Herbst – von Theodor Däubler
Herbst
Der erste Schnee liegt leuchtend auf den Bergen,
Die Welt wird ihren Schmerz nicht mehr verbergen.
Das Dasein silbert hin im Sterbenslauf.
Die Jäger knallen, was noch atmet, nieder.
Das tote Jahr vermacht uns einen Rausch,
Wir Menschen hoffen sinnlos immer wieder,
Der Wein umnebelt uns beim schlechten Tausch.
Der reife Herbst beginnt die Trauben zu durchblauen,
Der Wind verwebt in Wipfeln Licht und Liebe,
Die guten Blumen, die verwundert aufwärtsschauen,
Erzählen unsern Wunsch: wenn alles traumhaft bliebe!
Gib mir die Hand, Geduld, Geduld, wir werden warten.
Bemerkst du nicht, wie Blatt auf Blatt vom Himmel fällt?
Bestärke unsern Händedruck im Laubengarten:
Wir wollen warten, wenn Geduld uns fromm erhält.
Geduld, Geduld, wir halten dich mit weißen Händen.
Verwelkt und rot zerblättert das Kastanienlaub.
So warten wir, es steigt ein Stern aus Blätterwänden.
Der Wind ist weg, die Bäume werden taub.
Theodor Däubler (1876-1934)
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