Rembrandt und Hoogstraten – eine Begegnung besonderer Art

Einst waren sie Meister und Lehrling.
Das Kunsthistorische Museum Wien bringt die Werke der beiden begnadeten Künstler in einer grandiosen Schau zusammen.
Titelbild
Tromp l'oeil, Augentäuschbild, 63 cm x 79 cm, zwischen 1666 und 1678 gemalt von Samuel van Hoogstraten.Foto: Public Domain
Von 4. November 2024

Schon zu Lebzeiten von Rembrandt Harmenszoon van Rijn im 17. Jahrhundert ist sein Vorname ein allseits bekanntes Synonym für künstlerische Meisterschaft.

Geboren wird der Ausnahmekünstler in der Stadt Leiden im Jahr 1606 als achtes von neun Kindern eines Müllers und seiner Frau. Nach achtjähriger Schulzeit beginnt Rembrandt das Studium der Philosophie, bricht es aber zugunsten der Ausbildung zum Maler ab.

Schon bald nach seiner Lehre erlangen er und seine Arbeit erste Anerkennung. Seit den 1630er-Jahren wird sein malerisches und grafisches Schaffen schließlich mit allgemeiner und dauerhafter Bewunderung betrachtet – bis heute.

Zu Beginn seiner Laufbahn, vor allem in der Heimat, verbreitet sich sein Ruhm bald weit über die Grenzen der Niederlande hinaus.

Treffen nach Jahrhunderten

So werden viele Besucher aufgrund der Bekanntheit seines Namens und Werkes die aktuelle Ausstellung im Wiener Kunsthistorischen Museum besuchen.

Der Maler Samuel van Hoogstraten wird dagegen so manchem bisher kein Begriff gewesen sein. Eine Tatsache, die sich nun durch die ambitionierte Ausstellung mit Sicherheit ändern wird.

Meister und Schüler begegnen sich im Wien unserer Tage in historisch bisher einmaliger Weise. Denn: Fand der Austausch zwischen Rembrandt und Hoogstraten vor Jahrhunderten in persona statt, sprechen nun erstmals eine Vielzahl ihrer Werke miteinander und lassen den Betrachter an diesem Dialog teilhaben.

Als Samuel Hoogstraten 1627 das Licht der Welt erblickt, ist Rembrandt van Rijn bereits 21 Jahre alt. Zwei Jahre zuvor hatte er in seiner Heimatstadt Leiden seine erste Werkstatt eröffnet. 1631 verlegt er Lebensmittelpunkt und Atelier nach Amsterdam.

Meister und Lehrling – Austausch der Generationen

Hier wird Samuel van Hoogstraten im Jahr 1642 im Alter von 15 Jahren in die Werkstatt Rembrandts als Lehrling aufgenommen. Als Sohn und Schüler des Dodrechter Malers Dirck van Hoogstraten muss Samuel bereits über gute handwerkliche und malerische Fähigkeiten verfügt haben.

Über fünf Jahre lang wird Samuel nun bei Rembrandt lernen und arbeiten. Eine Generation gibt an die nächste weiter, was sie an handwerklicher Finesse, maltechnischem Wissen, künstlerischem Talent und Innovationen entdeckt und erarbeitet hat.

Wertvolle Erinnerungen

In seiner berühmten Abhandlung „Inleyding tot de hooge schoole der schilderkonst: anders de zichtbaere werelt“, der „Einführung in die Hohe Schule der Malkunst; oder die sichtbare Welt“ von 1678, berichtet van Hoogstraten Jahrzehnte später über seine Lehrzeit bei Rembrandt und den Einfluss des Meisters auf seinen Werdegang.

Inzwischen selbst erfolgreicher Künstler, Leiter einer Werkstatt und Lehrer, beschreibt er seinen künstlerischen Ehrgeiz als Schüler Rembrandts mit bewegenden Worten.

Manchmal habe er, so schreibt van Hoogstraten, bekümmert von den Korrekturen seines Meisters, „weder gegessen noch getrunken, war tränenüberströmt und hörte nicht auf zu arbeiten, bis ich den mir aufgezeigten Fehler berichtigt hatte.“

Seine an der Kunst interessierten Leser ermutigt Hoogstraten „oft [und] mit Aufmerksamkeit zu zeichnen“. Wer als Maler vorankommen wolle, müsse, so Hoogstraten, „zunächst alles zeichnen, was die Natur hervorbringt, damit man sich schließlich gut genug auskennt und das Urteilsvermögen hat, um das Schönste auszuwählen.“

Hoch schätzt er seinen ehemaligen Lehrmeister. In Hoogstratens Standardwerk über die Malkunst findet kein anderer niederländischer Künstler so oft lobende Erwähnung wie Rembrandt.

Rembrandt van Rijn, biblisches Gleichnis von der „Heimkehr des verlorenen Sohns“, 1668, Öl auf Leinwand, 262 cm x 205 cm, Eremitage St. Petersburg. Foto: Public Domain

Gleichzeitig sieht er auch einige Aspekte des Rembrandt’schen Stils kritisch und folgt ihm nicht auf Dauer.

Eine erstaunliche Übereinstimmung, die bei den meisten Schülern Rembrandts zu beobachten ist; von mehr als 20 an der Zahl sprechen Dokumente. Sie und möglicherweise noch weitere angehende junge Maler hatten über einen Zeitraum von fast 40 Jahren in Rembrandts Werkstatt Aufnahme und Unterweisung gefunden.

Wie Samuel van Hoogstraten entwickeln auch sie nach der prägenden Lehrzeit in Amsterdam meist ihren eigenen, individuellen Stil.

Vom Vorbild lernen

So zeigt ein erstaunliches Selbstporträt des 17-jährigen Hoogstraten aus dem Jahr 1644 noch deutlich den Einfluss Rembrandts in Farbwahl, Farbauftrag und dem charakteristischen Spiel aus Licht und Schatten.

Selbstbildnis des 17-jährigen Samuel van Hoogstraten, um 1644, 63 cm x 48 cm, Museum Bredius in Den Hague. Foto: Public Domain

Parallelen zum Selbstbildnis des 22-jährigen van Rijn aus dem Jahr 1628 sind unverkennbar. Rembrandts Gesicht, Haare, Haut und Kleidung werden durch ein fast theatralisches „Chiaroscuro“ plastisch. In diesem Spannungsverhältnis zwischen hell und dunkel, Farbe und Unfarbe, entsteht die Illusion atmosphärischer Tiefe und Dreidimensionalität.

Selbstporträt des 22-jährigen Rembrandt von Rijn um 1628, Öl auf Eichenholz, 22,6 cm x 18,7 cm, Reichsmuseum Amsterdam. Foto: Public Domain

Warmes Licht aus unsichtbarer Lichtquelle beleuchtet auch im frühen Gemälde des Schülers das Konterfei des Porträtierten. Durch sie treten die Farben hervor und modellieren das Dreiviertelprofil, die gemalte Materialität von Stoffen, Pelz und Perlen und lassen die Haut strahlen.

Auch Werke wie Hoogstratens Gemälde aus der Gattung der biblischen Historienmalerei mit dem Titel „Abschied des Tobias von seinen Eltern“ zeigen die Nähe zum Stil des Meisters.

Samuel van Hoogstraten, Szene aus dem Alten Testament, „Tobias verabschiedet sich von seinen Eltern“. Sein guter Begleiter, der Engel Gottes, steht im Licht. Um 1650, Öl auf Leinwand, 65 cm x 73 cm, Eremitage Sankt Petersburg. Foto: Public Domain

Freude am eigenen Weg

Nur wenige Jahre später hat sich Hoogstraten jedoch fast völlig vom Vorbild Rembrandts gelöst. Sichtliche Freude bereitet ihm das Erkunden vieler verschiedener Genres.

Seine erstaunliche Bandbreite reicht von der Architekturmalerei zur kammerspielartigen häuslichen Szene bis zur raffinierten Kunst des „Trompe l’oeil“.

Samuel van Hoogstraten, „Ansicht des Nordschiffs der Westminster Abbey“, zwischen 1662 und 1667, Öl auf Leinwand, 156 cm x 110 cm, Dordrechts Museum. Foto: Public Domain

Auch Rembrandt beherrscht die Kunst der „Täuschung der Augen“ meisterlich. Bei ihm und seinen atmosphärisch oft dunkel getönten Werken scheint jedoch nur selten auf, was das Werk des Schülers als heller Grundton durchzieht: die Freude an Schönheit und Ebenmaß und ein fast fröhlich zu nennender Blick auf Menschen und Gegenstände.

Samuel van Hoogstraten, „Alter Mann im Fenster“, von 1653, Öl auf Leinwand, 111 cm x 86,5 cm. Seit der Entstehung 1653 in kaiserlichem Besitz, Kunsthistorisches Museum Wien. Foto: Public Domain

Porträts bindet Hoogstraten in ein architektonisches Umfeld ein, lässt Menschen direkt aus Fenstern und Rahmen in die Augen des Betrachters blicken. Objekte arrangiert er auf – zu seiner Zeit sehr gebräuchlichen – Steckbrettern, die mit heutigen Pinn- oder Magnetwänden vergleichbar sind.

Augentäuschbild eines Steckbrettes mit Briefen. Neben Perlen, Federn und Büchern sind auch Lauskämme zu sehen. Samuel van Hoogstraten, um 1662, Öl auf Leinwand, 50 cm x 69 cm. Foto: Public Domain

In diesem Stillleben treffen alltägliche Gebrauchsgegenstände des 17. Jahrhunderts und wertvolle Preziosen, Schmuck und Perlen aufeinander. Sie sind so täuschend lebensnah gemalt, dass man meint, man könne sie durch die Jahrhunderte hindurch ergreifen.

Können und Vielfalt auf höchstem Niveau

Meister und meisterlicher Schüler – jeder in seiner Art – vergegenwärtigen dem Betrachter eine Epoche größter künstlerischer Könnerschaft. In der Individualität und Atmosphäre ihrer Werke scheint gleichzeitig die Unterschiedlichkeit ihrer Charaktere und ihrer Sicht der Welt auf. Wunderbare Vielfalt auf höchstem Niveau!

Titelbild des Katalogs zur Ausstellung.

Rembrandt – Hoogstraten. Farbe und Illusion
Im Kunsthistorischen Museum Wien
bis 12. Januar 2025

Der reich bebilderte Begleitband beleuchtet Rembrandts Schaffen
aus der Perspektive seines talentierten Schülers
Samuel van Hoogstraten

Sabine Pénot (Hrsg.)
Rembrandt – Hoogstraten
Farbe und Illusion
Format 28 x 24 cm
304 Seiten
Hardcover
€ 59,– [D]
ISBN 978-3-7630-2921-1
Belser Verlag



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