An den Mond, als er am Tage schien – von Sophie Albrecht
An den Mond, als er am Tage schien
Blicke nicht so bleich und traurig,
Wie auf eines Lieblings Grab,
Bald ja kommt so süß und schaurig
Deine Freundin, Nacht herab.
Lächelnd blickst aus Sternen-Höhen,
Freundlich du dann zu uns her,
Spiegelst dich in Silber-Seen
Und im blauen, stillen Meer.
Stark in deiner Silberhülle,
Hebt sich was am Mittag sank,
Und dir wird in reicher Fülle
Guter Erdensöhne Dank.
Frischer grünt die hohe Linde,
Lauter rauscht der Wasserfall,
Kühler weh’n die Sommer-Winde,
Schöner blüht das Veilchen-Tal.
Und was mehr als Baum und Blühen,
Mehr als Bach und Quelle ist,
Stille Liebe siehst du glühen,
Wo nur du der Zeuge bist. –
Sendest aus entlegner Sphäre
Hoffnung, wen nicht Liebe eint,
Schwimmest in der goldnen Zähre,
Die beglückte Liebe weint.
Sophie Albrecht (1757-1840)
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