„Lasst uns Populisten sein“: Zehn Thesen für eine neue Streitkultur – von BILD-Journalist Ralf Schuler
„Das Problem dieser Zeit ist nicht der „Populismus“, sondern es sind Parteien, die glauben, sie hätten die Hoheit darüber, was im Land gedacht und gefordert werden darf. Und: Dass die Mitte dort sei, wo sie sich selbst befinden. Für manche Politiker ist das ein schmerzhafter Lernprozess.“
Mit diesen Zeilen im Kapitel „Populismus gehört in die Mitte, nicht an die Ränder“ bringt Journalist Ralf Schuler die derzeitige Schieflage in der deutschen Politikwelt wohl am besten auf den Punkt.
In seinem kürzlich erschienenen Buch „Lasst uns Populisten sein – Zehn Thesen für eine neue Streitkultur“ nimmt er nicht nur das Phänomen eines erstarkenden Populismus unter die Lupe, sondern – und das ist um einiges entscheidender – analysiert er genau jene Politik im Land, die zum Erstarken eines solchen seiner Meinung nach überhaupt erst geführt hat. Das Verwerfliche dabei sei, dass man weder nach Ursachen, Wurzeln und Wirkungen frage noch den Populismus erst nehme. Denn der Begriff „Populismus“ komme vom lateinischen Begriff für das Volk – populus. Somit sei es für Schuler regelrecht „verräterisch und alarmierend zugleich, wenn in freien, demokratischen Gesellschaften gestandene Politiker eine populäre Bewegung geradezu verachten und dies ausgerechnet mit dem Begriff „Populismus“ zum Ausdruck bringen.“ Im Kern würde dies nichts anderes bedeuten, als „das Volk stört beim Regieren“.
Dass Ralf Schuler weiß wovon er spricht, kann man ihm nicht in Abrede stellen. Er ist seit 2013 Leiter der Parlamentsredaktion von BILD. Seine Laufbahn als Journalist begann der gebürtige Ostberliner 1985 bei der „Neuen Welt“, 1989 folgte ein Fernstudium in Literatur- und Kulturwissenschaften. Von 1995 bis 1998 war er Redakteur der „Welt“, danach unter Herausgeber Alexander Gauland bis 2010 Politikchef der „Märkischen Allgemeinen“ in Potsdam.
Als politischer Kopf der BILD begleitet er Kanzlerin Angela Merkel regelmäßig auf Terminen im In- und Ausland. Das kommt dem Buch zugute, denn es ist immer wieder gespickt mit Anekdoten aus Merkels Arbeitswelt, die einen tiefen Einblick in die Verhaltens- und Gedankenwelt der Kanzlerin geben. Dabei geht es um gecastete Bürgergespräche, bei denen der besorgte Bürger mit fadenscheinigen und wenig hilfreichen Antworten abgespeist wird, genauso wie ein unentschlossenes und immer schwächer werdendes Agieren mit den immer mächtiger werdenden global Playern wie beispielsweise Russland und China. Merkel sei beispielsweise völlig begeistert von Chinas „immensem Fortschritt“ in allen Bereichen, wie Deutschland dabei mithalten könne, darauf habe sie keine Antworten. Das und vieles mehr findet man zusammengefasst im Kapitel: „Der Populismus der Kanzlerin: Falsche Kompromisse vergiften die Politik.“
Doch nicht nur eine versagensreiche Politik der Kanzlerin in den letzten Jahren wird hier an den Pranger gestellt. Es seien vor allem auch die Unionsparteien, die sich ihrem christlichen Ursprung längst nicht mehr verpflichtet fühlten und moralische Werte unserer Gesellschaft preisgegeben hätten, schreibt Schuler. Als eines der vielen Beispiele führt er hier den Umgang mit dem Abtreibungsparagraphen 219a an. Ausgerechnet der bekennende Christ Volker Kauder (CDU), der sich weltweit für verfolgte Christen einsetze, habe einen Lebensschutz-Paragraphen im Dienste des Koalitionsfriedens „verdealt“, betont der Journalist. Und genau diese „paranoide Trennung innerster Überzeugungen und politischer Tagesroutine“ sei es, die nach außen so unglaubwürdig wirke. Und die berechtigte Frage von Schuler im Anschluss:
Wenn der Schutz ungeborenen Lebens für den Menschen Kauder so ein zentrales Anliegen ist, wieso kann es dann für den Fraktionschef Handelsware sein?“
Ebenso kritisch betrachtet Schuler CDU-Gesundheitsminister Jens Spahns Vorstöße in Sachen Organspende und auch das Mittragen der Homo-Ehe habe bei gelebten christlichen Werten nichts verloren.
„Ethik ohne spirituelle Bindung“
In dem Unterkapitel „Ethik ohne spirituelle Bindung“ geht Schuler erneut auf Erfahrungen in China ein und erzählt von einer Reise von Kanzlerin Merkel nach Shenzhen. Dort habe man ein „hippes“ Start-up-Unternehmen besucht, wo der Mensch nahezu vollkommen biologisch vermessen werde. Schuler schreibt: „In einem Analysekorridor erfassen Sensoren beim Betreten Körpergewicht, Temperatur, lesen Gesichtsausdruck, Schweißfilm, scannen die Iris. Beim Griff in eine armstarke Röhre wird wie nebenbei Blut abgenommen, nach allen derzeit ermittelbaren Parametern analysiert und der vollständige Gensatz ermittelt.“ Zwar erklärt Schuler, das alles diene einer optimierten Krankheitsbehandlung und Gesundheitsvorsorge, wer allerdings über Chinas staatlich organisierten Organraub bescheid weiß, kommt da auf ganz andere Gedanken.
Vom Kapitel der mangelnden christlichen Ethik in den C-Parteien schlägt Schuler dann den Bogen zum Islam und einer „bunten“ Theorie, in der Vielfalt und Diversität keinem Selbstzweck dienen sollten. Schonungslos offen geht er im darauffolgenden Kapitel mit dem gemeinschaftlichen Versagen von Medien und Politik um, dass nicht mehr ignoriert werden kann. Hier rollt er den Beginn der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 noch einmal auf und analysiert kritisch die Berichterstattung der Medien, inklusive der BILD, die nach 2015 beträchtliche Umsatzeinbußen zu verzeichnen hatte, was Schuler auf die einseitige „Refugees-welcome“-Positionierung von BILD im Herbst 2015 zurückführt. Auch die mangelnde Berichterstattung zum Migrationspakt und die umstrittene Chemnitz-Berichterstattung findet Beachtung.
Die folgenden Kapitel, wie „Die Vergangenheit taugt nicht zum Schlachtfeld von heute“, „Rechts ist keine Krankheit“ und „Politiker müssen wieder ja, ja und nein, nein sagen“ machen neugierig und zeigen, dass Schuler nichts auslässt. Ein äußerst ehrliches Buch und man möchte hoffen, dass es genau in die Hände gerät, in die es gehört. Aber das ist zweifelhaft.
Ralf Schulers Buch „Lasst uns Populisten sein. Zehn Thesen für eine neue Streitkultur“ ist im Herder Verlag erschienen, hat 240 Seiten und kostet 22 Euro.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion