Leinwand, Nadel und Faden: Wo sich Himmel und Erde begegnen

Die Künstlerin Britta Marakatt-Labba erschafft mit Leinwand, Nadel und Faden Geschichten über das Leben der Samen zwischen Bergen, Schnee, Wäldern und Großkonzernen. Ihre Kunstwerke berühren zeitlose Fragen zu Mensch und Natur.
Titelbild
Britta Marakatt-Labba „Luođđat“/„Tracks“, 2023 © Britta Marakatt-Labba / BONOFoto: Ina Wesenberg/Das Nationalmuseum
Von 28. März 2024

Der Norrland-Dialekt von Britta Marakatt-Labba ist sanft und beruhigend. Und wir sprechen über das Wesentliche, was Himmel und Erde verbindet. Geschichten, die ihre Kraft aus dem uralten Leben schöpfen, als der Mensch mit Demut und Respekt auf Máttaráhkká, Mutter Erde, wandelte. Unser Gespräch wird auch eines über die Zeit, in der wir leben, in der der Mensch seine Herkunft vergessen und die Gier ihre Krallen in seine Brust geschlagen hat.

Britta Marakatt-Labba, schwedisch-samische Textilkünstlerin, Malerin und Grafikerin, ist seit über 40 Jahren aktiv. Sie gilt als eine der größten zeitgenössischen Künstlerinnen Schwedens und hat für ihre Kunst mehrere Auszeichnungen und Kulturpreise erhalten.

Ihr großer internationaler Durchbruch gelang 2017, als ihre 24 Meter lange Stickerei „Historjá“ auf der Ausstellung für zeitgenössische Kunst Documenta 14 gezeigt wurde. Mittlerweile ist sie Ehrendoktor der Philosophie der Universität Umeå und der Universität Bergen.

Buch und Ausstellung

Im Winter 2024 veröffentlichte Britta Marakatt-Labba ein Buch und blieb mit einer Ausstellung im Gespräch. Ihre Kunstwerke vermitteln Geschichten über den Alltag der Samen und beleuchten Themen wie die Rentierhaltung, das Recht auf Freiheit und das Recht auf eigenes Land.

Ihr neues Buch „Sággan mailmmit/ Broderade världar/Embroidered Worlds“, zu Deutsch „Gestickte Welten“, ist die zweite Monographie über ihr künstlerisches Schaffen. Es enthält fast hundert Bilder ihrer Textilkunst von 2011 bis heute.

Künstlerin Britta Marakatt-Labba im Nationalmuseum. Foto: Ina Wesenberg / Das Nationalmuseum / © Britta Marakatt-Labba / BONO

Fünf verschiedene Autoren haben Gedichte und andere Texte hinzugefügt. Alle Texte sind auf Nordsamisch, Schwedisch, Norwegisch und Englisch. Marakatt-Labba selbst hat in dem Buch nichts geschrieben, sie vermittelt Geschichten durch Bilder.

„Durch das Buch kann ich meine Geschichten leichter verbreiten“, meint sie. „Nicht jeder kann es sich leisten, Bilder zu kaufen. Das Buch bietet die Möglichkeit, sowohl Bilder zu sehen als auch Texte zu lesen.“

Geschrieben auf Nordsamisch, Schwedisch, Norwegisch und Englisch kann es auch als Lehrmaterial verwendet werden. Und weil das Buch auf Englisch verfügbar ist, kann es auch Leser außerhalb Skandinaviens erreichen.

Mitte März wird ihre Retrospektive Ausstellung „Sylkvasse sting“ („Ahlenscharfe Stickereien“) im Nationalmuseum in Oslo eröffnet, das größte Kunstmuseum Skandinaviens. In dieser Ausstellung zeigt Britta Marakatt-Labbas ihr vielfältiges künstlerisches Schaffen: die Umwelt- und Naturthemen aus indigener Perspektive.

