Entschwunden – Von Emanuel Geibel

Aus der Reihe Epoch Times Poesie - Gedichte und Poesie für Liebhaber
Titelbild
Und doch mein ich: fänd ich den Klang, all die heimlichen Schmerzen könnt, ich wieder, wie einst als Kind, mir wegsingen vom Herzen.Foto: iStock

Entschwunden

Einstmals hab ich ein Lied gewußt,

Einst, in goldenen Stunden,
Sang ich’s, da ich ein Kind noch war,
Aber mir ist’s entschwunden.

Lieblich schwebte die Weise hin,
weich wie Schwanengefieder;
Ach, wohl such‘ ich durch Feld und Wald,
Finde nimmer sie wieder.

Manchmal mein ich, es wogt ihr Laut
über der Flur in den Winden;
Aber es ist verhallt im Nu,
Will ich ihn greifen und binden.

Oft auch, wenn ich bei Nacht entschlief,
Streift urplötzlich und leise
über mein Herz mit Traumeshand
Die verlorene Weise.

Aber fahr‘ ich vom Kissen auf,
Kann ich mich nimmer besinnen;
Nur vom Auge noch fühl ich sacht
Brennende Tränen rinnen.

Und doch mein ich: fänd ich den Klang,
All die heimlichen Schmerzen
Könnt, ich wieder, wie einst als Kind,
Mir wegsingen vom Herzen.

Emanuel Geibel   (1815 –  1884)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion