Umgang mit Krisen und Wandel: Hochsensible Menschen in der Coronazeit

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Von 27. Dezember 2021
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„Ich verstehe das alles nicht! Und dieses ganze Hin und Her macht mich total fertig, auch wenn mir klar ist, dass die Regierung ja immer ganz aktuell schauen muss.“ Claudia rutscht unruhig auf ihrem Stuhl im Café umher. Sie fühlt sich sichtlich unwohl, wirkt ängstlich und ist schnell durch die Umgebungsgeräusche genervt.

„So ganz verstehe ich das alles auch noch nicht, aber mir ist klar, dass hier so manches nicht mit rechten Dingen zugeht!“ Stefan, ein guter Freund von Claudia, nimmt einen großen Schluck seines Kaffees und lehnt sich entspannt in seinem Sessel zurück. Sie haben sich lange nicht gesehen und es kostete Stefan einige Überredungskünste, Claudia aus ihrem Schneckenhaus zu holen.

„Weißt du“, sagt er, „ich halte die meisten Maßnahmen, die so durchgeboxt werden, für völlig übereilt und falsch.“ Claudia schaut sich schnell um, wer in ihrer Nähe diese Meinungsäußerung von Stefan mitbekommen haben könnte. „Nicht so laut!“, zischt sie ihm zu. „Ich kenne ja deine Haltung, aber erstens teile ich sie nicht, weil doch die Regierung, wenn auch ziemlich dilettantisch, versucht, die Bürger vor der Gefahr zu schützen. Und zweitens möchte ich hier keinen Aufstand riskieren. Es gibt schon genug Unruhe überall.“

So oder so ähnlich könnte ein Gespräch zwischen zwei hochsensiblen Menschen in Zeiten der Corona-Krise lauten. Sie fragen sich, was daran nun so anders ist als an einem Gespräch zwischen zwei Nicht-Hochsensiblen? Und welche Rolle spielt es in unserer heutigen Zeit und Krise überhaupt, ob ein Mensch hochsensibel ist oder nicht? Da diese Fragen eine große Komplexität beinhalten, nähere ich mich den Fragen schrittweise.

Es zeigen sich hier zwei Aspekte: erstens die Umgang mit der momentanen nationalen und globalen politische Lage, zweitens die hochsensiblen Wesenszüge von Claudia und Stefan.

Hochsensibilität

Generell ist zu sagen, dass Hochsensible keine einheitliche Position zur gesellschaftlichen Lage einnehmen. Das ist auch bei anderen Themen nicht der Fall. Warum? Weil Hochsensibilität kein Gesinnungsthema ist.

Bei der Hochsensibilität handelt es sich um ein neuronales Phänomen, welches vererbbar ist und bei circa 20 bis 30 Prozent aller Menschen auftritt. Das neuronale System Hochsensibler nimmt über alle Sinnes- und Wahrnehmungskanäle deutlich mehr Informationen auf und verarbeitet diese Fülle auch nachweislich intensiver und komplexer.

Nachvollziehbar wird dieser vererbte Unterschied, wenn wir uns den Sinn und Zweck anschauen. Es gibt in jeder Gruppe, ganz gleich ob es nur wenige oder sehr viele sind, Aufgaben oder Herausforderungen, die in sich eine hohe Lösungskomplexität erfordern – ob dies der Unterricht in einer Schulklasse mit 25 oder 30 Schülern ist, die Gestaltung unserer IT-Programme oder konstruktiver zwischenmenschlicher Beziehungen, oder die Bewältigung solch hochkomplexer Krisen- und Wandlungsprozesse, wie wir sie derzeit erleben.

Wo eine vielschichtige Situation entsprechend vielschichtig gelöst wird, bedarf es auf der anderen Seite entsprechender ausgleichender Faktoren, die den hohen Energieaufwand dieser geleisteten Komplexität abfedern.

Claudia

Claudia beispielsweise ist ein eher ängstlicher Typ, der zudem auch schnell von sensorischen Reizen, also Lärm, Licht, Gerüchen, vielen Menschen oder Energien überflutet wird – typische Merkmale hochsensibler Menschen. Fakt ist jedoch, dass ihr System aus weniger Informationen mehr Gehalt extrahiert. Dieser Prozess bedeutet für sie jedoch einen höheren Energieaufwand. Da dies von außen nicht zu sehen ist, kann die daraus resultierende schnellere Erschöpfung, Unsicherheit oder das erhöhte Rückzugsbedürfnis leicht fehlinterpretiert und als Desinteresse, Unfähigkeit oder gar Arroganz ausgelegt werden. Um solche möglichen Konflikte mit dem Umfeld zu minimieren, lernt ein hochsensibler Mensch früh, sich stark anzupassen sowie Konflikte und Veränderungen zu vermeiden. Ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis entsteht leicht durch die frühe und immer wieder auftretende Fehleinschätzung des Umfelds (Kita, Schule, Ausbildung et cetera).

Auf Krisen wie die derzeitige können sich diese Wesensmerkmale nun dergestalt auswirken, dass eine Bereitschaft zur Anpassung ein Hinterfragen verbietet. Zusätzlich machen Veränderungen, insbesondere solch plötzliche und gravierende wie derzeit, große Angst, weil das Sicherheitsbedürfnis bis auf seine Grundfesten erschüttert wird. Aus der Hirnforschung wissen wir bereits, dass Ängste die Denk- und Handlungsfähigkeit einschränken. Und so nimmt Claudia eine angepasste Pro-Haltung ein und flüchtet sich in einen sicherheitsvermittelnden Rückzug.

Diese psychischen Mechanismen sind selbstverständlich nicht nur bei hochsensiblen Menschen zu finden! Aber Feinfühlige reagieren wie sehr fein eingestellte Seismographen sehr frühzeitig und intensiv auf  (gesellschaftliche) Erschütterungen. Sie sind die Warner des Systems! Ob sie jedoch erhört und berücksichtigt werden, ist vom Reifegrad einer Gruppe beziehungsweise Gesellschaft abhängig.

Stefan

Mit dem Phänomen des Reifegrads kommen wir zu Stefan. Er signalisiert trotz der bedrohlichen und belastenden Situation ein gewisses Maß an Gelassenheit und Kritikbereitschaft. Auch er ist hochsensibel, steht jedoch mit seiner Persönlichkeitsentwicklung an einem anderen Punkt als Claudia. Stefan ist bereits in der Lage, sich trotz aller Unsicherheitsfaktoren im öffentlichen als auch privaten Bereich von den gesellschaftlichen Vorgaben bis zu einem gewissen Grad unabhängig zu machen. Er ist bereit und auch emotional in der Lage, sich kritisch mit dem gewünschten Verhaltenskodex auseinanderzusetzen. Dies erfordert – hochsensibel oder nicht – ein hohes Maß an Integrität und innerer Stabilität. Hier ist der Unterschied zu normal-sensiblen Menschen meines Erachtens der, dass für Feinfühlige der Schritt heraus aus der Sicherheitskomfortzone risikoreicher ist. Aufgrund häufig erlebter Fehleinschätzung der Umwelt ist, wie bei Claudia, das Sicherheitsbedürfnis einfach größer. Diesen Konflikt haben Normalsensible einfach nicht in diesem Ausmaß.

Was hat Stefan dazu befähigt, an diesem Punkt über eine größere Resilienz zu verfügen? Neben Faktoren wie einer förderlichen Erziehung ist die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Veranlagung ein nicht zu unterschätzendes Potenzial. Je unbewusster die eigene Veranlagung ist und je unbewusster die daraus resultierenden möglichen (frühkindlichen) Verletzungen sind, desto schwieriger gestaltet sich das Leben mit der eigenen Disposition. Sie wird dann schnell als Belastung gesehen und die innewohnenden Potenziale treten nach und nach in den Hintergrund.

Nach meiner Beobachtung neigt der überwiegende Teil der Feinfühligen, entsprechend der gesamtgesellschaftlichen Haltung, zu einer vorsichtigen, philantropen und entgegenkommenden Einstellung.

Krise und Wandlung

Zurück zur aktuellen Krise und dem großen Wandlungsprozess, zu dem wir Menschen derzeit aufgerufen sind. Aus meiner Sicht steht hinter den offensichtlichen Konflikten ein sehr viel größerer Umwälzungsprozess, der jeden Menschen einlädt, sich seiner Menschlichkeit bewusst zu werden. Was dies bedeutet und welche Schritte auf diesem Weg nötig sind, werden wir beim Gehen des Weges erleben.

Allerdings sind für diesen hochkomplexen Prozess Vorreiter vonnöten, die bereits erfahren sind mit den zukünftig relevanten Faktoren wie Achtsamkeit, Empathie, Umgang mit feinen Schwingungen und Authentizität – alles Merkmale, die klassischerweise zum hochsensiblen Wesen gehören. Hochsensible Menschen bringen daher für diese globale Herausforderung ein wunderbares Potenzial mit und können wertvolle Wegbegleiter sein!

Verfolgen Sie unsere Artikelserie zum Thema Hochsensibilität, um mehr über diese spannende und so wertvolle Disposition zu erfahren. Im Januar widmen wir uns der Frage: „Hochsensibilität und Hochbegabung – Geschwister oder doch nur Nachbarn?“



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