Sie gilt als Inspiration für eine neue Generation junger Menschen, die sich für den Naturschutz und die Rechte der Samen, der indigenen Bevölkerung Norwegens, einsetzen.

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Die Größe der Ausstellung beeindruckt sie. „Vor der Ausstellung kamen einige Leute aus dem Museum zu mir nach Hause in Övre Soppero. Sie gingen Bilder durch, vermaßen und fotografierten. Es war erstaunlich, dass sie sich die Mühe gemacht haben, bis hierher zu kommen.“

Zeichnen, Geschichten lauschen, lernen

Britta Marakatt-Labba ist mit neun Geschwistern in einer Familie von Rentierhirten aufgewachsen – im Sami-Dorf Lainiovuoma im Winter und in Rostadalen im Nachbarland Norwegen im Sommer.

„Vater starb bei einem Unfall, als ich fünf war, also war es Mutter, die die ganze Familie zusammenhielt und sich um die Rentierhaltung kümmerte.“ Ihre Mutter war eine starke Frau, um „über die Runden zu kommen“. Sie nähte die Kleidung der Kinder und benutzte dafür die alte Kleidung und Materialien der Familie. Es gab ein Fahrrad und ein Paar Ski, die abwechselnd benutzt wurden. Trotz knapper materieller Ressourcen beschwerte sich niemand.

„Mein Interesse am Schaffen begann schon früh“, erzählt uns Frau Marakkatt-Labba. „Zu Hause gab es keinen Zugang zu Materialien, stattdessen nutzten meine Geschwister und ich das, was wir in der Natur und der Umgebung finden konnten.“

„Wir Kinder zeichneten gern und saßen gemeinsam am Tisch und kreierten. Ich zeichnete, was ich an einem Tag tat, alltägliche Aufgaben wie zum Beispiel die Milch vom Nachbarn zu holen. Ich wurde von meinen älteren Geschwistern inspiriert, von Bildern in Büchern, die meine Fantasie und die Lust am Schaffen anregten.“

Ein wichtiger Schritt: „Ich erfand meine eigenen Geschichten, die durch Zeichnungen zum Leben erweckt wurden.“

Britta Marakatt-Labba erzählt weiter: „Als ich aufwuchs, bestand ein Dilemma darin, dass ich nicht dazu ermutigt wurde, eine Ausbildung zu machen, da die Familie von mir erwartete, dass ich weiterhin Rentierhaltung betreiben würde.“

Doch „ich sehnte mich nach einer Ausbildung und dachte darüber nach, wie ich mich weiterentwickeln könnte.“ Schließlich entschied sie sich für die Arbeit mit Textilmaterialien und absolvierte einen dreijährigen Näh- und Webkurs in Kiruna, gefolgt von einem Studium an der Sunderby Folkhögskola außerhalb von Luleå und an der Universität für Design und Handwerk in Göteborg.

Während ihres Studiums kam sie zu dem Schluss, dass Stickerei ein gutes Arbeitsmedium sei. Sie nennt es „die Ästhetik der Langsamkeit“.

Nur das nehmen, was man für einen Tag braucht

Marakatt-Labba kommt aus einer reichen Tradition des Geschichtenerzählens. Als sie aufwuchs, hörte sie jeden Tag Geschichten. Von ihrer Mutter, erzählt sie, hörte sie von der samischen Mythologie, von Tieren und vom Umgang mit der Natur.

Viele Bilder sind so in ihr entstanden, die sie immer noch inspirieren. Hinzu kommen Menschen, die sie trifft: „Das können Gespräche sein oder Dinge, die ich beim Skifahren sehe, zum Beispiel eine alte Tür mit einer besonderen blauen Farbe, die die Fantasie anregt.“

In der samischen Mythologie wird betont, dass der Mensch der Natur nicht mehr entnehmen sollte, als erlaubt ist oder für den Tag benötigt wird; nicht mehr fischen, jagen oder mehr Beeren pflücken, als für den Winter nötig sind.

