdrungen von seiner Größe, sie würden verstummen und ihn vor Verehrung nicht nennen mögen.” 

Goethe gebrauchte lieber Umschreibungen wie „das Unendliche”, „das Ungeheure”, „das ewig Wirkende”, „der Weltgeist”, „die Weltseele”, „das unbekannte höhere Wesen”, „die waltenden Mächte”, „das ewig Eine”.

In „Dichtung und Wahrheit” schrieb er: „Mir aber möge man erlauben, dass ich den verehre, der in dem Reichtum seiner Schöpfung so groß war, nach tausendfältigen Pflanzen noch eine zu machen, worin alle übrigen enthalten, und nach tausendfältigen Tieren ein Wesen, das sie alle enthält: den Menschen.”

Goethe, der Naturliebhaber

Von Anfang an hatte Goethe einen besonderen Hang zur Naturfrömmigkeit. Er identifiziert Gott mit seiner Schöpfung der Natur und sieht darin vor allem die Schönheit und das Gute. Für Goethe war Natur und Göttliches identisch und die Naturwissenschaft war für ihn partielle Gotteserkenntnis. So sah er sich als Pantheisten und weniger als Christen. Pantheismus bezeichnet die Auffassung, dass Gott eins mit dem Kosmos und der Natur ist. Hier ist kein personifizierter Gott vorhanden. Das Göttliche wird im Aufbau und in der Struktur des Universums gesehen. Es existiert in allen Dingen und beseelt alle Dinge der Welt beziehungsweise ist mit der Welt identisch.

Dennoch oder vielleicht auch wegen seines tieferen Verständnisses für die mythischen Kräfte der Natur hat Goethe so viele Werke hinterlassen, an denen wir uns noch immer erfreuen. Mit dieser Auffassung von Gott und Natur stand er quer zu allen Grundansichten des Jahrhunderts.

„Gefunden“ ist eines meiner liebsten Goethe-Gedichte. Er schrieb es 1813 anlässlich des 25. Jahrestages der ersten Begegnung mit seiner Frau Christiane von Goethe, geborene Vulpius. Die Naturbrücke im Park an der Ilm ist der Ort dieser ersten Begegnung. 

Gefunden

Ich ging im Walde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.

Im Schatten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Äuglein schön.

Ich wollt es brechen,
Da sagt es fein:
Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?

Ich grub’s mit allen
Den Würzlein aus.
Zum Garten trug ich’s
Am hübschen Haus.

Und pflanzt es wieder
Am stillen Ort;
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.



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