Landschaften der Seele – Caspar David Friedrichs Bilder der Innigkeit

Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde ein großer Maler wiederentdeckt: Caspar David Friedrich. Überliefert ist, dass es in seiner Familie besonders still gewesen war an den Tagen, „wo er Luft malt“.
Titelbild
Pommersches Landesmuseum, Greifswald.Foto: Wikimedia.Commons
Von 14. Mai 2023

Werk und Künstler sind Inbegriff der deutschen Romantik: der Maler Caspar David Friedrich. Im kommenden Jahr jährt sich sein Geburtstag zum 250. Mal. Als Auftakt zu diesem großen Jubiläum ist im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt schon jetzt eine sensationell schöne Ausstellung zu sehen. Sie zeigt eine große Zahl faszinierender Werke des Malers, seiner Vorläufer und Zeitgenossen.

Im Anschluss wandert die Ausstellung nach Winterthur und wird dort zur ersten, großen Präsentation von Friedrichs Werken in der Schweiz.

Vom Unglück in jungen Jahren

Vor fast zweieinhalb Jahrhunderten wurde Caspar David Friedrich am 5. September 1774 in der vorpommerschen Hafenstadt Greifswald als sechstes von zehn Kindern einer Seifen- und Kerzenmacherfamilie geboren. Er ist erst sieben Jahre alt, als seine Mutter stirbt. Ein Jahr später muss die Familie den Tod des jüngsten Geschwisterkindes beklagen. Dann, im Dezember des Jahres 1787, ertrinkt der zwölfjährige Christoffer.

Mit dem jüngeren Bruder in eiskaltes Wasser gestürzt, kann der 13-jährige Caspar das tödliche Unglück nicht verhindern. Der verwitwete Vater ist fest im christlichen Glauben verankert und sicherlich suchen er und seine Kinder inmitten dieser schweren Schicksalsschläge, Trost in Religion und Gebet. Spurlos können solch erschütternde Ereignisse jedoch an niemandem vorübergehen.

Trauer und Melancholie, doch auch Glaube und Hoffnung

Die Skizze „Knabe auf einem Grab schlafend“ aus dem Jahr 1801 lässt das Gefühl der Trauer und der bleibenden, inneren Erschütterung auch beim inzwischen fast 27-jährigen Caspar David Friedrich deutlich erahnen. Trauer, Melancholie, doch auch Glaube und Hoffnung werden auch später das Werk Friedrichs durchziehen.

Caspar David Friedrich – Schlafender Knabe (1802). Vorzeichnung zum Holzschnitt “Knabe auf Grabhügel”. Die Zeichnung gehörte ursprünglich zu dem hochformatigen Kleinen Mannheimer Skizzenbuch vom 7. September 1800 bis 8. März 1802. Foto: Wikimedia.Commons

Im Jahr 1790 hatte der 16-Jährige begonnen, beim Greifswalder Universitätsbaumeister und Zeichenlehrer Johann Gottfried Quistorp Kunst- und Zeichenunterricht zu nehmen. In der Beschäftigung mit den Werken des 17. und 18. Jahrhunderts, bei gemeinsamen Wanderungen durch die Weiten der vorpommerschen Landschaft und ganz besonders beim Skizzieren und Zeichnen scheint der Junge Freude und Erfüllung zu finden.

Auf der Suche nach dem eigenen Weg

Mit 20 Jahren entschließt sich Caspar David Friedrich, an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen zu studieren. Die Akademie erhebt keine Studiengebühren, was der klammen, wirtschaftlichen Situation des Handwerkersohns entgegenkommt. Und: Der Schwerpunkt der akademischen Lehre liegt in Kopenhagen auf Zeichnung und Druckgrafik.

In der Gemäldesammlung der Stadt begegnet Friedrich nun Originalen niederländischer Landschaftsmalerei und beschäftigt sich intensiv mit den Schriften des deutschen Philosophie- und Kunstgeschichtsprofessors Christian Cay Lorenz Hirschfeld zur Theorie der Gartenkunst. Dessen Ideen zu einer einfühlsamen, am Ideal der Natürlichkeit orientierten Landschaftsbetrachtung und -gestaltung faszinieren den jungen Caspar David nachhaltig.

