Meisterwerke von Bernini und Botticelli – Leben im Wandel

Malern und Bildhauern gelingt es, eine weiße Leinwand oder einen kalten Steinblock in lebhafte Kunst zu verwandeln – Bernini und Botticelli bildeten da keine Ausnahme. Die Inspiration für ihre Meisterwerke schöpften sie aus antiken Mythen.
„Apollo und Daphne“ von Bernini
In Ovids „Metamorphosen“ verwandelt sich die schöne Nymphe Daphne in einen Lorbeerbaum.Foto: Gemeinfrei
Von 2. April 2025

Inspiriert von römischen und italienischen Dichtern haben der Maler Sandro Botticelli und der Bildhauer Gian Lorenzo Bernini in ihren Werken die Schönheit der Verwandlung dargestellt. Dabei gelang es ihnen, dies durch zwei gänzlich unterschiedliche Formen zum Leben zu erwecken.

„Apollo und Daphne“ von Bernini

Gian Lorenzo Berninis lebensgroße Marmorskulptur „Apollo und Daphne“ überragt die Besucher der Galleria Borghese in Rom. Sie stellt den Höhepunkt der Verwandlung in den „Metamorphosen“ des antiken römischen Dichters Ovid dar, als sich die Nymphe Daphne auf der Flucht vor dem leidenschaftlichen Apollo in einen Lorbeerbaum verwandelt.

„Apollo und Daphne“ von Bernini

Die Statue „Apollo und Daphne“ in der Galleria Borghese. Foto: Sailko, Wikimedia Commons | CC BY 3.0

Apollo, einer der zwölf olympischen Götter in der antiken griechischen Mythologie, wurde von Amors goldenem Liebespfeil getroffen und verfiel beim Anblick von Daphne, der Tochter des Flussgottes Peneus, seinem Verlangen.

Daphne hingegen, die von Amors bleiernen, die Liebe abweisenden Pfeil getroffen wurde – ihr reines Gemüt lehnt die Liebe der Männer ab –, weicht den begehrlichen Avancen Apolls aus. Nach einer wilden Verfolgungsjagd gewinnt Apollo die Nymphe, tritt auf ihre Füße und sein Atem vermischt sich mit ihrem wallenden Haar. Die von der Jagd geschwächte Daphne blickt auf die Wellen ihres Vaters und fleht:

Hilf mir, mein Vater, wenn deine fließenden Ströme
Tugend haben! Bedecke mich, o Mutter Erde!
Zerstöre die Schönheit, die mich verletzt hat
oder verändere den Körper, der mein Leben zerstört.

Noch bevor sie ihr Gebet beendet, wird der Körper der Nymphe von Trägheit überwältigt. Ihre Brust umschließt sich mit dünner Rinde, ihre Füße verbinden sich durch verschlungene Wurzeln mit der Erde, ihr Gesicht wird von Blättern verhüllt. Ihr Haar hat sich in zitterndes Blattwerk verwandelt und ihre Arme sind zu wogenden Zweigen geworden.

Bernini war erst 23 Jahre alt, als er 1622 im Auftrag des Kardinals Scipione Borghese mit dieser Skulptur begann. Doch dies war nicht der erste Auftrag des Kardinals an den jungen Bildhauer: Erst kurz zuvor beendete er mit dem „Raub der Proserpina“ eine weitere Skulptur, deren Motiv der griechischen Mythologie entspringt.

Selbstporträt von Gian Lorenzo Bernini

Selbstporträt von Gian Lorenzo Bernini (1598–1680) als junger Mann. Foto: Gemeinfrei

Zerbrechliche Schönheit aus zartem Marmor

Die hoch aufragende Skulptur zeichnet sich durch eine Vielzahl an Texturen aus. Doch diese unterschiedlichen Bearbeitungsgrade des Marmors sind der Harmonie des Gesamtkunstwerks untergeordnet.

Die vertikale, spiralförmige Geste lenkt den Blick nach oben, auf den Scheitelpunkt der Komposition, wo sich Daphnes Finger und Haare in Lorbeerblätter verwandeln. Jene marmornen Blätter sind so zart und geradezu papierdünn, sodass sie sich im Sonnenlicht golden färben.

Bernini bleibt der Vision, die Ovid in Worten formuliert hat, erstaunlich treu. Die Details sind besonders auffällig, wie der fließende Übergang von den Zehen zu den Wurzeln, die Daphne am Boden festhalten. Die spiralförmige Bewegung der Skulptur lädt den Betrachter ein, um sie herumzugehen und die sich entfaltende Erzählung im Raum zu erleben.

Apollon und Daphne von Bernini – Detailansicht

Detailansicht von Apollon und Daphne. Foto: Alvesgaspar, Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0

Beginnen wir mit den unteren Gliedmaßen des Duos, die auf Augenhöhe zu sehen sind. Der Betrachter spürt die Zugkraft von Apollos Lust in der Art, wie seine Beine in der Mitte des Schritts eingefangen werden, wobei sein rechter Fuß fest auf den Boden drückt. Daphnes Beine – knapp vor denen des Gottes – stehen auf einem Erdhügel, von dem wir uns vorstellen können, dass er soeben als Antwort auf das Gebet der Nymphe entstand.

Anstelle der kraftvollen Gestalt Apollos ist Daphnes verdrehter Körper so geformt, als ob sie schlaff wäre, den Kräften unterworfen, die ihre Füße im Boden verankern und ihr gewelltes Haar zu einem zarten Laubbüschel hochziehen.

Die dünne Lorbeerrinde, die aus dem aufgeschütteten Erdhügel hervortritt, umschließt Daphne wie eine geschmeidige Hülle. Während unsere Augen der rauen Textur der Rinde folgen, die sich um die glatte Haut der Flussnymphe legt, gelangen wir zu dem entscheidenden Moment, in dem Apollo Kontakt mit Daphne aufnimmt und sie körperlich berührt.

Ein gekröntes Meisterwerk

Doch Apollo kommt einen Moment zu spät: Die Hand des Gottes ergreift nicht Daphnes weichen Bauch, sondern berührt nur die neu geformte Lorbeerrinde. Lediglich die Spitze von Apollos Zeigefinger berührt Daphnes Haut – ein Detail, das die fast ausgelebte, aber letztlich unerwiderte Leidenschaft des Gottes verdeutlicht.

„Apollon und Daphne“ von Bernini – Gesamtansicht

Bernini schuf „Apollon und Daphne“ zwischen 1622 und 1625. Foto: Architas, Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0

Aus diesem Mythos heraus wurde der Lorbeer als Symbol des Sieges verankert, der Apollo lieb und teuer war. Nach der Verwandlung von Daphne erklärte der Gott:

Obwohl du nicht meine Braut sein kannst, sollst du
mein auserwählter Baum genannt werden, und deine grünen Blätter

O Lorbeer! sollen für immer meine Brauen krönen,
um meinen Köcher und meine Leier gewunden sein;
die römischen Helden sollen mit dir gekrönt werden.“

Die Blätter der Daphne wurden zu Kronen, Kränzen und Girlanden geflochten, die den Athleten bei den Pythischen Spielen (musikalische und sportliche Wettbewerbe) im Heiligtum des Apollon in Delphi überreicht wurden.

Wenn wir von einem Dichter- oder Nobelpreisträger sprechen, knüpfen wir in der Tat an diese alte griechische und römische Tradition an, verdienstvolle Personen mit Lorbeer zu ehren.

Botticellis „Primavera“

Ein weiteres Kunstwerk, das die Verwandlung darstellt, ist Sandro Botticellis Temperamalerei auf Pappelholz namens „Primavera“ (zu Deutsch: „Der Frühling“). Er schuf das Gemälde in den frühen 1480er-Jahren – und somit mehr als 140 Jahre vor Berninis „Apollo und Daphne“.

Botticelli malte die Tafel als Geschenk für die Adelsfamilie Medici. Es zeigt neun Figuren aus der klassischen Antike, die in einem Hain aus Orangen- und Lorbeerbäumen versammelt sind. Von rechts nach links sind dies: der Frühlingsbote Zephyr, Chloris, Flora, Venus – mit dem über ihr fliegenden Amor –, die drei Grazien und Merkur.

„Primavera“ („Frühling“) um 1480, von Sandro Botticelli. Tempera auf Holz, 207 x 319 cm, Uffizien, Florenz. Foto: Gemeinfrei

Es floss viel wissenschaftliche Tinte, um eine eindeutige Erklärung für die Konstellation dieser neun Figuren, die zusammen abgebildet sind, zu finden.

Eine Geschichte, die diese spezielle Gruppe verbindet, haben Historiker zwar nicht gefunden, aber es ist bekannt, dass der Neoplatonismus der Renaissance die intellektuellen Kreise in Florenz, darunter auch die Medici, in seinen Bann zog.

„Primavera“ ist inspiriert von Ovids Gedicht „Fasti“. Vielleicht auch von den Schriften des römischen Dichters Lukrez sowie des italienischen Humanisten und Dichters der Medici Angelo Poliziano.

Mögliches Selbstbildnis von Sandro Botticelli (1445–1510). Foto: Gemeinfrei

Von der Nymphe zur Königin der Blumen

Zephyr, der Gott des Westwinds, schwebt auf der rechten Seite des Gemäldes und greift nach dem Oberkörper der Nymphe Chloris, während zarte Blüten von ihren Lippen auf dem mit bunten Blumen bedeckten Boden wehen.

Obwohl das Grün auf dem Gemälde recht dunkel ist, was teilweise auf den Alterungsprozess der Farbe zurückzuführen ist, lassen sich dennoch 500 Pflanzenarten identifizieren. Von ihnen sind 138 Blumen genau identifizierbar, was bestätigt, dass Botticelli sie alle präzise wiedergab – vermutlich durch die Zuhilfenahme von Herbarien.

Kunsthistoriker haben die visuellen Ähnlichkeiten zwischen „Primavera“ und den flämischen und französischen Millefleurs (zu Deutsch: „Tausend Blumen“) des späten Mittelalters hervorgehoben, deren dunkelgrüne Hintergründe mit Blumen und Blättern übersät waren. Diese Wandteppiche schmückten im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert häufig die Paläste.

Dieses Motiv mit einem Einhorn ist mit Millefleurs gestaltet. Foto: Gemeinfrei

In seinem fünften Buch der „Fasti“, schreibt Ovid, dass Zephyr, nachdem er Chloris erfolgreich nachgesetzt und die Nymphe geheiratet hatte, sie in Flora, die Frühlingsgöttin und Königin der Blumen, verwandelte:

Doch er entschädigte mich für seine Gewalttätigkeit, indem er mich seine Braut nannte, und in meinem Ehebett habe ich nichts zu beklagen. Ich genieße den immer währenden Frühling – die üppigste Jahreszeit überhaupt – immer ist der Baum mit Blättern bekleidet, der Boden mit Gras. Auf den Feldern, die mir gehören, habe ich einen fruchtbaren Garten, der von einer Brise belüftet und von einer Quelle mit fließendem Wasser bewässert wird. Diesen Garten füllte mein Mann mit edlen Blumen und sagte: ‚Göttin, sei Königin der Blumen‘.“

Der Ausschnitt zeigt Zephyr, den Gott des Westwinds, und die Nymphe Chloris. Foto: Gemeinfrei

Eine Ode an die Ehe

In Botticellis Gemälde ist Flora in einem fließenden Blumenkleid dargestellt und blickt den Betrachter direkt an, während sie vor Venus rosa und rote Rosen auf dem Boden verstreut. Die Blumen sind mit größter Präzision gemalt, und diejenigen, die aus Chloris‘ Mund zu Boden schweben, sind kaum von denen zu unterscheiden, die das Muster von Floras Kleid bilden.

Ihre Haltung ist würdevoll, anmutig und reif – im Gegensatz zu der passiven und verletzlichen Haltung, die Chloris vor ihrer Verwandlung in Flora einnimmt.

Amor schwebt mit verbundenen Augen über seiner Mutter Venus, sein Pfeil ist auf die drei Grazien gerichtet – Göttinnen, die für Fruchtbarkeit, Schönheit und Fröhlichkeit stehen. Merkur, der Botengott, wendet dem Rest der Gruppe den Rücken zu und scheint ganz darin vertieft zu sein, seinen Stab in Richtung einiger Wolkenfetzen zu heben.

Das rätselhafte und umstrittene Gemälde wird am häufigsten als Feier der Ehe und der Fortpflanzung interpretiert. Obwohl Zephyrs Streben nach Chloris als eine erzwungene Verbindung begann, wird sie schließlich zu einer Ehe, die die ewige Schönheit des Frühlings hervorbringt.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Transformation in Bernini and Botticelli’s Masterpieces“. (redaktionelle Bearbeitung kms)



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