Rumba, Reggae, Rumpunch: Inselurlaub in „Little Britain“
„Relax … relax!“ klingt die sonore Männerstimme beruhigend an mein Ohr. Entspannen??? Eingepackt in ein Gestell aus Schläuchen, Stangen, Griffen und Riemen hänge ich im Karibischen Meer – Boden habe ich schon lange nicht mehr unter den Füßen. Stattdessen steht mir das Wasser bis in die Ohren. Dennoch fühle mich in sicheren Händen bei Devon, der mich erneut mit „Relax!“ auf meinen „Walk on the Water“ einschwört. Devon sieht aus wie eine vertrauenerweckende Mischung aus Denzel Washington und Wesley Snipes, sodass ich ihm durchaus zutraue, mich im Zweifelsfalle zu retten.
Kultiviertes Karibik-Abenteuer über dem Wasser
Mit dem „Walk on the Water“, dem Lauf auf dem Wasser, wirbt der Gründer des Jetblade Barbados für diese verrückte Wassersportart, die ich bislang nur als Stunt-Einlage aus James-Bond-Filmen kannte. In jeder Hand einen Steuerknüppel bin ich durch einen Schlauch mit einem Motorboot verbunden. Der Luftdruck soll mich kontrolliert aus dem Wasser heraustragen, sodass ich auf dem Wasser, oder besser, über dem Wasser laufen kann.
Das Ganze ist ein Balanceakt. Denn meine Geschicklichkeit entscheidet, ob ich im Gleichgewicht bleibe, mich mit leichten Griffbewegungen im Wasser vorwärtsbewege, langsam höher aus dem Wasser steige oder aber in voller Montur wieder hineinplatsche; was ich auch immer wieder tue. Zum Glück ist es angenehm warm.
24 Grad hat das Wasser rund um Barbados das ganze Jahr über, die Lufttemperatur hat ein Jahresmittel von 26 Grad. Derweil versuche ich einfach nur, Devons Anweisungen zu befolgen, und sage mir selbst auch: „Relax!“ Geht doch! Schon nach einer halben Stunde wird mein nasses Abenteuer zum Riesenspaß. Nach einigen Taucheinlagen schwebte ich immerhin ein paar Zentimeter über dem Wasser.
Britische Kolonialbauten unter tropischem Himmel
Bestärkt durch Devons fast überschwängliches Lob komme ich mir vor wie eine Heldin, als ich wieder Sand unter den Füßen habe – barbadischen Sand. Der fühlt sich weich und sanft unter den Fußsohlen an, wie Puderzucker. Typisch Karibik, wie so einiges hier: Palmengesäumte Straßen und Strände, bunt gestrichene Häuser in fröhlichen Pastelltönen, freundlich entspannte Menschen und beeindruckende Bauwerke im Kolonialstil. 339 Jahre lang war die Insel britische Kolonie.
Ideales Wetter, gute Bodenbeschaffenheit und überwiegend flaches Land – Mount Hillaby ist mit nur 336 Metern die höchste Erhebung der Insel: Optimale Bedingungen für den Zuckerrohranbau, und der bescherte der Insel ziemlichen Reichtum, nicht zuletzt durch Jahrhunderte währende Sklavenarbeit auf den Plantagen.
Vorreiter gegen Sklavenhandel – und die Rumproduktion
Als erstes Land weltweit schaffte Barbados 1833 den Sklavenhandel ab. Vor gut 50 Jahren erst, im Jahr 1966, machte sich die Karibikinsel von der britischen Krone unabhängig, blieb aber Teil des Commonwealth. Der Spitzname der Karibikinsel, „Little Britain“, wird hier nicht gern gehört, sagt mir Major Wendy Yearwood.
Sie ist eine mindestens so imposante Erscheinung wie das Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Bridgetown, vor dem sie für mich posiert: Einen Kopf größer als ich steckt sie in einer dunkelgrünen Uniform mit vier überdimensionierten Verdienstorden. Freundlich und stolz lacht sie mir ihre Antwort auf meine Frage, ob es für eine Frau normal ist, eine solche Laufbahn einzuschlagen, ins Gesicht: „Frauen in hohen Positionen? Nicht nur Barbados ist unabhängig, sondern auch immer mehr Frauen hier!“ Seit dem 30. November 2021 ist Barbados eine Republik und hat eine Staatspräsidentin, die Juristin Sandra Mason.
Geballt findet sich in Barbados‘ Hauptstadt einiges, was das UNESCO-Kulturerbe von Bridgetown ausmacht: Die Careenage Bridge, die zugleich Namensgeber und Wahrzeichen der Stadt ist, und der Hafen von Bridgetown, einst einer der wichtigsten der Karibik, mit seinerzeit 400 ankommenden Schiffen pro Tag. Von hier aus wurde Rohrzucker nach England verschifft. Mitte des 17. Jahrhunderts exportierte die Insel achttausend Tonnen im Jahr in das europäische Mutterland und war damit einer der weltweit größten Zuckerproduzenten.
Fässerweise Rum, mit aromatischen Gewürzen
Barbados soll die Wiege des Rums sein. Man könnte sagen, hier wurde der Rum erfunden. Im Jahr 1703 entstand hier die Mount Gay Distillery, die weltweit erste Rumbrennerei. Heute befindet sich die Foursquare Rum Factory an dem Ort, an dem schon vor fast 400 Jahren die erste Rum-Destillerie gestanden hat.
Foursquare ist bekannt für seinen preisgekrönten Spiced Rum. Er entfaltet auf Zunge, in Rachen und bis hoch in die Nase ein harmonisches Aroma von Zimt, Muskatnuss und Vanille. Die genaue Gewürzmischung bleibt ein Geheimnis, betont Barkeeperin Deborah mit einem Zwinkern aus ihren dunklen Augen und schenkt noch einen weiteren Schluck des 35-Prozentigen ein. „Und bitte nicht mit Coke mischen! Als Cocktail schmeckt speziell dieser Rum am besten mit Kokosnusswasser!“ – oder pur, wie sich schnell herausstellt.
Die Rumfabrik selbst kann sich mit schmeichelhaften Titeln wie „Destillerie und Destillateur des Jahres“ schmücken. In 38.000 Eichenfässern, aus den USA importiert, reift das kostbare Gut – bis unter die Decke in riesigen Hallen gestapelt –, bis es seinen Weg in die durstigen Kehlen findet. Immer mit einer Prise Muskatnuss verfeinert, ist der geläufigste Cocktail auf Barbados der Rumpunsch.
Fliegende Fische und schweißtreibende Kurbelei
Mit einem Rumpunsch stoßen wir auch auf unseren ersten Fang an. Frühmorgens sind wir mit der „Billyfisher III“ aus dem bunten Hafen in Bridgetown ausgelaufen und tummeln uns nun, gemütlich mit den Wellen schaukelnd, vor der Westküste von Barbados. Unser Kapitän Ralph White „Ralphie“ sitzt oben auf der Brücke und lässt seinen Blick über das Meer schweifen.
Plötzlich gibt er Gas, sodass wir uns an der Reling festhalten müssen, und wo gerade noch in der Ferne ein Schwarm fliegender Fische übers Wasser flirrte, ist er schon ein paar Minuten später mit seiner 40-Fuß-Offshore-Motoryacht. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ein großer Fisch die Fliegenden Fische aufgescheucht hat, erklärt der wettergegerbte Barbadian.
Der große Fang: Kingfish an der Angel
Drei große Angeln sind am Heck befestigt. Die zucken und zerren, sobald einer angebissen hat. Mit ganzem Körpereinsatz wird der Fang dann eingeholt. „Kurbeln! Und lass wieder locker! Kurbeln! Lass locker!“, gibt der 27-jährige Ricardo ein Stakkato klarer Anweisungen.
Kraft braucht es und schnell muss es vor allem gehen, denn so ein Dreißigpfünder kann es durchaus schaffen, sich nach Verschlucken des Köders wieder vom Haken loszureißen. So anstrengend hatte ich mir das nicht vorgestellt! Ricardo kommentiert ungerührt: „Angeln ist ein Sport!“. Jetzt weiß ich auch, warum. Ein Sport vor allem für die Arme.
Und vor allem dann, wenn der Kingfish, auch Wahoo, am Ende der Leine fast so lang ist wie man selbst. Insgesamt viermal geht die Rechnung auf. Kapitän Ralphie sieht vom Cockpit aus mit Adlerblick, wo es was zu fangen gibt, steuert in die Richtung und „die Crew“ holt die Beute unter Anweisung von Ricardo durch schweißtreibende Kurbelei an Bord.
Tropischer Regenguss an der Tagesordnung
Nach knapp vier Stunden gibt der Kapitän noch einmal richtig Gas. Allerdings nur, um knapp vor der schwarzen Wolkenwand wieder im sicheren Hafen anzukommen. Als wir anlegen, regnet es in – immerhin warmen – Strömen. Noch an Bord säubert und zerteilt Ricardo unsere Beute, der tropische Regenguss spült die Reste ins Hafenwasser. Am Boot warten schon Stammkunden auf die fangfrischen Delikatessen. Fünfzig Kilo feinstes Fischfilet sind es wohl insgesamt, schätzt Kapitän Ralphie mit stolzem Kennerblick. Das Kilo zu umgerechnet fast zwölf Euro.
Der größte Wahoo wartet allein mit fast neunzehn Kilo auf. Ein paar saftige Stücke davon lassen wir uns eine halbe Stunde später im Waterfront Café schmecken, nur zehn Meter von unserer Anlegestelle entfernt. Der Koch zaubert unseren Fang in gleich fünf unterschiedlichen Zubereitungsarten auf den Tisch: In Zitrone eingelegt als Cevice, gedämpft und gegrillt, geschwärzt aus der gusseisernen Pfanne sowie gebraten und typisch aromatisiert mit einer kräftigen kreolischen Cajun-Gewürzmischung. So schmeckt mir die Karibik!
Alles easy: Mit dem Reggae-Bus um die Insel
Die Verständigung mit den Barbadianern, auch Bajans genannt, ist einfach, da die offizielle Landessprache Englisch ist. Ebenfalls gut klappt das Transportwesen auf der Insel. Mit den blauen staatlichen Bussen oder den gelben privaten Bussen kommt man unkompliziert um die ganze Insel. Beide kosten pro Fahrt drei Barbados-Dollar, das entspricht 1,5 US-Dollar – Abenteuer inklusive.
Florence, auf dem Weg zur Arbeit als Haushälterin in einer der vielen Privatvillen hier, wartet neben mir im Schatten der Haltestelle auf den Bus. Sie rät mir: „Take the yellow one“, denn der ist mit Musik. Davon fahren gleich zwei an uns vorbei und halten gar nicht erst. Der Dritte stoppt dann endlich. Er ist zwar auch überfüllt, aber Florence und ich passen gerade noch so rein. Wir drängen uns mit Schulkindern in weiß-braunen Uniformen und Bajans jeder Altersklasse.
Manche haben einen verdächtig glasigen Blick –zum Glück nicht der Busfahrer. Der dreht die Reggae-Musik laut auf und tritt ordentlich aufs Gaspedal. Schnell stelle ich fest, dass es sinnvoll ist, sich an den Deckengriffen festzuhalten, um den Bus nicht gleich bei der nächsten Kurve wieder unfreiwillig durch eine der offenen Türen zu verlassen …
… sondern planungsgemäß erst in Speighstown, einem kleinen Küstenort an der Nord-West-Küste, mit bunten Holzhäusern, vielen Obstständen, Strandbars unter Palmen – und kaum Touristen. Nach dem Stopover mit Besuch auf dem trubeligen Markt und einem erfrischenden Sprung ins türkisfarbene Wasser geht’s weiter per Bus: Nächster Stopp ist einer der 80 Strände, die die Küsten der 30 Kilometer langen und zwanzig Kilometer breiten Insel säumen und für jedermann frei zugänglich sind.
Darauf einen Rumpunch!
An der Westküste der Insel liegen nicht nur die sanftesten Strände, hier ist wohl auch der beste Platz, um einen Tag in Barbados ausklingen zu lassen. Spektakulär auf einem Kliff gelegen, überblickt man aus den stylishen Polstern des The Cliff Beach Clubs den Küstenstreifen von Barbados und das türkisfarbene Meer, das sich langsam im rot-goldenen Farbspiel der untergehenden Sonne verdunkelt.
Ein paar genussvolle Minuten lang hat der Himmel die gleiche satt-orange Farbe wie der Rumpunch im Cocktailglas. Begleitet von einem leichten Hauch Muskatnuss steigt der Sundowner angenehm in den Kopf. Chears, Barbados … und Relax!
Hier ein Rezept fürs Mixen zu Hause:
Ein Teil Saures = Limettensaft,
zwei Teile Süßes = Zuckersirup,
drei Teile Starkes = alter Rum aus Barbados,
vier Teile Schwaches = Wasser oder zerstoßenes Eis,
dazu einen Spritzer Angostura Bitter geben und
mit frisch geriebener Muskatnuss bestäuben.
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