Russischer Geistesgigant und Mahner vor totalitärem Wahn: Alexander Solschenizyn wäre heute 100 Jahre alt geworden
Am heutigen 11. Dezember 2018 wäre Alexander Issajewitsch Solschenizyn 100 Jahre alt geworden. In Kislowodsk in der Region um Stawropol geboren, begann er in Rostow am Don Mathematik und Philosophie zu studieren, ehe er in die Rote Armee eingezogen wurde. Er nahm als Batterieleiter einer Artillerieeinheit an der Schlacht von Kursk und später als Offizier an der Eroberung Ostpreußens teil.
Bereits in seinem Gedichtband „Ostpreußische Nächte“ und in der Erzählungssammlung „Schwenkitten ´45“ verarbeitete er Gräueltaten wie Gruppenvergewaltigungen und Exekutionen an Zivilisten durch Angehörige der Roten Armee – und nennt offizielle sowjetische Schriftsteller wie Ilja Ehrenburg als Stichwortgeber. Im Jahr 1945 wurde er von der sowjetischen Spionageabwehr inhaftiert, nachdem er in einem Brief an einen Freund Kritik an Stalins Kriegsführung geübt und die Notwendigkeit angesprochen hatte, sich gegen das sowjetische Regime zu organisieren.
Er wurde in die berüchtigte Lubjanka überstellt und anschließend zu acht Jahren Arbeitslager verurteilt, wo er den ebenfalls dort inhaftierten Lew Kopelew kennenlernte. In den Jahren seiner Gefangenschaft erkannte der frühere Atheist und Kommunist die wahre Natur des Marxismus und fand zum orthodoxen Glauben.
Solschenizyn beschränkte sich jedoch – und das sollte sich als der große Glücksfall für die Menschheit erweisen – nicht nur darauf, seine Lagerhaft zu überleben und später zu dokumentieren, nach deren Ende er 1953 nach Kok-Terek in die kasachische Steppe verbannt wurde. Vielmehr ging er der Frage auf den Grund, warum totalitäre Systeme wie das sowjetische, die darauf gegründet waren, Freiheit und Menschenwürde mit Füßen zu treten, zu dem wurden, was sie waren. Und er kam zu dem Schluss, dass ideologischer Despotismus, der in dieser Form nur in einer entchristlichten Moderne Platz greifen konnte, zwangsläufig dort enden muss.
Totalitarismen des 20. Jahrhunderts nicht ohne Französische Revolution denkbar
Während die 1968er Generation im Westen mit Mao und Ho Chi-Minh die nächsten kommunistischen Massenmörder verherrlichte und versicherte, was in der Sowjetunion geschehe, sei nicht der „wahre Sozialismus“, legte Solschenizyn in „Archipel Gulag“ die Realität des sowjetischen Gefangenenlagersystems offen und verfolgte in der Trilogie „Das rote Rad“ dessen Wurzeln zurück ins Revolutionsjahr 1917 selbst. Sein Schüler George Nivat bezeichnete beide Werke als „literarische Kathedralen“ und „Experimente im Bereich der literarischen Untersuchung“.
Was Solschenizyn jedoch nie zu erwähnen vergaß, ist, dass auch die totalitären Ideologien der Moderne wie Kommunismus und Nationalsozialismus nicht aus dem luftleeren Raum heraus entstanden waren, sondern ihre Wurzeln in der Französischen Revolution hatten.
Hinter dem Blutdurst der Bolschewiken stand demnach die gleiche progressive Doktrin wie hinter den Massakern der Jakobiner in der Vendée 1793. Die große Lebenslüge dieser Ideologien bestehe in ihren Illusionen über die menschliche Natur. Das Böse wäre demnach nicht der menschlichen Seele inhärent, sondern ein revolutionäres Ereignis könne Menschen und Gesellschaften von Grund auf verändern und der freie Wille sei den historischen Notwendigkeiten untergeordnet.
Diese Annahme und die Vorstellung, politischer Wille könne den erforderlichen „neuen Menschen“ schaffen, würden in weiterer Folge durch die Realität widerlegt. Moderne Ideologen jedoch wollen ihre Doktrin nicht der Realität anpassen, sondern sehen diese als Resultat von Sabotage und Obstruktion durch reale oder imaginäre „Volksfeinde“, deren Verfolgung und notfalls massenhafte Ermordung durch die „gute Idee“, die der Ideologie zugrunde liege, gerechtfertigt sei.
Selbstbeschränkung und Selbstregierung
Der Kern des Bolschewismus war, wie Solschenizyn erkannte, ein monströses Zusammentreffen von Gewalt und Lügen, das nicht nur in einer einfachen Diktatur resultierte, sondern in einem Totalitarismus, der Lüge und Betrug in „Daseinsformen“ transformiert hatte. Deshalb muss, so lautete die Konsequenz aus Sicht Solschenizyns, im Namen der von Gott gegebenen Würde um der Freiheit und der menschlichen Seele willen diesem Totalitarismus entschlossener Widerstand entgegengebracht werden.
Statt darauf zu setzen, dass eine Revolution die menschliche Natur ändere, sollten Menschen bereuen, sich selbst Grenzen setzen und die Regierung sollte auf der Basis der lokalen Autonomie und der Selbstregierung im Kleinen erfolgen, denn nur diese Form der Regierung stärke die Bürgertugenden. Solschenizyn nannte seine Exilorte in der Schweiz und in den USA, wo er in Cavendish im Bundesstaat Vermont lebte.
Sein Monumentalwerk „Archipel Gulag“, das er 1958 zu schreiben begann und das er 1967 fertigstellte, brachte ihn wieder ins Visier der sowjetischen Behörden. Im Jahr 1969 wurde er aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, 1970 erhielt er den Literaturnobelpreis und 1971 scheiterte ein Rizin-Anschlag auf ihn, hinter dem wahrscheinlich der KGB steckte. Im Jahr 1974 wurde Solschenizyn verhaftet und nach Frankfurt am Main abgeschoben.
Auch während seiner Zeit im Westen unternahm der sowjetische Geheimdienst noch Kampagnen zur Diskreditierung des Autors. Allerdings ließ er davon ab, als KGB und KPdSU zu der Auffassung gelangten, dass Solschenizyns Kritik am westlichen Individualismus seine Autorität dort „so weit untergraben habe, dass weitere Maßnahmen nicht notwendig“ seien.
Nach 80 Jahren Bolschewismus und zehn Jahren Anarchie Vertrauen in Putin
So sehr Solschenizyn den utopischen Totalitarismus als tödliche Gefahr und Quelle der Barbarei betrachtete, so wenig schätzte er unreflektierten Konsumismus und atheistischen Humanismus, die aus seiner Sicht die Würde des Menschen aushöhlten und eine Leere schafften, in welche totalitäre Ideen erst erfolgreich vordringen könnten. „Das Leben wird hart bleiben“, prophezeite der Autor auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Aber „die Umstände werden den menschlichen Willen nie besiegen, solange er auf das Wahre konzentriert und fokussiert bleibt“.
Im Jahr 1994 kehrte er nach Russland zurück und erhielt die Staatsbürgerrechte wieder, die ihm die Sowjets aberkannt hatten. Die anarchischen Zustände der 1990er Jahre betrachtete er als Katastrophe für die russische Nation. Er unterstützte daher ab 2000 die Präsidentschaft Wladimir Putins, dem er trotz seiner KGB-Vergangenheit und Nutzung alter Seilschaften aus diesem Bereich am ehesten zutraute, Russland wieder an die Traditionen und die Lebensart heranzuführen, die 80 Jahre Bolschewismus und zehn Jahre Anarchie untergraben hatten.
Unter ewiggestrigen Alt- und Neokommunisten, wie sie in Teilen des russischen tiefen Staates, aber auch in staatlichen Auslandsmedien noch stark vertreten sind, ist Solschenizyn immer noch tief verhasst, weil er den menschenverachtenden Charakter der marxistischen Ideologie schonungslos offengelegt hat. Freiheitsliebende Menschen hingegen betrachten sein Werk als ein unverlierbares Geschenk an die Menschheit.
Erbe und Auftrag
Er blieb zeitlebens Patriot und sprach sich gegen globalistische Ideen ebenso wie gegen heidnischen, radikalen Nationalismus und russischen Irredentismus aus – obgleich er dafür eintrat, dass Russland die Interessen jener 25 Millionen Russen wahrnehmen sollte, die sich nach dem Zusammenbruch mit einem Mal im, teilweise sogar feindlichen, Ausland wiederfanden. So wie alle Menschen stünden auch die Nationen unter der Jurisdiktion Gottes und seines moralischen Gesetzes – und deshalb stünde auch ihnen bei allem gebotenem Stolz auch Mäßigung und Selbstbeschränkung gut an.
Dass nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems entstandene neue utopische Reißbrettideen wie „Neue Weltordnung“ oder „Vereintes Europa“ von dem Nobelpreisträger kritisch beäugt würden, lag entsprechend auf der Hand.
Am 3. August 2008 starb Solschenizyn, der große russische Patriot, der stets ein Advokat jener unverfälschten Ideale der westlichen Zivilisation war, wie sie auch hinter der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung standen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion