Klosterbibliothek in Ulm – eine der schönsten Bibliotheken der Welt

Es hat eine bewegte Geschichte, das Kloster Wiblingen, mittendrin: die Klosterbibliothek. Ihr Bauherr wollte „bei den Mönchen ein neues Verlangen und eine neue Liebe für geistliche und gelehrte Übungen wecken“. Es entstand ein Kleinod, das auch heute noch fasziniert.
Titelbild
Der Bibliothekssaal im Rokoko-Stil.Foto: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Günther Bayerl
Von 5. März 2023

Sie gilt als eine der schönsten Bibliotheken der Welt: der zweistöckige, kunstvoll verzierte Rokokosaal des Klosters Wiblingen im Süden der Stadt Ulm.

Das Kloster wurde 1093 von Benediktinermönchen gegründet und war weithin für seine Gelehrsamkeit bekannt, insbesondere für sein „Skriptorium“. Das war eine Schreibstube, in dem Mönche hochdetaillierte, illustrierte Werke der Literatur produzierten.

Kloster Wiblingen von oben. Foto: iStock

Schön und zweckmäßig

Der Plan für eine zweistöckige Bibliothek im Nordflügel des Klosters entstand 1740 unter Abt Meinrad Hamberger. Wie der Autor Jacques Bosser in seinem Buch „Die schönsten Bibliotheken der Welt“ schreibt, wollte der Abt einen Raum, der „bei den Mönchen ein neues Verlangen und eine neue Liebe für geistliche und gelehrte Übungen wecken“ sollte.

Der Raum sollte ebenso schön wie zum Lernen geschaffen sein. Geprägt vom luxuriösen Geschmack Ludwigs XIV. war der Rokokostil im 18. Jahrhundert in Europa in vollem Gange. Die Vorliebe des Rokoko für kunstvolle Details und sanfte Pastelltöne entsprachen dem kunstvollen Bibliothekssaal, den Hamberger sich vorstellte, genau.

Laut der Website des Klosters Wiblingen beauftragte der Abt den Künstler Franz Martin Kuen mit der Anfertigung der atemberaubenden ikonografischen Fresken, die die Decke des Saals schmücken. Im Zentrum des Gemäldes steht eine weibliche Figur, die von Engeln umgeben ist. Kuen begann im Jahr 1744 und vollendete das Mammutwerk in nur sechs Monaten, wobei er Farben aus natürlichen Pigmenten verwendete.

Nachdem er sechs Jahre lang bei den italienischen Rokokomalern Giovanni Battista Tiepolo und Giambattista Piazzetta in Italien studiert hatte, kehrte Kuen nach Wiblingen zurück. Er vollendete die Ausschmückung des Saals mit Porträts historischer Persönlichkeiten.

Die Deckenfresken im Bibliothekssaal des Klosters Wiblingen. Foto: iStock

Nur noch 96 Originalbücher erhalten

Der Bibliothekssaal selbst hat eine einfache Rechteckform von 23 × 11,5 Metern Breite. Er ist mit Marmorböden und -säulen, goldenen Statuen und kunstvoll geschnitzten Türen ausgeschmückt und beherbergte einst auf zwei Stockwerken über 15.000 Bücher. Die Buchrücken waren weiß gestrichen oder mit hellem Papier überzogen, damit sie mit der Freskomalerei an den Wänden und Decken verschmolzen.

Von diesen Büchern sind jedoch nur noch 96 im Original erhalten, da die meisten von den Franzosen während der napoleonischen Kriege von 1803 bis 1815 gestohlen wurden. Der Rest wurde vom König von Württemberg während der Säkularisation beschlagnahmt.

Eine Treppe verbindet das Erdgeschoss mit dem ersten Stockwerk des Bibliothekssaals. Das Erdgeschoss ist von acht bemalten Holzstatuen eingerahmt, die von Dominikus Hermenegild Herberger geschnitzt wurden. Sie stellen die Rechtswissenschaft, die Naturwissenschaft, die Mathematik, die Geschichte, den Gehorsam, die Abkehr von der Welt, den Glauben und das Gebet dar. Über den Eingangstüren befindet sich eine lateinische Inschrift, die den Reichtum der Bibliothek rühmt und übersetzt lautet: „Alle Schätze der Weisheit und der Wissenschaft.“

Heute sitzt die medizinische Fakultät der Universität Ulm im Kloster. Foto: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Achim Mende

Von den 1840er-Jahren bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Kloster Wiblingen immer wieder als Kaserne genutzt und „Schlosskaserne“ genannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente es als Unterkunft für Flüchtlinge.

Heute beherbergt das prächtige Kloster einen Teil der medizinischen Fakultät der Universität Ulm und ist als Touristenziel für die Öffentlichkeit zugänglich. Seine Rokoko-Pracht ist gleichzeitig ein Zeugnis der Geschichte und eine Huldigung der Opulenz.



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