Mozarts erste Europareise und das Wettspiel von Biberbach

Am 27. Januar 1763 wurde Wolfgang Amadeus Mozart sieben Jahre alt. Fast zeitgleich begann Vater Leopold mit der Planung der ersten großen Europatournee seiner beiden hochmusikalischen Kinder, dem Wolferl und seiner zwölfjährigen Schwester Maria Anna, genannt Nannerl.
Titelbild
Porträt von Wolfgang Amadeus Mozart, der mit seinem Vater Johann Georg Leopold Mozart und seiner Schwester Maria Anna in Paris spielt.Foto: public domain
Von 5. März 2023

Dreieinhalb Jahre wird die lange Reise dauern, sie führt die Familie Mozart auf schlecht befestigten Landstraßen an prächtige Königshöfe, in Städte und Dörfer. Und sie bringt den Reisenden so manche Überraschung.

Auf holprigen Straßen durch Europa

Anfang Juni 1763 brach die Familie von Salzburg aus mit der Kutsche auf – nach fast sechsmonatigen, detaillierten Vorbereitungen. Bereits einen Tag nach der Abreise aus Salzburg bricht jedoch ein Rad der Kutsche und die Mozarts sitzen im oberbayrischen Städtchen Wasserburg am Inn fest.

Bis ein passendes Ersatzrad beschafft ist, dauert es fast zwei Tage. Tage, die Vater Mozart sogleich nutzt, um seinem wissbegierigen Sohn Wolfgang in der Pfarrkirche St. Jakob Unterweisungen an der dortigen Kirchenorgel zu geben. Nach Salzburg schreibt Leopold Mozart vom musikalischen Zeitvertreib:

„Das Neueste ist, dass um uns zu unterhalten, wir auf die Orgl gegangen, und ich dem Wolferl das Pedal erkläret habe. Davon hat er dann gleich stante pede die Probe angeleget, den schammel hinweg gerückt, und stehend praeambuliert und das pedal dazu getreten, und zwar so, als wenn er schon viele Monate geübt hätte. Alles gerüeth in Erstaunen und ist eine neue Gnad Gottes, die mancher nach vieler Mühe erst erhält.“

Von Erfolg zu Erfolg

Mit der wieder instandgesetzten Kutsche geht die Reise schließlich weiter durch Deutschland, von Fürstenhof zu Fürstenhof, von Konzert zu Konzert und von Erfolg zu Erfolg. Die Kutsche rüttelt und schaukelt ihre Passagiere weiter über Brüssel nach Frankreich bis nach Versailles an den Hof des französischen Königs Ludwig XV.

Im April 1764 setzen die Mozarts mit dem Schiff nach England über und erobern auch dort mit der begeisternden Musikalität und Spielfreude der Kinder die Herzen der Zuhörer.

Die Resonanz ist so groß, der Erfolg so überwältigend, dass sich die Rückreise immer wieder um mehrere Monate verschiebt. Dem traumwandlerisch virtuos musizierenden Geschwisterpaar wird zugejubelt, die Familie ist gern gesehener Gast bei Hof und erlebt im Februar 1765 die Uraufführung der ersten Symphonie des inzwischen neunjährigen Wolfgangs. Erst im Sommer 1765 treten die Mozarts dieRückfahrt an, die sie in vielen Etappen ihrer Heimat langsam näher bringt. Über ein Jahr dauert sie und führt Wolfgang Amadeus und seine zwölfjährige Schwester Maria Anna wieder von Triumph zu Triumph.

Aller Anstrengungen und Unbequemlichkeiten des Reisens, aller spannenden Begegnungen und aufregenden Konzerte zum Trotz, lässt Wolfgang Amadeus auch jetzt kaum eine Gelegenheit verstreichen, berühmte Orgeln in Kirchen entlang der Reiseroute zu besuchen, auf ihnen zu üben, sich im Orgelspiel zu vervollkommnen und sein Können, wie Zeitgenossen berichten, „mit unglaublicher Fertigkeit“ öffentlich zu präsentieren.

Gemälde des kleinen Wolfgang Amadeus Mozart

Gemälde im Auftrag von Leopold Mozart. Mozart ist sechs Jahre alt. Foto: public domain

Ungeplanter Zwischenhalt

Der prächtig barocke Kirchturm der Wallfahrtskirche von Biberbach ragt heute noch aus der sanften Hügellandschaft Schwabens hoch empor. Zwischen Donauwörth und Augsburg ist er weithin zu sehen.

Auch die Familie Mozart muss den schlanken, markanten Turm schon von Weitem erblickt haben, als sie mit der Kutsche am 6. November 1766 auf schmalen Feldwegen auf die kleine Marktgemeinde nahe Augsburg zufuhr.

Die erste große Europareise der Familie Mozart neigt sich nach dreieinhalb ereignisreichen Jahren dem Ende entgegen. Nur noch wenige Etappen trennen die Mozarts von ihrer Heimatstadt Salzburg.

An jenem Donnerstag im November des Jahres 1766 sind die Mozarts nun endlich Richtung Augsburg, der Geburtsstadt Leopold Mozarts, unterwegs. Ein ungeplanter Zwischenstopp hat sich kurzfristig ergeben, liegt aber praktischerweise direkt auf der Reiseroute. Wahrscheinlich war es Fuggergraf Christoph Moritz Bernhard, der den Mozarts den Stopp im kleinen Markt Biberbach, das zu seinem Herrschaftsbereich gehört, vorschlug.

Die Wallfahrtskirche, in der eine eindrucksvolle Darstellung des gekreuzigten Christus die Gläubigen milde und direkt anblickt und im Rufe steht, wundersame Heilungen zu bewirken, ist erst 69 Jahre zuvor geweiht worden. Sie ist mit einer klangmächtigen Orgel ausgestattet und noch ein weiterer Aspekt macht die Reisenden neugierig:

Der zwölfjährige Enkel des Chorregenten und Organisten der Wallfahrtskirche zum Heiligen Kreuz gilt als wahres Orgelgenie. Wer den Vorschlag des Wettspiels zwischen den Wunderkindern an der Orgel machte, ist nicht überliefert, doch der Wettbewerb ist für diesen Tag anberaumt.

Als die Kutsche mit der Familie Mozart vorfährt, warten auf sie bereits der Pfarrer, der Chorregent und Organist Franz Josef Schmöger und sein Enkel Josef Sigmund Eugen Bachmann.

Die Besucher werden in den hellen, hohen Kirchenbau geführt und der kleine Salzburger Gastorganist erhält den Vortritt, um als erster zur Orgelempore hinaufzusteigen und seine Kunst zu zeigen. Mit Spannung erwartet eine kleine Schar von Zuhörern im barocken Kirchenschiff die ersten Töne der Orgel.

Orgelbrausen in der Wallfahrtskirche

Wie Wolfgang Amadeus Mozart mit Akkorden und Läufen den großen Raum mit Klang erfüllt und dessen besondere Akustik nutzt, kann man erahnen, wenn man frühe Orgelwerke Mozarts und ihre eigens eingefügten Pausennotationen für die Klangeffekte halliger Kirchenräume betrachtet. In einem späteren Brief schreibt Mozart über die „Orgl“ als „meine Passion“ und „in meinen augen und ohren den könig aller instrumenten“.

In freier Improvisation reiht Mozart Akkord an Akkord, Satz an Satz und Fuge an Fuge. Dieses Können zu übertreffen, scheint schwer vorstellbar, als sein Herausforderer auf der Orgelbank Platz nimmt. Doch auch er zieht alle Register und geradezu meisterlich vollendet bringt der zwölfjährige Josef Bachmann das riesige Instrument und den sakralen Raum mit Manualen und Pedalen zum Brausen und Vibrieren. Zum Abschluss begeistert er die Zuhörer mit einer selbst komponierten Phantasia in f-Moll.

Porträt von Maria Anna Mozart

Porträt von Maria Anna Mozart von Pietro Antonio Lorenzoni (1760er-Jahre). Foto: public domain

So tat also ein „Jeder sein Äußerstes, um dem anderen den Vorzug streitig zu machen und für beide fiel der angestellte Wettstreit sehr rühmlich aus”, berichtet ein Ohrenzeuge. Das musikalische Kräftemessen endet somit mit einem ehrenvollen Unentschieden und die beiden jungen Künstler schütteln einander in gegenseitiger Hochachtung die Hände.

Nie werden sie sich wieder begegnen. Doch beide bleiben der Schönheit der Musik ein Leben lang verbunden. Wolfgang Amadeus und seine Familie setzen ihre Reise fort und kommen am 29. November 1766 in Salzburg an.

Nach den Erfolgen seiner Kindheit und Jugend wird Wolfgang Amadeus Mozart durch die Höhen und Tiefen eines abhängigen und eines freien Musikerlebens gehen. Von seinen fast 36 Lebensjahren verbringt er über zehn Jahre auf Reisen, feiert internationale Erfolge, kämpft jedoch zeitlebens auch mit Geldnot, Neid und Intrigen.

Sein Werk und sein Ruhm überdauern bis heute alle Zeitläufe – sie begeistern Menschen in aller Welt.



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