Von wegen schuldig: Reue und Verantwortung
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Die meisten teilen diese Ansicht wahrscheinlich nicht. Das Bedauern kann wie ein Rucksack auf unseren Schultern lasten und uns mit dem Gedanken an schwindende Aussichten und zerstörten Möglichkeiten belasten. Mit Mitte 30 fragen wir uns, ob uns unser Streben nach dem Erfolg im Beruf die Möglichkeit einer glücklichen Ehe genommen hat. Oder wir schauen uns um und sehen, dass viele unserer Freunde beruflich erfolgreich sind, während wir in einem Job festzustecken scheinen, der weder Wohlstand noch Zufriedenheit bringt.
Oder wir bedauern den Schaden, der durch unser Laster entstanden ist. So hat vielleicht der Alkoholkonsum oder die Spielsucht unsere Ehe zerstört, ein rüpelhaftes Benehmen oder das aufbrausende Temperament einen Keil zwischen uns getrieben.
Es sind aber nicht immer die großen Schwierigkeiten, oftmals bedauern wir die kleinen Vorfälle: die Beleidigung, die einen Freund wie ein Schlag getroffen hat, die hässliche Art, wie wir mit einer Freundin Schluss gemacht haben oder der Streit mit dem Onkel über Politik, der uns vor fünf Jahren das Familienessen verdorben hat.
Reue und Schuld sind enge Verwandte. Wir beschweren uns, dass wir uns um unsere ältere Mutter kümmern müssen. Nach ihrem Tod schämen wir uns für diese Gedanken und Gefühle. Oder wir blicken zurück auf die Jahre, in denen wir unsere Kinder großzogen, und fragen uns: Warum habe ich mir so wenig Zeit genommen, um ihre Fußballspiele oder Tanzveranstaltungen zu besuchen?
Es scheint, als ob unsere Gesellschaft eine Art Phobie vor Reue und Schuldgefühlen entwickelt hat. Wir sehen das auch an unseren Politikern, denen es offenbar an der Fähigkeit fehlt, zu sagen: „Mann, ich habe wirklich Mist gebaut.“ Therapeuten verwenden viel Zeit damit, die Schuldgefühle ihrer Patienten zu beseitigen.
In ihrem Lied verkündet Piaf, dass ihr Bedauern „bezahlt, weggefegt, vergessen“ ist und dass sie „meine Erinnerungen in Brand gesetzt“ hat. Am Ende des Liedes erklärt sie, warum sie ihr Bedauern in einen Müllcontainer werfen kann: „Weil mein Leben, weil meine Freude / Heute … mit dir beginnt!“
Das ist ein schönes Gefühl, aber nicht besonders glaubwürdig. Jeder Mann, der die gesamte Vergangenheit einer Frau wegwischen könnte – „meine Sorgen, meine Freuden“ – wäre ein romantischer Superheld.
Gibt es auch eine gesunde Seite des Bedauerns und der Schuldgefühle?
Wenn diese Gefühle uns und unsere Träume zerstören, lautet die Antwort: Nein. Dann brauchen wir Hilfe.
Reue kann aber auch ein guter Lehrmeister sein.
In mir gibt es zum Beispiel eine Kammer mit Geistern aus der Vergangenheit, Gespenstern der Reue und der Scham. Täglich taucht einer oder gleich mehrere von ihnen auf und erinnern mich an die Fehler und Ungerechtigkeiten, die ich in meinem Leben begangen habe. Sie zeigen mit dem Finger auf das Leid, das ich anderen und auch mir selbst zugefügt habe.
Hier ist jetzt die gute Nachricht: Ich habe aus diesen Gespenstern gelernt. Ja, ich schäme mich immer noch für das, was ich getan oder unterlassen habe. Aber dieses Bedauern bewirkt, dass ich mich verbessern und mich mehr anstrengen möchte, um meiner Familie und meinen Freunden Freude und positive Energie zu schenken.
(deutsche Übersetzung und Bearbeitung Bettina Schwarz)
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