Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!
Am 22. April 1724 kommt Immanuel Kant als viertes von acht Kindern des Sattler- und Riemermeisters Johann Georg Kant und dessen Frau Anna Regina in der mittelalterlichen Stadt Königsberg an der Mündung der Pregel nahe der Danziger Bucht zur Welt.
Früh erkannte Begabung
Das Elternhaus ist pietistisch geprägt und bildungsorientiert. Immanuel besucht schon im Alter von acht Jahren das Collegium Fridericianum, das über einen hervorragenden Ruf verfügt und seine Schüler auf universitäre Studien vorbereitet.
Bereits im Jahr 1740 schreibt sich der 16-jährige Immanuel an der Königsberger Albertus-Universität ein und hört dort Vorlesungen in Physik, Astronomie, elementarer Mathematik und Philosophie.
Drei Jahre zuvor ist seine Mutter verstorben, nur vier Geschwister Immanuels werden das Erwachsenenalter erreichen. 1746 stirbt auch der Vater.
Gerade hat Immanuel Kant seine erste Schrift „Gedanken von der wahren Einschätzung der lebendigen Kräfte“ fertiggestellt, da muss er beginnen, als Hauslehrer den Lebensunterhalt für sich und seine jüngeren Geschwister zu verdienen.
Ziele und Vorbilder klar im Blick
Seine eigentlichen Ziele verliert er aber trotz alledem nicht aus den Augen: Seine Leidenschaft gilt dem Denken und dem Lehren des Denkens.
Ab dem Jahr 1754 veröffentlicht er Aufsatz um Aufsatz. Mit „Über das Feuer“ (De Igne) promoviert er. Es folgen die „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels“ und die „Die ersten Grundsätze der metaphysischen Erkenntnis“ (Nova Dilucidatio).
Mit dieser Schrift erreicht er die Zulassung als sogenannter Magister legens, was einer Dozentenstelle gleichkommt, und beginnt an der Universität zu lehren, der er selbst wesentliche Denkanstöße verdankt.
Noch im hohen Alter wird er seine eigenen Professoren loben, die ihn unter anderem mit Werken von Gottfried Wilhelm Leibniz und Isaac Newton bekannt gemacht hatten.
Freude am Denken und am Lehren
Nun, mit gerade 31 Jahren, tritt er in die Fußstapfen seiner Lehrer. Kaum ein Feld der Geistes- und Naturwissenschaften bleibt in seinen Vorlesungen unberührt. Er lehrt Logik, Physik, Moralphilosophie, Theologie, Mathematik, Metaphysik, Mechanik, Geografie, Anthropologie, Pädagogik und Naturrecht.
Und: Obwohl er meist am frühen Morgen zwischen sieben und neun Uhr doziert, sind seine Veranstaltungen an der Albertus-Universität gut besucht. Unter Studenten und Nicht-Studenten macht die Kunde vom Magister die Runde, der „das eigene Denken aufweckt“.
Er könne sich tatsächlich „beinahe nichts Erleseneres und Wirksameres […] vorstellen, als sein Vortrag war“, fügt Johann Gottfried Herder Jahre später in dankbarer Erinnerung an Immanuel Kant hinzu.
Heimatverbunden und geduldig
Doch das Salär von Dozenten ist gering. So verdient Immanuel Kant als Unterbibliothekar der Königsberger Schlossbibliothek dazu – und gibt gleichzeitig die Hoffnung auf eine Berufung zum Professor an der Universität seiner Heimatstadt nicht auf. Welche Fachrichtung es sein soll – auch davon hat er eine genaue Vorstellung.
Den Lehrstuhl für Beredsamkeit und Dichtkunst lehnt er ab und auch lukrative Angebote anderer Universitäten wie denjenigen in Erlangen oder Jena können den in akademischen Kreisen inzwischen bekannten Philosophen nicht reizen. Er will in Königsberg bleiben.
Im Jahr 1770 – im Alter von 46 Jahren – beruft ihn die Universität seiner Geburtsstadt endlich zum Professor für Logik und Metaphysik. Dass der heimatverbundene Kant diesen und keinen anderen Lehrstuhl anstrebte, ist wie vieles im Leben des Philosophen geradezu bestechend klar durchdacht.
Physik und Metaphysik
Schon bevor er die Professur antritt, hat er sich mit rationalistisch geprägter Gotteserkenntnis befasst und in der Schrift „Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes“ seine eigene Beweisführung dargelegt.
Gleichzeitig sind seine natur- und geisteswissenschaftlichen Forschungen stark von der Newtonschen Physik beeinflusst.
Kants Denken wendet sich jedoch immer mehr Fragen der Metaphysik zu. Er sucht Antworten außerhalb der erfahrbaren, physischen und physikalischen Welt. Hier möchte er fundamentale Erkenntnisse erlangen und ihre Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit logisch beweisen.
Dabei unterscheidet Kant sogenannte a priori Prinzipien, also von vorneherein feststehende Grundsätze wie zum Beispiel die der Mathematik von sogenannten a posteriori Urteilen, die der Mensch durch sinnliche Erkenntnis und Erfahrung erlangt. Neben feststehendem Wissen ist also auch die direkte Anschauung wesentliche Quelle des Erkennens.
Unerwartete Stille
Mit Antritt der Königsberger Professur geschieht Unerwartetes: Für über zehn Jahre publiziert Kant nicht mehr. Die berühmte Dekade des Kantschen Schweigens bricht an.
Während dieser Zeit arbeitet er jedoch unermüdlich an seinem Hauptwerk, der „Kritik der reinen Vernunft“. Sie erscheint im Jahr 1781; ihre Wirkung hält bis heute an.
Mit ihr klärt und entwickelt er die Grundlagen seiner Erkenntnistheorie und wendet sich dann mit diesem philosophischen Rüstzeug im Alter von 60 Jahren der praktischen Philosophie und der Ästhetik zu.
Wesentliche Fragen
Knapp umrissen besteht für Kant die Aufgabe der Philosophie darin, drei wesentliche Fragen zu beantworten: „Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?“
In seinen Texten bearbeitet Kant diese Fragen akribisch nach den Denkprinzipien, die er vorab selbst aufgestellt hat. Seine Antworten führen ihn zur vierten großen Frage: „Was ist der Mensch?“
In seinen Kritiken „der reinen Vernunft“, „der praktischen Vernunft“ und „der Urteilskraft“, in der „Metaphysik der Sitten“ und einer schier unfassbar großen Zahl von Aufsätzen erlebt der Leser einen unentwegt forschenden und kritisch suchenden Geist.
Alle Schriften Kants belegen die leidenschaftliche Begeisterung des körperlich schmächtigen kleinen Mannes für die einzigartige Fähigkeit des Menschen, über Gott, die Welt, sich selbst und die eigene Spezies nachzudenken. Und: seine fast unerschütterliche Überzeugung, zu überprüfbaren und stichhaltigen Erkenntnissen gelangen zu können.
Benutze deinen Verstand!
Allgemein berühmt ist bis heute auch Kants Definition des Begriffs „Aufklärung“ aus dem Jahr 1784, die er für die „Berlinische Monatsschrift“ niederschreibt:
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude [wage es verständig zu sein]! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
Entkräftet stirbt Immanuel Kant kurz vor seinem 80. Geburtstag im Februar 1804 in seinem bescheidenen Haus in Königsberg.
Seine letzten Worte sind überliefert: „Es ist gut.“
Ausstellung in Bonn
Die Ausstellung „Immanuel Kant und die offenen Fragen“ ist in der Bundeskunsthalle Bonn noch bis 17. März 2024 zu sehen.
Durch modernste Virtual Reality Technik können sich die Besucher imaginär durch das Königsberg zur Zeit Immanuel Kants bewegen, von dem durch die Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs und die Zerstörung durch die Sowjets kaum etwas die Zeit überdauert hat.
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