Buchtitel „Ein Leben frei von Kindern“ sorgt nach wie vor für Schlagzeilen
Verena Brunschweiger ist Lehrerin, 38 Jahre alt und will keine Kinder. Damit macht sie im Moment Schlagzeilen, weil sie ein Buch darüber geschrieben hat. „Kinderfreie Frauen müssen von ihrem schlechten Ruf befreit werden“, fordert sie.
Das Hauptargument ihres „Manifestes“, wie sie das Buch untertitelt hat: Kinder sind schlecht für die Umwelt, die CO2-Bilanz. Ihr Fazit darum: Je weniger Kinder, desto besser. Ein ziemlich misanthropischer Ansatz.
„Herzlos-Lehrerin“ nennt die „Bild“-Zeitung die Autorin. Unter ihrem eigenen Hashtag #Brunschweiger wird sie angefeindet.
Birgit Kelle, Autorin des Buches „Muttertier“ und vierfache Mutter, antwortet in einem Gastbeitrag für focus.de auf die „Gebärstreik-Verena“ und schreibt, steile Thesen seien immer gut, wenn man ein Buch verkaufen wolle.
Wenn man dann noch im Vorbeilaufen ein paar Millionen Eltern beleidigen kann und das ganze mit einer satten Portion moralischer Überhöhung untermauert, ist es fertig, das Buch für neurotische Frauen diesseits der Menopause.“
Eine Nachricht des EU-Statistikamtes Eurostat dürfte Brunschweiger jedoch freuen: Die Gesamtzahl der Babys in der Europäischen Union sank von 5,148 Millionen im Jahr 2016 auf 5,075 Millionen im Jahr darauf. Das bedeutet im Schnitt 1,59 Geburten pro Frau. Deutschland lag sogar noch knapp unter dem EU-Durchschnitt.
Für Brunschweiger, die sich selbst Radikal-Feministin nennt, ist ihr kinderfreier Ansatz ein „bewusster, feministischer Akt“. Sie nennt Kinder ein reaktionäres „Projekt“ und Mütter, die nur noch den Nachwuchs sehen, „Mombies“ – Mama-Zombies.
Literatur-Trend
Mit dem Thema ist Brunschweiger Teil eines kleinen Literatur-Trends. Gerade ist auch das Buch „Mutterschaft“ der kanadischen Schriftstellerin Sheila Heti auf deutsch erschienen, das – wenn auch in anderer Form – ebenfalls die selbstgewählte Kinderlosigkeit zum Thema hat.
Die Debatte darum erinnert ein wenig an den Aufschrei, der vor einigen Jahren vor allem durch die Online-Mütterforen dieser Welt ging. Damals räumten einige Frauen nach dem Erscheinen des Buches der israelischen Soziologin Orna Donath „Regretting Motherhood“ erstmals öffentlich ein, dass sie es zumindest zeitweise bedauern, Mutter geworden zu sein. Das galt vielen als Tabubruch.
Mütter müssen alles schaffen
Kaum ein Thema wird so heftig diskutiert wie das Muttersein. Kind oder Karriere? Da wird das Private schnell politisch.
Frauen und vor allem Mütter seien in Deutschland ständig konfrontiert mit gewissen Erwartungshaltungen, sagt die Marburger Psychoanalytikerin Helga Krüger-Kirn, die zu Mutterschaft und Geschlechterverhältnissen forscht und unter anderem das Buch „Mutterschaft zwischen Konstruktion und Erfahrung“ auf den Markt gebracht hat.
„Gesellschaftlich ist eine Mutter anerkannt, wenn sie alles schafft, Beruf und Muttertätigkeiten optimal vereinbart und vor allem, wenn sie ‚gelungene‘ – sprich erfolgreiche und leistungsfähige Kinder hat“, sagt Krüger-Kirn.
Und so tritt auch die selbsterklärte Feministin Brunschweiger ihrer Ansicht nach mit der These, Frauen, die Kinder auf die Welt bringen, schaden der Umwelt, in eine altbekannte Falle: „Das ist so typisch: Mütter sind an allem schuld.“ (dpa)
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