Musik mit einem Lächeln

Am 16. April 2024 wäre der Komponist Henry Mancini 100 Jahre alt geworden. Musikalität, Feingefühl und Charme machten ihn zu einem der meist geliebten Filmkomponisten des 20. Jahrhunderts.


Titelbild
Die Figur der Holy Golightly, berühmt durch „Breakfast at Tiffany“, hier vor der Royal Albert Hall in London im Jahr 2015.Foto: Ian Gavan/Getty Images für Royal Albert Hall
Von 24. April 2024

Nicht auszudenken, wäre diese wunderbar zarte, heute ikonische Szene aus dem Film „Frühstück bei Tiffany“ geschnitten worden, wie es während der Postproduktion des Films im Raume stand:

Gerade tippt er den ersten Satz eines Romans in seine Schreibmaschine, als von draußen Musik erklingt. Der junge Schriftsteller öffnet das Fenster und sieht hinaus. Es ist Sommer im New York der frühen 60er-Jahre. Ein Stockwerk tiefer, auf einer Fensterbrüstung sitzend, die Füße auf dem Absatz der eisernen Feuertreppe, spielt eine hübsche junge Frau Gitarre und singt – ganz in sich versunken:

„Moon River wider than a mile:
I’m crossin‘ you in style someday.
Old dreammaker, you heartbreaker,
Wherever you’re goin‘ I’m goin‘ your way…“

„Moon River, über eine Meile breit
Ich werde dich eines Tages mit Stil überqueren.
Oh, du Träumeerschaffer, du Herzensbrecher
Wo immer du hingehst, ich gehe mit dir….“

Audrey Hepburn spielt das attraktive, leichtlebige New Yorker Partygirl Holly Golightly, das in diesem ganz privaten Moment sein wahres, gutherziges Wesen zeigt.

1953: Die in Belgien geborene Schauspielerin Audrey Hepburn mit Diadem. Aus dem Film „Roman Holiday“ von Regisseur William Wyler. Foto: Hulton Archive/Getty Images

Zum Schweben gebracht

„Lieber Henry“ schreibt Audrey Hepburn an Henry Mancini, den Komponisten von „Moon River“, wenig später kurz nach einer Filmpreview:

„Ich habe gerade unseren Film ‚Frühstück bei Tiffany‘ gesehen – dieses Mal mit deiner Filmmusik. Ein Film ohne Musik ist ein wenig wie ein Flugzeug ohne Treibstoff. Wie schön er auch immer ist, wir bleiben doch immer am Boden der realen Welt. Deine Musik hat uns alle zum Abheben und Schweben gebracht. Alles, was wir nicht mit Worten oder im Tun sagen oder zeigen können, hast du für uns ausgedrückt. Du hast das mit so viel Einfühlungsvermögen, Freude und Schönheit getan. Du bist […] der feinfühligste aller Komponisten!
Danke, lieber Hank. Ganz viel Liebe, Audrey.“

Wie Audrey Hepburn empfanden bald Millionen Menschen. Die Filmmusik von „Frühstück bei Tiffany“, insbesondere das Lied „Moon River“, wurde zum Welterfolg. Bis heute entführt Mancinis melancholisch zarte Melodie zum poetischen Text von Johnny Mercer die Zuhörer in friedvoll zauberhafte Welten.

Wahrer Erfolg und Anerkennung

Zeitlos schön wie diese Klänge beschreiben auch Audrey Hepburns Zeilen die beglückende Wirkung geglückter Filmmusik. Und Henry Mancini ergänzt ihre Worte, wenn er in einem Interview der 60er-Jahre berichtet, wie er seine Melodien und Rhythmen suchte.

Er erzählt: „Mit Drehbüchern konnte ich nie viel anfangen. Ich brauchte immer den fertigen Film, um meine Ideen zum Fließen zu bringen.“ So weist er auf die Quelle seiner Inspiration hin: den aufrichtigen Wunsch, sich in Atmosphäre und Menschen, Gesten und Dialoge einzufühlen, die sich in einem gelungenen Film zu einer Geschichte verdichten.

Nur wenn sich Filmkunst und musikalischer Feinsinn so begegnen, entsteht ein fein miteinander verwobenes, untrennbares Ganzes, das bewegt und berührt. Kurz: ein wahrer Erfolg.

Henry Mancini bei den GRAMMY Awards am 13. Mai 1964 (Bildausschnitt). Foto: Los Angeles Times, CC BY 4.0

Für „Moon River“ und die gesamte Filmmusik von „Frühstück bei Tiffany“ mündete dieser Glücksfall in den zwei ersten Oscars, die Henry Mancini für seine Musik verliehen wurden. Zwei weitere für „Days of Wine and Roses“ und „Viktor und Viktoria“ sollten folgen. Dazu 20 Grammies und mehrere Dutzend Preisnominierungen.

Am Anfang stand ein kleines Instrument

Doch wie viele wundersame Erfolgsgeschichten begann auch diese klein und unscheinbar – mit einer Piccoloflöte. Mancinis musikbegeisterter Vater Quinto hatte sie seinem achtjährigen Sohn geschenkt und ihm selbst Flötenunterricht gegeben. Bald schon spielten Vater und Sohn gemeinsam im Musikensemble „The Sons of Italy“ des kleinen Städtchens Aliquippa in Pennsylvania.

