Südfrankreich jenseits des Strandes: Avignon und Marseille
Eingebettet in bewaldete Hügel an den weiten Flussbögen der Rhône, ist Avignon eine angenehme kleine Stadt, die zum Flanieren durch die von mittelalterlichen Mauern umgebenen Kopfsteinpflasterstraßen einlädt. Heute leben hier weniger als 100.000 Menschen, obwohl die Stadt einst für einen großen Teil der westlichen Welt ein wichtiges Zentrum war. Das größte Zeugnis dieses Vermächtnisses politischer und religiöser Macht steht immer noch im Herzen der Stadt.
„Dies ist immer noch der größte gotische Palast Europas“, sagte ein Fremdenführer, als ich die Pracht und Größe des Papstpalastes bewunderte, der insgesamt über 160.000 Quadratmeter groß ist, obwohl nur ein Drittel davon für die Öffentlichkeit zugänglich ist.
Papstpalast in Avignon
Der Papstpalast, der heute zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, ist nur eines der architektonischen und historischen Meisterwerke, die Südfrankreich auszeichnen. Das Gebäude beherbergte sieben Päpste und diente während eines Großteils des 14. Jahrhunderts als Sitz des westlichen Christentums.
Wenn man sich die Provence und die Côte d‘Azur vorstellt, denken die meisten Menschen an weißen Sand, aquamarinblaues Wasser, Strandkörbe und Brigitte Bardot. Die Provence ist aber auch ein perfekter Ort, um in die Vergangenheit einzutauchen, wo sich die Jahrtausende alte Geschichte am Mittelmeer mit einer pulsierenden Gegenwartskultur vermischt.
Der Palast der Päpste und das Papsttum von Avignon haben eine komplizierte Geschichte, die ihren Ursprung in einem Konflikt zwischen dem Vatikan und der französischen Krone nahm, der Papst Clemens V. dazu veranlasste, seine Verwaltung 1309 von Rom in diesen ehemaligen Bischofspalast zu verlegen. Noch verworrener wurde es, als Papst Gregor XI. seine Verwaltung 1377 wieder nach Rom zurückverlegte. Von 1378 bis 1417 kam es zu einem Schisma mit rivalisierenden Päpsten in Rom und Avignon. Zeitweise erhoben drei Männer den Anspruch, das rechtmäßige Oberhaupt der Kirche zu sein.
Diese turbulente Zeit hinterließ ein prächtiges Gebäude – das größte gotische Bauwerk des Mittelalters –, das von den besten Architekten in Europa geschaffen wurde.
Die Zinnen, Bögen und Türme ragen von außen in die Höhe, letztere sogar bis zu 51 Meter. Die Bauarbeiten erfolgten in zwei verschiedenen Phasen: 1252 wurde mit dem Bau des Alten Schlosses begonnen, 1334 folgte der Bau des Neuen Schlosses.
Die Säle im Inneren wirken unvorstellbar groß, darunter der Konsistoriumssaal, in dem der Papst seine Kardinäle versammelte, um politische und juristische Angelegenheiten zu besprechen und zu entscheiden. Die Fresken in der Kapelle St. Jean geben nur einen Vorgeschmack auf die Farben und die Komplexität der Kunstwerke, die einst alle Oberflächen dieses Bauwerks bedeckten.
„Sie ist wie eine kleine Sixtinische Kapelle“, sagte der Reiseführer. „Das waren wahre Meister.“
Marseille
Natürlich gibt es in der Provence noch mehr zu sehen als Avignon, zum Beispiel die zweitgrößte Stadt Frankreichs. Ich stieg in den superschnellen Hochgeschwindigkeitszug TGV und schoss in Richtung Süden ans Meer, während kleine, in Täler eingebettete Dörfer blitzschnell durch das Fenster vorbeizogen. Weniger als 30 Minuten später stieg ich in Marseille aus.
Unmittelbar vor dem auf einer Anhöhe gelegenen Bahnhof Gare Saint Charles breitet sich die Stadt zum Greifen nah aus. Dichte Häusergruppen erheben sich rund um die unverkennbare Marien-Wallfahrtskirche Notre-Dame de la Garde. Die Basilika, die von den Einheimischen Bonne Mère oder „die gute Mutter“ genannt wird, thront auf einem 152 Meter hohen Kalksteinfelsen, der das Stadtbild dominiert und alles überragt.
Mein Weg führte mich hinunter zum Meer und an der Uferpromenade entlang. Der Alte Hafen liegt im Zentrum des Geschehens, seit die ionischen Griechen dort 600 v. Chr. einen Handelsposten errichteten. Er beherbergte römische und mittelalterliche Siedlungen, und König Ludwig XIV. baute zwei Festungen – St. Jean und St. Nicolas –, um den Hafenzugang zu schützen. Mitte des 19. Jahrhunderts passierten jeden Monat Tausende Schiffe den Hafen.
Mittlerweile hat sich der Haupthandel in einen nahegelegenen Industriehafen verlagert, doch der Alte Hafen von Marseille ist nach wie vor ein beliebter Treffpunkt und voll mit Segelbooten und Superjachten. Viele der angrenzenden Straßen sind Fußgängerzonen und von Straßencafés gesäumt.
Bei meinem Rundgang entdeckte ich einen klassischen französischen Fischmarkt, der an die Grande Roue angrenzt, ein über dem Wasser schwebendes Riesenrad, das 54 Meter in die Höhe ragt. Auf der einen Seite des Hafens kam ich an der Hauptkathedrale der Stadt vorbei – der beeindruckend großen Nouvelle Major, einer der größten Kirchen Frankreichs. Sie vereint byzantinische und romanische Stilelemente und bietet Platz für 3.000 Menschen.
Es gab noch so viel zu entdecken, in der Stadt und außerhalb. Als ich hinausschaute, schimmerte das Meer, und die Wellen schlugen weit unten an. Wenn man die Küste hinauf- oder hinunterfährt, findet man einen guten Platz zum Schwimmen – aber an diesem sonnigen Nachmittag in Südfrankreich, wo es so viel zu erleben und zu sehen gab, hatte ich nicht einmal an den Strand gedacht.
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