Rapper Kollegah – Der Boss und der Skandal

Was ist ernst gemeint, was Provokation? Was ist echt, was sagt die Kunstfigur? Bei dem Skandalrapper Kollegah verschwimmen die Grenzen. Nach dem Echo-Skandal und seinem Besuch der KZ-Gedenkstätte Auschwitz gibt er sich geläutert. Doch das nimmt ihm nicht jeder ab.
Titelbild
Rapper Kollegah im Tonstudio in München.Foto: Matthias Balk/dpa
Epoch Times26. November 2018

Rund sieben Monate nach dem Musik-Skandal des Jahres sitzt Kollegah im Keller eines Münchner Wohnhauses und ist gut gelaunt. Gerade hat er dort in einem Tonstudio seine Biografie, den Bestseller „Das ist Alpha! – Die 10 Boss-Gebote“ als Hörbuch eingelesen.

„Ich hab ja – wie viele wissen – früher in der Schule mal den zweiten Platz in einem Vorlesewettbewerb gemacht.“ Von dem Hörbuch könnten dann auch „die ganzen Analphabeten“ unter seinen Fans profitieren.

Wenn er das sagt – mit leichtem Lächeln im Mundwinkel und zur Schau gestellter Überheblichkeit – dann ist er der „Boss“, als den ihn so viele seiner jungen Fans (1,7 Millionen bei Facebook, 1,6 Millionen bei Instagram) verehren. Als dieser „Boss“, meist mit Goldkettchen und Zigarre, rappt er gern über soziale Ungerechtigkeiten, aber eben auch: „Gang Bang – Wir haben die Bitches geteilt wie Zauberkünstler“ (aus dem Song Legacy).

Als „Boss“ nimmt er mit Farid Bang den Song „0815“ mit der Zeile „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“ für das gemeinsame Album „Jung Brutal Gutaussehend III“ auf. Die Platte brachte den beiden Rappern trotz massiver Antisemitismus-Vorwürfe im April dieses Jahres erst den „Echo“ ein – und wurde schließlich der Grund für das Aus des einst renommierten Musikpreises.

Der „Echo“-Skandal habe ihn verändert, sagt Kollegah im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München. Öffentlichkeitswirksam hat er inzwischen die KZ-Gedenkstätte Auschwitz besucht – und versprochen, nicht mehr über den Holocaust zu rappen. Mit seinem neuen Album „Monument“, das am 7. Dezember mit monumentalen 43 Songs auf den Markt kommt, wolle er eine andere Seite zeigen. „Ich fühlte mich wie der Staatsfeind Nummer eins“, heißt es in dem neuen Song „Dear Lord“ – und: „Fick den Staat, ich bin hier die leitende Figur.“

Es sei „das Album, das am weitesten weg ist von der Kunstfigur und dem Image, das man oberflächlich kennt: der goldkettenbehangene, Pelzmantel tragende Über-Pimp“, sagt Kollegah. Mit inzwischen 34 Jahren ist er altersmäßig schon weit von seiner Zielgruppe auf den Schulhöfen entfernt, und er hat zuletzt an einem neuen Image gearbeitet. Über den Besuch der KZ-Gedenkstätte sagt er: „Als wir vor Ort waren, haben wir diesen Schrecken und diese Tötungsmaschinerie nochmal ganz anders wahrgenommen.“ Und weiter: „Insofern ist meine grundsätzliche Sensibilität gegenüber dem Holocaust, aber auch vergleichbaren Ereignissen in der Geschichte, gewachsen und das wird sich auch auf meine Raps auswirken, insofern dass ich da hier und da mehr Rücksicht nehme.“

Es sind aber gerade Formulierungen wie diese, die Antisemitismus-Vorwürfe wieder laut werden lassen – weil mit dem Holocaust nun mal nichts zu vergleichen ist. „Er relativiert die Verbrechen der Nazis und dämonisiert zugleich den jüdischen Staat“, kommentierte die „Jüdische Allgemeine“, nachdem der Rapper in einem Interview mit „hiphop.de“ die Ermordung von sechs Millionen Juden mit der Situation in den Palästinensergebieten verglichen hatte.

Seine Aussage sei aus dem Zusammenhang gerissen worden und er relativiere den Holocaust überhaupt nicht, betont Kollegah selbst dagegen. „Mein Vergleich bezog sich rein auf das Töten unschuldiger Menschen.“ Antisemitismusvorwürfe weist er entschieden zurück. Und er klingt nicht unglaubwürdig, wenn er sagt, Toleranz sei ihm wichtig und dass er seine große Reichweite (nach Angaben von GfK-Entertainment wird nur Ed Sheeran in Deutschland noch häufiger gestreamt als Kollegah) dafür nutzen wolle, ein bisschen die Welt zu retten. Schließlich sei er als gläubiger Muslim sehr gottgläubig und davon überzeugt, dass alle Menschen den gleichen Ursprung haben. Er selbst sei lernfähig, lernbereit, überprüfe und revidiere sein Weltbild immer wieder.

Das Weltbild, das die Öffentlichkeit mit ihm verbindet, ist allerdings auch geprägt von Verschwörungstheorien und der vor allem unter Rechten verbreiteten Kritik an „Mainstream-Medien“. Kritik an Kollegah gibt es, weil er allen Toleranz-Bekundungen zum Trotz stets provoziert, über Gewalt gegen Frauen rappt und Gewalt gegen Schwule. „Kunst ist Kunst“, erklärt er das schlicht.

Was ernst gemeint ist in seinem Auftreten und was nur Provokation – das ist nicht ganz klar. Was sagt der frühere Jura-Student, mit bürgerlichem Namen Felix Blume? Und was die Kunstfigur Kollegah? Die Grenzen verschwimmen. „Kollegah ist eine Mixtur aus verschiedenen gesellschaftlichen Tendenzen: ein neoliberaler Objektentwurf, Hypermaskulinität und vormoderne Geschlechterbilder“, sagt der Soziologe Martin Seeliger. Aus seiner Sicht weiß Kollegah womöglich „selbst nicht mehr so genau, was Spaß ist und was Ernst“. Seeliger glaubt bei den permanenten Grenzüberschreitungen an mehr als nur eine Aufmerksamkeitsstrategie. „Das ist mehr als nur Spaß, dieser Typ hat eine richtige Agenda.“ Eine „undurchsichtige, antisemitische Agenda“, meint Seeliger. „Ich finde Kollegah gefährlich.“

Ähnlich sieht das auch der Medienpädagoge Uwe Sander von der Universität Bielefeld. „Ein Musiker, der Millionen macht mit seinen Platten und wenigstens ein bisschen gebildet sein sollte, der muss erst ein KZ besuchen, um zu wissen, was ein KZ ist?“ Seeliger sagt: „Man muss Kollegah als Kind seiner Zeit sehen. Und sich vor allem die Frage stellen: In was für einer merkwürdigen Welt leben wir eigentlich, in der so ein Typ eine solche Reichweite und Bedeutung hat?“ (dpa)



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