Vor dem Ersten Weltkrieg war Vater Mancini aus den italienischen Abruzzen nach Nordamerika ausgewandert und hatte dort seine italienischstämmige Frau Anna kennengelernt. 1924 wird Sohn Enrico Nicola in Ohio geboren.

Wie in Cleveland, Ohio, so arbeitet Quinto Mancini auch in Aliquippa in einem Stahlwerk, um den Lebensunterhalt für seine Familie zu verdienen. Das Repertoire der „Sons of Italy“ ist wichtiges Bindeglied der Familie zur Kultur der Alten Welt. Ouvertüren italienischer Opern, Märsche und italienische Volkslieder prägen so auch den in der Neuen Welt geborenen Enrico nachhaltig. Mit zwölf Jahren beginnt er, Klavier zu spielen.

Inspirierende Big Bands

Es gibt kein Fernsehgerät und Kinobesuche sind etwas Besonderes. Das „wichtigste Medium war“, so erzählt Henry Mancini später im Rückblick auf seine Jugend, „das Radio. Nur dort konntest du die Big Bands hören.“

Die allabendlichen Direktübertragungen aus Cincinnati und dem Grand Casino in New Jersey inspirieren den Jungen ungemein. „Da habe ich das erste Mal daran gedacht zu komponieren“, erinnert sich Mancini. Schon bald beginnt er, sich durch das Arrangieren bekannter Melodien selbst im Tonsetzen zu schulen.

Im Jahr 1942 schreibt er sich schließlich an der renommierten Juilliard School of Music in New York ein. Doch nur ein Jahr kann er dort studieren, dann wird er als Soldat eingezogen und muss in den Zweiten Weltkrieg ziehen. Anders als viele seiner Kameraden kehrt er zurück.

Krieg und Frieden

Er schließt sich als Pianist und Arrangeur der Glenn-Miller-Band an, die – nachdem ihr Orchesterleiter im Krieg verschollen ist – von Tex Beneke geleitet wird. Dort lernt er auch seine Frau, die Sängerin Ginny O’Connor, kennen. Ein Jahr später heiraten Henry und Ginny in Hollywood. Und auch beruflich zieht es Mancini in das Zentrum des amerikanischen Films.

Die Glenn-Miller-Band um das Jahr 1947. Am Klavier ist möglicherweise Henry Mancini zu sehen. Foto: The Library of Congress, Public Domain

Sechs Jahre lang, bis 1958, arbeitet er im Komponistenteam der Universal Studios, wird für seine Musik zum Film „The Glenn-Miller-Story“ erstmals für einen Oscar nominiert und macht sich nach diesem vielversprechenden Erfolg selbstständig.

Die Begegnung mit dem Regisseur Blake Edwards ist Ende der 50er-Jahre schließlich der Beginn einer über 30-jährigen Zusammenarbeit und Freundschaft. Für 26 gemeinsame Film- und Fernsehproduktionen entstehen Henry Mancinis wohl schönste Melodien.

Babyelefanten und Panther

So insbesondere der „Baby Elephant Walk“, den Mancini für den Film „Hatari“ im Jahr 1962 komponiert. Mancinis fröhlich freche Musik begleitet kleine afrikanische Elefanten zur Wasserstelle und wird gleichzeitig ein weltbekannter Standard.

Noch berühmter wird ein Mancini-Thema, das er einer anderen, ganz besonderen Spezies widmet – dem Pink Panther.

Der italienische Schauspieler und Komiker Roberto Benigni und der amerikanische Komponist Henry Mancini (1924–1994) bei der Westwood-Premiere von „Son of the Pink Panther“ im GCC Avco Cinemas in Los Angeles, Kalifornien. 26. August 1993. Foto: Vinnie Zuffante/Getty Images

Inspiriert vom humorvoll eleganten Charakter des britischen Schauspielers David Niven komponiert Henry Mancini das Pink-Panther-Thema für Blake Edwards Kriminalkomödie. „Niemand von uns hat sich je vorgestellt, dass der Pink Panther solch ein internationaler Erfolg werden würde“, berichtet Mancini später.

Ebenso wenig ahnte der Komponist beim Erdenken des musikalischen Themas, dass Regisseur Blake Edwards plante, einen Filmvorspann vom noch jungen Trickfilmstudio DePatie-Freleng zeichnen zu lassen. Doch Melodie und Zeichentrickfigur harmonieren, als seien sie von Beginn an füreinander geschaffen. Der rosarote Panther und seine untrennbare Verbindung zur Musik Henry Mancinis sind geboren.

Generationen kennen und lieben die gewitzte Figur, deren weich wippender Gang von Mancinis geschmeidig frecher Melodie begleitet wird.

Unermüdlich und der Zukunft zugewandt

Mehr als 200 Soundtracks komponierte Henry Mancini in seinem Komponistenleben. Er arrangierte, dirigierte und konzertierte unermüdlich. Alle drei Kinder aus Mancinis glücklicher Ehe wurden selbst Musiker und Henry Mancini vergaß auch nicht, wie er selbst von seinen Eltern, Professoren und Kollegen gefördert worden war.

Aus Dankbarkeit für sein eigenes erfolgreiches Leben voller Musik stiftete er vier Stipendien für Nachwuchsmusiker, Komponisten und Dirigenten. Vor 30 Jahren, am 14. Juni 1994, starb Henry Mancini in Beverly Hills, Kalifornien. Witz, Eleganz und Schönheit der Musik dieses „sanften Giganten“, wie ihn seine Frau Ginny liebevoll nannte, bleiben.



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