Nach Deutschland zurückgekehrt, zieht es Friedrich 1798 nach Dresden. Dort lernt er Künstler aus dem Umfeld der Dresdner Akademie kennen und tritt mit ihnen in regen, freundschaftlichen und künstlerischen Austausch. Im bürgerlich geprägten Dresden gelingt es ihm nun auch, sich durch den Verkauf von Feder-, Tusch- und Sepiazeichnungen eine bescheidene, wirtschaftliche Existenz aufbauen.

Freimütig und selbstkritisch berichtet er in dieser Zeit auch vom Besuch von Aktzeichenkursen an der Akademie Dresdens: „Die ersten beiden Akte, die ich […] anfing zu zeichnen, waren unter aller Kritik, so daß ich […] schon schreiben wollte, ich wäre der aller schlechteste unter allen Zeichnern, aber das Blatt hat sich gewendet und mein dritter Akt ist nicht so übel ausgefallen“, schreibt er einem Freund.

Wanderungen durch die Schönheit und Größe der Natur

Wesentlich wohler als im Aktsaal, ja geradezu in seinem Element, fühlt sich Friedrich dagegen in der freien Natur. Immer wieder ist er zu Fuß in der Landschaft unterwegs, wandert von Dresden aus nach Neubrandenburg, in seine Geburtsstadt Greifswald oder nach Rügen.

Im gehenden, wachen Betrachten der Natur entdeckt und erkundet er die Schönheit der sich stetig wandelnden Landschaften und erlebt Momente voll Erhabenheit, Staunen und Glück. In einer großen Zahl von Zeichnungen und Skizzen bannt er diese Augenblicke intensiver Beobachtung und Empfindung auf Papier und schildert seine Gefühle auch in Worten: „Die Abende gehe ich über Feld und Flur, den blauen Himmel über mir, um und neben mir grüne Saat, grüne Bäume, und bin nicht allein; denn der, so Himmel und Erde schuf, ist um mich.“

Und an anderer Stelle formuliert er den hohen Anspruch, den er an sich, seine Wahrnehmung und sein Schaffen stellt: „Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht. […]“

Bilder als Widerhall der Gefühle

Friedrich ist sich sehr darüber bewusst, dass er mit jedem Werk auch ein Stück seiner selbst offenbart, denn: „Jedes Bild ist mehr oder weniger eine Charakterstudie dessen, der es gemalt“.

Es ist Johann Wolfgang von Goethe, der im Jahr 1805 Caspar David Friedrichs feinfühlige Gabe erkennt, die Stimmung eines Moments im Bild einzufangen und den Widerhall intensiver Gefühle auch im Betrachter auszulösen.

Friedrich, der – entgegen der Vorgabe, Illustrationen antiker Sagen einreichen zu sollen – die zarten Zeichnungen „Wallfahrt bei Sonnenuntergang“ und „Herbstabend am See“ zum Wettbewerb der Weimarer Kunstfreunde sendet, erhält auf aktives Eingreifen des berühmten Geheimrats Goethe doch einen ersten Preis zuerkannt. Augenblicklich erhält seine Arbeit große, überregionale Aufmerksamkeit.

Caspar David Friedrich: Wallfahrt bei Sonnenaufgang, circa 1805, Sepia über Bleistift auf Papier,
Sammlung Klassik Stiftung Weimar. Foto: Wikimedia.Commons

Ab 1807 wendet sich Friedrich nun immer mehr der Ölmalerei zu. 
Mit ihr erweitert er seine gestalterischen Möglichkeiten, Stimmungen und Empfindungen in fast grenzenlosen, farblichen Nuancen und in, bisher ungekannten Bildkompositionen sichtbar zu machen.

