Til Schweiger: Deutsche Schauspieler müssen natürlicher sein
Til Schweiger (55) wollte eigentlich Lehrer werden. Stattdessen wurde er Filmstar. Wissen vermitteln will er trotzdem noch.
In dem von seinem Kollegen Heiner Lauterbach neu ins Leben gerufenen Internet-Schulungs-Projekt „Meet Your Master“ erklärt Schweiger in Online-Tutorials allen, die 89 Euro dafür zahlen wollen, was man als Filmemacher wissen muss. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht er über seine Lehrer-Qualitäten, den Traum von der eigenen Schauspiel-Schule und den Schulleiter seines Sohnes, sowie über seinen Schulfreund Walter, „Tatort“-Kritiken und die magische Zahl der Leichen.
Stimmt es, dass Sie eine Schauspielschule eröffnen wollen?
Ich habe es vor zwei Jahren schon einmal angeschoben, aber dann ist es wieder versandet. Das war eigentlich immer mein Traum, eine Filmakademie zu machen für Schauspiel – nicht für die Bühne davon gibt es genug, sondern wirklich für den Film, mit Gastdozenten, die wirklich wissen, wovon sie reden. Da gab es auch großes Interesse, aber, wie gesagt, es scheitert nach wie vor an der fehlenden Zeit. Aber das heißt nicht, dass es nicht irgendwann mal soweit ist.
Was wäre denn aus Ihrer Sicht das wichtigste Lernziel an dieser Akademie?
Es würde schon um alles gehen: Filmen, von der Finanzierung über Kamera bis hin zur Bildgestaltung, Kostüm, Ausstattung, Webdesign und Schnitt. Und an der Schauspiel Academy wäre es natürlich am wichtigsten, den Leuten beizubringen, dass sie authentisch spielen, naturalistisch – und nicht künstlich, wie das im deutschen Fernsehen immer noch der Fall ist.
Wenn Du einen Taxifahrer spielst, müssen die Leute einen Taxifahrer sehen und nicht einen Schauspieler, der vorne im Taxi sitzt und in einer kleinen Szene versucht, alle an die Wand zu spielen. Vor allen Dingen ist es wichtig, dass sie autark sind und selbstständig und nicht herumsitzen und fragen: Was macht mein Agent? Alle jammern immer über die Agentur und beklagen, dass ihr Agent nichts macht. Ich sage denen: Schreib deine eigenen Geschichten – und dann helft euch gegenseitig. Tut euch zusammen. Das wäre so die Quintessenz.
Wer hat Ihnen denn den wichtigsten Rat für Ihre Karriere gegeben?
Im Schauspiel war das Heiner Lauterbach. Er hat mir den Trick beigebracht, wie man es vergisst, dass einem am Filmset hundert Leute auf die Finger gucken und zwei Kameras auf einen gerichtet sind: Er hat mir gezeigt, dass man einfach nur eine Figur ist, wenn die Kamera läuft. Das hilft, den Druck zu vergessen.
Sie sind inzwischen nicht nur Schauspieler, sondern auch Produzent, Regisseur, Cutter – was sind Sie am liebsten?
Meine Lieblingsbeschäftigung ist tatsächlich das Schneiden. Dann habe ich alles schon gedreht, mir kann nichts mehr passieren. Kein Sturm kann mehr kommen, kein Hauptdarsteller kann sich ein Bein brechen und ich kann den Film in Ruhe so zusammenzusetzen, wie er in meinem Kopf ist. Aber wenn jetzt jemand käme und sagen würde, ich müsste mich für eine Sache entscheiden, würde ich mich für die Regie entscheiden.
Sie arbeiten auch mit Ihren eigenen Kindern zusammen. Haben Sie viel Geduld? Oder gibt es etwas, was Sie aus der Haut fahren lässt?
Unpünktlichkeit finde ich richtig scheiße. Aber was mich aus der Haut fahren lässt, ist, wenn Leute lügen und nicht eingestehen können, dass sie Fehler gemacht haben. Ich denke, es ist eine Qualität, Fehler zugeben zu können und ich find das ganz einfach. Aber viele Leute tun sich damit schwer. Und noch schlimmer finde ich es, dann, wenn sie einen Fehler gemacht haben und den nicht nur nicht eingestehen, sondern ihn jemand anderem in die Schuhe schieben.
Haben Sie damit oft zu tun im Filmgeschäft?
Oh ja. Aber das hat man generell im Leben. Und was mich auch aus der Haut fahre lässt, ist Neid und Geiz, die zwei schlimmsten Charaktereigenschaften. Oft gehen die Hand in Hand.