Für die Künstlerin ist es wichtig, sich für den Reichtum der Natur zu bedanken und die Orte zu respektieren. Wenn sie Beeren pflückt, wünscht sie sich, dass ihre Hände den Ort nicht schmutzig machen und dass es dort auch im nächsten Jahr Beeren gibt.

Mit gestickten Krähen gegen ein Wasserkraftwerk

Diese Hingabe und Dankbarkeit für die Natur, die sie ihr ganzes Leben lang begleitet hat, führte dazu, dass sie sich in den 1970er- und 1980er-Jahren aktiv am Kampf gegen die Erweiterung des Alta-Kautokeino-Wasserkraftwerkes im norwegischen Finnmark beteiligte.

Die Samen sahen ihre Lebensgrundlage und ihre Kultur bedroht, der Konflikt führte zu landesweiten Protesten. Es gab gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Letztlich wurde das Wasserkraftprojekt gebaut.

Im Zusammenhang mit dem Alta-Konflikt entstand ihr Werk „Garrját“ oder „Die Krähen“. In der Stickerei fliegen die Krähen über die Demonstranten in Alta und verwandeln sich bei der Landung in Polizisten.

Britta Marakatt-Labba „Garjját“/„The Crows“, 2021 © Britta Marakatt-Labba / BONObritta. Foto: Hans-Olof Utsi

Krähen repräsentieren Autorität, lernte sie von ihrer Mutter. Denn ein Ort, an dem sie landen, ist garantiert klinisch sauber, nachdem sie wieder abgeflogen sind. Sie erzählt: „Das erlebte ich bei der Demonstration in Alta: Polizisten kamen und nach ein paar Stunden war alles klinisch sauber, Hunderte Demonstranten waren verschwunden.“

Der Alta-Konflikt wirkt im Bewusstsein Norwegens lange nach, als Wendepunkt der Umweltbewegung. Sie sagt noch dazu: „Als ich das Bild ‚The Crows‘ erstellte, erhielt ich eine Art innere Führung, wie ich vorgehen und das Bild einrichten sollte. Ich war ein Werkzeug für eine innere Stimme.“

Bei den Stickereien von Britta Marakatt-Labba dominieren Weiß- und Blautöne mit Details in Schwarz, Braun und Grau. Schon von Weitem strahlen die Kunstwerke Schlichtheit und Ruhe aus und erinnern an die schneebedeckten Norrland-Berge und die sich ständig verändernde Farbe des Himmels.

Ausschnitt aus Britta Marakatt-Labbas Werk „Luođđat“/„Tracks“, 2023 Foto: Annar Bjørgli / Das Nationalmuseum, © Britta Marakatt-Labba / BONO

Aus nächster Nähe erscheinen kleine menschliche Figuren und Tiere, Details, die eine Geschichte erzählen.

„Blau ist seit meiner Geburt meine Farbe. Blau in allen Schattierungen findet man in der Gegend, in der ich wohne, und Weiß spiegelt die Winterlandschaft wider.“

„Ich mag diese klaren und sauberen Farben“, sagt sie. „Das sind die Farben, die ich beim Skifahren sehe, dann sehe ich die Blautöne Schicht für Schicht und bin fasziniert von den Schattierungen in der Natur.“

Windräder mit Eisbrocken

Britta Marakatt-Labba erzählt mir, dass der Bau des norwegischen Windparks Fosen ein großer und schwerwiegender Eingriff in das Sami-Gebiet und die Winterweide der Rentiere sei. Noch bevor die Baugenehmigung vorlag, seien zahlreiche Turbinen installiert wurden.

„Die Tiere gehen nicht in die Umgebung der Windkraftanlagen, da der Lärm sie stört. Im Winter bildet sich an den Rotorblättern Eis, was dazu führen kann, dass Eisbrocken weggeschleudert werden und Tiere und Menschen treffen.“

Große Landflächen wurden in Mitleidenschaft gezogen und die Natur ist durchzogen von neu gebauten Straßen zu den Windkraftanlagen.