Er nutzt dabei den großen Fundus seiner Skizzen und Studien, die er unermüdlich auf weiten, oft auch einsamen Wanderungen durch kaum berührte Landschaften wie das Riesengebirge, den Harz, Böhmen und die Sächsische Schweiz zusammenträgt.

Caspar David Friedrich: Mondaufgang am Meer, 1822
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie. Foto: Wikimedia.Commons

Anders als die Vorboten der Romantik des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts, wie Claude Lorrain, Jacob van Ruisdael und Jan Goyen, stellt Caspar David Friedrich jedoch nicht mehr Genrefiguren oder Heroen der Antike, sondern Menschen seiner Zeit, in die selbst ergangenen, nun malerisch erinnerten Landschaften.

Und: Figuren in Friedrichs Bildkompositionen sind nicht nur Objekte der Betrachtung. Sie selbst sind Schauende und Staunende. Ihren Blick vom Bildbetrachter abgewandt, wenden sie sich zusammen mit ihm der Landschaft zu. Gemeinsam und gleichzeitig mit ihnen tauchen auch wir in unserem Heute in Friedrichs Bilder ein und überbrücken in diesen Augenblicken stillen, innigen Sehens, Raum und Zeit.

Nichts ist Nebensache, alles gehört zum Ganzen

Abenddämmerung und früher Morgen, Nebelmeer und Dunkelheit der Nacht, leuchtende Wolkenstreifen in lichtem, weitem Firmament, zerklüftete Felsen, knorrige Baumsilhouetten, verlassene Ruinen, dahingleitende Segelschiffe, erträumte Kathedralen, Gipfelkreuze, Hügelketten, Brachen, wogendes Gras, stille Altwasser und bewegte See, sich auftürmende Eisschollen und die Stille des Horizonts – all dies und noch viel mehr spricht vom unergründlichen Geheimnis und der Größe der Natur, ihrem Zusammenspiel mit den Werken und Ideen des Menschen und dem göttlichen Urgrund alles Seienden.

„Nichts ist Nebensache in einem Bilde, alles gehöret unumgänglich zu einem Ganzen […]“ schreibt Caspar David Friedrich und von seiner Frau Caroline ist der Bericht überliefert, besonders still sei es in der Familie gewesen an den Tagen, „wo er Luft malt“.

Caspar David Friedrich in seinem Dresdner Atelier. Ein Gemälde des Malerfreundes Georg Friedrich Kersting aus dem Jahr 1819,
Sammlung der Kunsthalle Mannheim. Foto: Wikimedia.Commons

Am 7. Mai 1840 stirbt Caspar David Friedrich in Dresden. Lähmungserscheinungen nach einem Schlaganfall hatten es ihm bereits seit dem Jahr 1837 nahezu unmöglich gemacht, zu arbeiten. Der russische Zar, ein großer Bewunderer und Sammler seiner Kunst, rettete die Familie durch eine jährliche Rente aus der Not.

Jahrzehntelang findet sein Werk nach seinem Tod kaum mehr Beachtung. Um dann jedoch mit der „Ausstellung deutscher Kunst aus der Zeit von 1775 – 1875“ in Berlin, der sogenannten „Jahrhundertausstellung deutscher Kunst“ im Jahr 1906 eine fulminante Wiederentdeckung zu erfahren und die Sicht auf die Malerei der Romantik bis heute zu prägen.

Ausstellungen in Schweinfurt und Winterthur

Die Ausstellung „Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik“ ist zunächst bis zum 2. Juli 2023 im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt zu sehen. Vom 26. August bis 19. November 2023 kann sie im Kunst Museum Winterthur, Schweiz, bestaunt werden.

Der Katalog erschien im HIRMER VERLAG, München: Halbleinen, ISBN 978-3-7774-4134-4, 240 Seiten, 150 Abbildungen in Farbe, 24,5 x 29 cm, gebunden, 45 Euro.

Der Katalog der Ausstellung „Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik“. Foto: HIRMER VERLAG



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