Knöpfe wie Sterne in der Milchstraße

Seit neun Generationen gibt es ihn: den „Knopferlmayer“ in Salzburg am Rathausplatz 1. Ihr Motto: Sich nicht beirren lassen.
Titelbild
Zusätzlich zu der scheinbar unendlichen Auswahl an Knöpfen gibt es die Möglichkeit, sich passend zum „Gewand“ Stoffknöpfe beziehen zu lassen.Foto: Knopferlmayer
Von 11. Juli 2023

„Die Liebe zur Ware und zum Detail muss sein“. Veronika Mayer-Stockinger weiß, wovon sie spricht. Sie steht im Laden ihrer Vorfahren seit „schon immer“ und ist derzeitige Geschäftsführerin. Von Kindesbeinen an hat sie erlebt, was im Fachjargon Kundenbindung heißt: nämlich sich von Mensch zu Mensch zu begegnen. Dem anderen – hier dem Kunden – mit Fachwissen, Freundlichkeit und Interesse zur Seite zu stehen.

Die Ladentür ist weit geöffnet und erlaubt einen Blick in das Innere des Geschäftsraums. Links bis an die Decke hölzerne Schubladen, rechts, so weit das Auge erfassen kann, weiße Schachteln, an denen jeweils an der Frontseite ein Knopf prangt und so zu erkennen gibt, welcher Schatz sich hier verbirgt. Befestigt ist dieser mit einem feinen Draht und kann so auch leicht ausgetauscht werden, falls nötig, erfahre ich später.

Sobald ich den schmalen Raum betrete und zwischen den zwei langen Tresen stehe, den „Budeln“ auf Österreichisch, also den Pulten, fühle ich mich der Zeit entrückt. Links steht ein junger Mann, der farblich passende Knöpfe zu seinen sandfarbenen Wildleder-Mokassins sucht. Zielsicher sucht ihm die Verkäuferin die entsprechende Schachtel aus dem Meer an Knöpfen.

Rechts wird gerade eine Dame mit Sonnenhut beraten, welche Kordel am geeignetsten ist, diesen auf dem Kopf der Besitzerin zu fixieren. Mit sicherer Hand misst Veronika Mayer-Stockinger die Kordel nach der Größe der Kundin ab. Dabei vergisst sie nicht zu erwähnen, dass das Schnittende unbedingt entweder sehr fest vernäht werden muss oder mit Nagellack am Auftrennen gehindert werden sollte. Gut verwahrt in einer schlichten, weißen Papiertasche wechselt die Ware den Besitzer.

„Unsere Stärke ist die Beratung“

Das sagt Veronika Mayer-Stockinger später im Gespräch. Seit 1758 gibt es Kurzwaren und Knöpfe bei „Josef Mayer“, wie es heute schlicht über den Schaufenstern zu lesen ist. Der Volksmund hat den liebevollen Kosenamen „Knopferlmayer“ geprägt, der heute auf der Quittung der Registrierkasse zu lesen ist.

Ganz alter Kundschaft sei auch „Posamentiermayer“ oder „Bandlmayer“ geläufig. Das Handwerk der Posamenten- und Knopfherstellung hatte der Gründer Johann Mayer in München gelernt. Das Herstellen der Quasten, Borten und Kordeln galt dabei als ein schwieriges Metier, komplexer als die Knopfherstellung.

Nachdem Mayer-Stockingers Vorfahre das Bürgerrecht in Salzburg erworben hatte, benötigte er noch die Genehmigung des Erzbischofs, um seinen Kurzwarenladen mit Modewaren zu eröffnen. Der erste Standort war außerhalb der Altstadt an der Salzach in einem „Holzladl“, erzählt die heutige Geschäftsführerin. 1804 wurde dann der Standort im Rathaus bezogen, an dem sie bis heute zu finden sind.

Damals sei ein Kurzwarenladen nichts Besonderes gewesen. Selbst bis vor 30 Jahren habe es noch viel mehr Geschäfte gegeben. Jetzt füllten sie eine Nische, was ihnen natürlich auch zugutekomme.

Geschäftsführerin Veronika Mayer-Stockinger: „[…] dass man auch in der Innenstadt noch einkaufen kann, dass hier noch Leben ist.“ Foto: Knopferlmayer

Persönlich statt von der Stange

Wie bei Kleidung gibt es auch bei Knöpfen eine Winter- und eine Sommerkollektion. Rund 3.500 Knopfmodelle stehen bei ihnen zur Auswahl, jeweils in zwei bis drei Größen und drei bis vier Farben.

Darunter gravierte Perlmuttknöpfe, bedruckte und handbemalte Knopf-Hingucker und natürlich alles für die Trachten. Unter den Glasscheiben des Tresens stechen bunte Federn ins Auge: Pfauenfedern, Fasanenfedern, kräftig eingefärbte Hahnenfedern. Der Fantasie, was hieraus entstehen kann, sind dabei keine Grenzen gesetzt. So habe sich eine Kundin aus einem schlichten schwarzen Kleid ein Unikat gezaubert, samt passender Abendhandtasche.

„Ganz gleich, was wer macht, wirklich hinter dem zu stehen, was man tut, ist das Wichtigste. Dann wird man geschätzt und hat Erfolg“, ist Frau Mayer-Stocking überzeugt. Und so verbiete es sich von selbst, Ramsch zu verkaufen. Das heiße aber nicht, dass es nicht auch preisgünstige Ware gebe. Die Kunden haben die Auswahl von einfach bis extravagant. Außerdem gibt es alles zum Reparieren Notwendige – das Profane hat also ebenso seinen Platz.

Was aber absolut einzigartig ist in unserer Zeit des Online-Einkaufs und der Shoppingmalls, ist die Möglichkeit, alles einzeln und in gewünschter Menge zu bekommen. So einfach, aber genial kann Nachhaltigkeit aussehen.