Was qualifiziert Sie denn als guten Lehrer?
Das kann man über sich selbst schlecht sagen, aber meine Schauspieler, die bei mir drehen, sagen: Til bringt das so schnell auf den Punkt. Es gibt so viele Regisseure, die kommen von Pontius zu Pilatus und reden über irgendwelche Sachen, die nicht relevant sind und ich sage: Mach’s mal so.
Ich war immer schlecht in Mathe – bis ich in die Oberstufe kam. Nachdem ich die Zehnte wiederholt hatte, war ich plötzlich mit Walter zusammen in der Klasse. Walter war in meiner Fußballmannschaft und der war ein Genie. Der hat ein Abi gemacht von 0,9. Der hatte in jedem Fach 15 Punkte, inklusive Sport. Das gibt’s ja meistens nicht. Der war Sohn eines Mathematikprofessors und wenn ich den Vater gefragt habe, habe ich nie was verstanden.
Aber Walter konnte mit Mathe in der Oberstufe so erklären, dass es für mich auf einmal pupseinfach war – also nicht der Beweis, den konnte ich nicht führen. Aber die Formeln. Ab da hab ich immer 14 Punkte geschrieben, vorher hatte ich ’ne 5 in Mathe.
Lehrer haben oft das Problem, dass sie sich nicht auf die Gehirnwindungen der Schüler einlassen können. Für sie ist es ganz einfach und der Schüler ist einfach nur doof, weil er es nicht kapiert. Wenn Sie sich aber wirklich auf das Level des Schülers begeben würden, dann würde es für den Schüler ganz einfach. Und was noch wichtig ist: Es macht Spaß mit mir als Lehrer.
Haben Sie sich schonmal mit Lehrern angelegt? In Ihrer Schulzeit oder als Vater?
Jo. Das war der Schulleiter in der Schule meines Sohnes. Die wollten den Schülern verbieten, dass sie Kopfbedeckungen tragen. Aber Teil seiner Identität war lange, lange Jahre sein Beanie und auf einmal sollte der nicht mehr seinen Beanie tragen dürfen. Da war der 13 und hat mich gefragt, ob ich einen guten Anwalt weiß. Da bin ich zum Schulleiter gegangen und habe gesagt, dass die sich vielleicht besser darum kümmern sollen, dass die Schüler die Mathefragen kapieren und nicht darum, was sie auf dem Kopf tragen, solange es kein Hakenkreuz ist.
Apropos anlegen: Der letzte „Tatort“ aus Wiesbaden mit Ulrich Tukur hat Ihnen nicht gefallen…?
Ich habe mir fest vorgenommen, dazu nichts mehr zu sagen. Das Statement richtete sich ja auch nicht gegen den Tukur, den ich sehr schätze. Es ging um die Diskrepanz zwischen dem, was ich gesehen habe und diesen ganzen Kritiken. Das waren ja wirklich Hymnen. In diesem „Tatort“ sind mehr Menschen erschossen worden – und zwar teilweise viel brutaler – als in all meinen „Tatorts“ zusammen.
Und bei meinen war dann immer der Tenor: Das ist gar kein richtiger „Tatort“. Wo ist denn die Regel? Wo steht denn das Regelwerk, was ein richtiger „Tatort“ ist. Und beim Tukur-„Tatort“ war es jetzt aus Sicht der Kritiker nicht nur legitim, es war großartig. Von daher richtete sich meine Kritik eher gegen den Rezensenten.
Also schauen Sie wirklich noch analog und linear „Tatort“?
Nein, das war Zufall. Ich schaue ganz ganz selten „Tatort“, weil ich eigentlich nie Fernsehen guck‘. Wenn ich Zeit hab‘, guck ich Bundesliga oder Champions League oder Nationalmannschaft oder wenn ein Freund oder Kollege eine Rolle gespielt hat. Aber „Tatort“ guck‘ ich ganz ganz selten.
Wann sind Sie wieder dran? Und wie viele Tote gibt es?
Am 5. Januar. Ganz wenige. Das ist ja unser Neustart. Dagegen war der jetzige „Tatort“ der Dritte Weltkrieg.
Til Schweiger startete seine Schauspiel-Karriere einst in der „Lindenstraße“ und mit der 90er-Jahre-Klamotte „Manta, Manta“. Seinen großen Durchbruch hatte er als „bewegter Mann“. Heute ist er selbst Filmemacher, arbeitet als Regisseur und produziert mit seiner eigenen Firma Barefoot Films Kinoerfolge wie „Keinohrhasen“ oder „Honig im Kopf“, der als US-amerikanisches Remake allerdings floppte. (dpa)
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