„Den Verantwortlichen ist es nicht gelungen, das Problem zu lösen, wie mit allen gebrauchten Rotorblättern umgegangen werden soll“, sagt sie und ergänzt, „im Moment arbeite ich an einem Projekt über alle verbrauchten Autobatterien und wie sie in Zukunft gelagert werden sollten.“

„Es ist wichtig, dass wir Künstler aktuelle Themen sowohl im lokalen Umfeld als auch in der Gesellschaft insgesamt beleuchten“, meint Frau Marakatt-Labba weiter. „Wo ich lebe, sind die Menschen immer auf der Suche nach Mineralien. Meine Aufgabe als Künstler ist es, die Frage zu stellen: Welche Auswirkungen hat es auf uns, die hier leben, wenn man große Landflächen umgräbt und Löcher in den Boden bohrt?“

Ernste Geschichten

Britta Marakatt-Labba erzählt, dass ihre Bilder Reaktionen hervorrufen und viele Menschen ihre Arbeit kommentieren. Besucher sehen zunächst ein wunderschönes Kunstwerk, doch bei näherer Betrachtung entdecken sie eine ernste Geschichte, die sowohl die samische Kultur als auch die Menschheit im Allgemeinen berührt.

Ein norwegischer Politiker, der zuvor die samische Kultur nicht verstand, sah die Stickerei „Historjá“ mit Motiven aus der samischen Geschichte und verstand plötzlich, worum es ging.

Das Werk zeigt das frühe Leben und die Mythologie der Samen sowie ihre Beziehung zu Máttaráhkká, der Göttin der Fruchtbarkeit und des Wohlstands. „Es geht darum, vorsichtig auf der Erde zu gehen und nicht den Wald auszureißen, der mit seinen Wurzeln die Erde bindet, das Wasser aufnimmt und mit seinem Stamm und seinen Ästen die Winde bremst“, meint Frau Marakatt-Labba.

Das Geschenk, Kunst zu schaffen

„Arbeiten bringt dich nicht um, aber der Stress ist hart. Ich helfe mir, indem ich denke, dass ich, wenn ich einen neuen Raum betrete, die Tür hinter mir schließen muss. Wenn ich durch alle Räume renne, ohne die Türen zu schließen, kann ich gegen die Wand laufen. Mit anderen Worten: Ich muss eine Arbeit beenden, bevor ich mit einer neuen beginnen kann.“

Britta Marakatt-Labba (geb. 1951). Ehrenporträt 2022, ©Marja Helander. Foto: Marja Helander

Kraft und Energie sammelt Britta Marakatt-Labba, indem sie jeden Tag draußen ist und an der frischen Luft spazieren geht. „Das beste Wetter ist, wenn es sehr windig ist und über den Boden saust. Dann kommen mir die besten Bildideen.“

„Im Leben habe ich das Bedürfnis, dem, was ich in mir habe, Luft zu machen, und ich habe immer noch Geschichten, die ich erzählen möchte“, erzählt sie. „Jeder, der sich mit künstlerischem Ausdruck beschäftigt, hat ein Geschenk erhalten, das es zu pflegen und nicht zu vernachlässigen gilt. Es ist wichtig, etwas daraus zu machen, und ich habe versucht, das Beste aus dem Geschenk zu machen, das mir gegeben wurde.“

Mit Erfolg. Einige ihrer Auszeichnungen sind die Prinz-Eugen-Medaille (2020), der Stig-Dagerman-Preis (2019), der John-Savio-Preis (2017), das Illis-Quorum (2017), das Per-Gannevik-Stipendium (2015) und Rubus Arcticus (2000).

Der Artikel erschien zuerst in der Schwedischen Epoch Times unter dem Titel: „Där himmel och jord möts“. Kontakt: [email protected] (Deutsche Bearbeitung ks)



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