Nach wie vor gebe es in Österreich, in Italien, in Frankreich Manufakturen. So beziehe sie Spitze und Metallknöpfe für die Tracht aus Österreich. Sie versuche immer möglichst nah einzukaufen, diese kleinen Produzenten zu unterstützen. „Man könnte es sich vielleicht leichter machen“, lacht sie, „aber das wäre nicht ich.“

Früher hätte sie am Knopf erkennen können, ob er aus Frankreich, Italien oder der Schweiz stamme. Diese Eindeutigkeit sei heute nicht mehr gegeben.

Und da die Branche auch geschrumpft sei, kämen natürlich nicht mehr drei Vertreter pro Woche. Daher fahre sie dann selbst los. Nach Paris zum Beispiel. Und ergattere dort exquisite Ware, die aufgrund der kleinen Menge für die Vertreter uninteressant sei. Da packe einen auch schon mal das Jagdfieber, lässt Veronika Mayer-Stockinger ihre Leidenschaft für Ihre Arbeit erkennen.

Beinahe unverändert präsentiert sich die Ladenfront bis heute. Hier in einer Aufnahme um 1920. Foto: Knopferlmayer

„Lang genug, stur genug“

Was hat es denn nun ermöglicht, dass der „Knopferlmayer“ immer noch floriert? Sicher, die Geschäftslage ist ideal. Nur ein Steinwurf von Mozarts Geburtshaus entfernt habe man immer Touristen. Und die staunen nicht schlecht, wenn sie erfahren, dass es „Josef Mayer Modewaren“ schon gab, als Mozart zwei Jahre alt war.

Das allein ist es sicher nicht. Man habe sich einfach nicht verrückt machen lassen. Auch als sie immer wieder teilweise komisch angesprochen wurden, warum sie denn nicht erneuern. Mehr Transparenz würde der Ladenausstattung guttun oder auch mehr Selbstbedienung.

Doch die Erfahrung zeige, dass die meisten Menschen Hilfe benötigen bei der Auswahl. Gelernte Schneider kämen nur noch selten. Inzwischen sind es überwiegend Kunden, die das Nähen in der Freizeit betreiben. Auch viel junge Leute, die anfangen umzudenken. Statt eines billigen neuen Kleidungsstückes lieber etwas umarbeiten. Alle seien dankbar für wertvolle Hinweise und Tipps.

Dabei herrsche nie Kaufzwang. Das schließt das Verkaufsethos mit ein. Zumal man weiß, wie wichtig das Anfassen, das Beschauen und Befühlen der Ware ist. Deshalb sei auch Click and Collect nur bedingt etwas für ihr Metier. Das Foto eines Knopfes verrät eben nur sehr beschränkt etwas über Gewicht, Haptik oder die exakte Farbe desselben.

Lieferservice mit dem Fahrrad

Die Lockdownzeit der letzten Jahre habe ihr bewusst gemacht, welche Leistung es für Menschen im Krieg war, auf welche Art auch immer durchzuhalten, ohne jegliche staatliche Hilfe. Dabei hing bei Familienbetrieben wie dem ihren die ganze Familie wirtschaftlich mit dran.

Dies sei für sie nicht mehr der Fall, bemerkt Frau Mayer-Stockinger. Doch habe sie gedacht, diese Krisenzeit ist jetzt eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Sie selbst sei eine aktive Person und nachdem der Laden zwei Tage zu gewesen war, habe sie sich auf ihr Fahrrad gesetzt und benötigte Gummibänder im Stadtgebiet zu den Kunden nach Hause gefahren – kilometerweit auf dem Fahrrad. Auch das Gummiband, kilometerweise. Obwohl wegen des Kontaktverbots nicht sofort bezahlt werden konnte, sei keiner ihr etwas schuldig geblieben.

Der Bedarf nach runden Gummibändern war durch die selbst genähten Masken so sehr gestiegen, dass sie über das Internet nicht mehr verfügbar waren. Doch diese Lücke schloss sie durch ihren österreichischen Gummilieferanten und mithilfe einer Journalistin. Deren Artikel in den „Salzburger Nachrichten“ über den allseits geschätzten Laden „schlug ein wie eine Bombe“.

Sogenannte Ätzkanten, hier aus Frankreich, haben den Vorteil, beim Abschneiden nicht auszufransen. Foto: Knopferlmayer

Oberstes Prinzip: das Miteinander

„Große Knopfkunde für kleine Leute“ nennt Frau Mayer-Stockinger ihr Programm für Schulklassen. Dabei würden zunächst einmal die Materialien vorgestellt. Sie lege den Kindern ein Hirschhorngeweih, ein Stück Glas, Metall und Leder vor. Ganz sinnlich werden so die Unterschiede zu einem Plastikknopf erfahrbar: Der Klang ist anders, Naturstoffe bleiben auch bei Reibung kühl, alles andere wird klebrig und warm.

Erst einmal eingetaucht in die faszinierende Welt der kleinen Details, bleiben Interessierte bei solchen Einführungen manchmal bis zum Nachmittag.

Und alles sei nur im Team zu bewältigen. Nicht selten sei es vorgekommen, dass die Angestellten ihnen von der Lehre bis zur Pensionierung treu bleiben. „Ein wenig wie in einer Großfamilie eben“, lacht die Chefin. Was das Schöne an diesem Beruf sei, frage ich am Schluss. Die Vielfalt, sowohl hinter als auch vor dem Tresen. Vom Festspielbesucher bis zum Obdachlosen, von jung bis alt, Mann wie Frau, alle können sie zu ihren Kunden zählen.

Und die Generation Nummer Zehn habe sich auch schon gefunden.



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