Trotz Reiseverbot: Standing Ovations für iranisches Film-Duo

Das iranische Regie-Duo Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha durfte nicht zur Berlinale anreisen. Doch mit ihrem Werk konnten sie auch so überzeugen. Auch an anderer Stelle wird es politisch.
Die Schauspieler Esmail Mehrabi (l) und Lily Farhadpour (r) kamen ohne ihre Regisseure zur Berlinale - zeigten sie aber auf einem Foto.
Die Schauspieler Esmail Mehrabi (l) und Lily Farhadpour (r) kamen ohne ihre Regisseure zur Berlinale - zeigten sie aber auf einem Foto.Foto: Soeren Stache/dpa
Epoch Times17. Februar 2024

Das mit einem Ausreiseverbot belegte iranische Regie-Duo Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha hat sich mit einer deutlichen Botschaft zu seinem Film und der Lage im Iran positioniert.

„Wir haben uns entschlossen, diesmal alle Restriktionen roter Linien zu überwinden und die Konsequenzen zu akzeptieren für unsere Entscheidung, ein reales Bild iranischer Frauen zu zeichnen“, heißt es in einer Erklärung der beiden, die die Schauspielerin Lily Farhadpour in Berlin verlas.

Die Premiere von „Keyke mahboobe man“ („My Favourite Cake“) als Teil des Berlinale-Wettbewerbs wurde vom Publikum frenetisch gefeiert. Bereits vor der Präsentation gab es Standing Ovations für Farhadpour und ihren Filmpartner Esmail Mehrabi. Der Applaus zog sich nach dem Film über Minuten. Farhadpour hielt dabei immer wieder ein großes Foto des abwesenden Regie-Duos Moghaddam und Sanaeeha in die Höhe.

Mit Hidschab ins Bettt – die Hürden iranischer Zensur

Der Film erzählt die Geschichte einer 70 Jahre alten Witwe, die nach dem Tod ihres Mannes das Liebesleben im Alter wiederentdeckt. Vordergründig scheint es ein Film zu sein, der vor allem über die Liebe und Selbstbestimmung im Alter nachdenkt. Durch seine Mehrdeutigkeit weitet er sich aber zu einem intelligenten Gesellschaftsporträt.

Farhadpour verwies auf eine der Auslassungen in iranischen Filmen aufgrund der Zensur. So sei es tabu, dass auch ältere Frauen sich noch einmal verlieben könnten.

Frauen trügen zudem keinen Hidschab beim Schlafen. „Die Menschen haben gelacht, wenn Frauen in den Filmen mit Hidschab ins Bett gegangen sind“, sagte Farhadpour zum Umgang mit der Kopfbedeckung.

„Keyke Mahboobe man“ polarisiert in dem Land, dessen Staatsreligion der Islam ist. „Seit Jahren kämpfen die iranischen Frauen gegen ungerechte Gesetze wie den obligatorischen Hidschab und die fehlende Gleichberechtigung“, so das Regie-Duo.

Das Regie-Duo bedauerte, seinen Film nicht selbst präsentieren zu können. „Wir sind traurig und erschöpft, aber wir sind nicht alleine“, schrieb Maryam Moghaddam auf Instagram. „Das ist die Magie des Kinos. Das Kino verbindet uns mit Euch.“

Dreharbeiten im Verborgenen

Die Filmarbeiten wurden noch vor der von Frauen angeführten Protestwelle im Herbst 2022 aufgenommen. Ausgelöst wurden die Aufstände vom Tod der jungen iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Die berüchtigten Sittenwächter hatten die junge Frau festgenommen, sie fiel ins Koma und starb wenige Tage später. Es folgten die schwersten Proteste seit Gründung der Islamischen Republik, die Irans Staatsführung gewaltsam niederschlagen ließ.

Die Dreharbeiten erfolgten laut den Filmemachern so weit wie möglich im Verborgenen, während die Straßendemonstrationen weiter andauerten.

Nach den Protesten, die unter dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ vor allem junge Menschen auf die iranischen Straßen gebracht hatten, gerieten auch immer mehr Filmschaffende ins Fadenkreuz der Justiz, die sich mit der Bewegung solidarisierten. Erst im Oktober war mehr als ein Dutzend berühmter Filmpersönlichkeiten mit einem Arbeitsverbot belegt worden.

Bereits im Jahr 2021 war das Regie-Duo Moghaddam und Sanaeeha mit dem Film „Ballade von der weißen Kuh“ bei der Berlinale ins Rennen gegangen. Auch dieser Film galt im Iran als höchst kontrovers, politisch aufgeladen und brach gleich mehrere Tabus.

„Free Palestine“-Rufe bei Berlinale-Film „No Other Land“

Das palästinensisch-israelische Filmemacherkollektiv von „No Other Land“ hat sich indes im Rahmen seiner Premiere bei der Berlinale gegen die Haltung der Intendanz zum Nahostkonflikt gestellt und Israel als Apartheidstaat bezeichnet. Die vier Filmemacher forderten einen Waffenstillstand in Gaza, definierten ihre Haltung gegen die Berlinale-Intendanz jedoch nicht weiter.

Der Dokumentarfilm „No Other Land“ dreht sich um die Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern in den Dörfern von Masafer Yatta, südlich von Hebron im Westjordanland. Der Film zeigt, wie der Palästinenser Basel Adra den schrittweisen Abriss der Dörfer seiner Heimatregion durch Soldaten im Auftrag der israelischen Regierung dokumentiert. Der israelische Journalist Yuval Abraham beginnt, ihn in seinen Bemühungen zu unterstützen. „No Other Land“ wurde im Oktober 2023 abgedreht, das Massaker der Hamas gegen Israel wird im Film nur am Rande erwähnt.

Im Saal wurden im Anschluss an den Film von einzelnen Zuschauerinnen Parolen wie „Free Palestine“ gerufen – zwei Männer, die Frieden für Israel und Palästina forderten, wurden niedergeschrien und beleidigt.

Das Führungsduo der Berlinale hatte das Filmfestival Mitte Januar als Plattform für friedlichen Dialog in Bezug auf den Nahostkonflikt bezeichnet. Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian betonten, dass ihr Mitgefühl allen Opfern der Krisen in Nahost und darüber hinaus gelte. „Wir möchten, dass das Leid aller wahrgenommen wird und mit unserem Programm verschiedene Perspektiven auf die Komplexität der Welt eröffnen.“ (dpa)



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