An die Freude – von Friedrich Schiller
An die Freude
1. Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium!
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, Dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
was die Mode streng geteilt,
Bettler werden Fürstenbrüder!
wo Dein sanfter Flügel weilt.
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuss der ganzen Welt!
Brüder, überm Sternenzelt
muss ein lieber Vater wohnen.
2. Wem der große Wurf gelungen,
eines Freundes Freund zu sein,
wer ein holdes Weib errungen,
mische seinen Jubel ein!
Ja, wer auch nur eine Seele
sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer’s nie gekonnt, der stehle
weinend sich aus diesem Bund!
Was den großen Ring bewohnet,
huldige der Sympathie!
Zu den Sternen leitet sie,
wo der Unbekannte thronet.
3. Freude heißt die starke Feder
in der ewigen Natur;
Freude, Freude treibt die Räder,
in der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
die des Sehers Rohr nicht kennt.
Froh wie seine Sonnen fliegen
durch des Himmels prächtigen Plan,
laufet Brüder, eure Bahn,
freudig wie ein Held zum Siegen!
4. Freude sprudelt in Pokalen;
in der Traube goldnem Blut
trinken Sanftmut Kannibalen,
die Verzweiflung Heldenmut. –
Brüder, fliegt von euren Sitzen,
wenn der volle Römer kreist;
lasst den Schaum zum Himmel spritzen:
dieses Glas dem guten Geist!
Den der Sterne Wirbel loben,
den des Seraphs Hymne preist,
dieses Glas dem guten Geist
überm Sternenzelt dort oben!
5. Festen Mut in schwerem Leiden,
Hilfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwornen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor Königsthronen –
Brüder, gält es Gut und Blut:
dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut!
Schließt den heil’gen Zirkel dichter!
Schwört bei diesem goldnen Wein,
dem Gelübde treu zu sein,
schwört es bei dem Sternenrichter!
Friedrich Schiller (1759-1805)
Anmerkung: Eines der berühmtesten Gedichte von Friedrich Schiller ist „Ode an die Freude“ (1785). Es wurde durch die Vertonung in Beethovens 9. Symphonie quasi unsterblich.
Die 1808 posthum veröffentlichte Variante des Gedichtes war um die letzte Strophe gekürzt und zeigte eine andere Wortwahl in der ersten Strophe: statt „Bettler werden Fürstenbrüder“ stand nun „Alle Menschen werden Brüder“.
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