Herzerwärmende Oper: Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“
Am 23. Dezember 1893 nahm eine relativ junge weihnachtliche Tradition ihren Anfang: Es war der Tag der Premiere der Oper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck.
Auch heute gehören sie, ihre Melodien und Lieder, für viele Familien zur Advents- und Weihnachtszeit – ebenso wie das Glitzern der Lichter und der Duft von Lebkuchen.
In Weimar ist die Uraufführung von Humperdincks Komposition am Tag vor dem Heiligen Abend ein rauschender Erfolg. Publikum und Kritik sind sich einig und nehmen das Singspiel gleichermaßen enthusiastisch auf.
Von Richard Strauss gefeiert und dirigiert
Kein Geringerer als Richard Strauss, Kollege und Freund des Komponisten, steht an diesem Abend am Dirigentenpult. Schon vor den ersten Proben hatte er Humperdinck zu seinem Werk in einem Brief freudig gratuliert:
„Wahrlich ein Meisterwerk erster Güte, zu dessen glücklicher Vollendung ich Dir meine innigsten Glückwünsche und meine vollste Bewunderung zu Füßen lege“, schreibt Richard Strauss, „das ist seit langer Zeit etwas, was mir imponiert hat. Welch herzerfrischender Humor, welch köstlich naive Melodik, welche Kunst und Feinheit in der Behandlung des Orchesters, welche Vollendung in der Gestaltung des Ganzen, welche blühende Erfindung, welch prachtvolle Polyphonie und alles originell!“
Was Richard Strauss bewundernd und nicht im Entferntesten abwertend als „köstlich naive Melodik“ bezeichnet, ist einer der Gründe für den freudvollen Widerhall, den die Oper bis heute erfährt.
Alte und neue Volksweisen
Humperdinck arbeitet bekannte und beliebte Volksweisen in sein märchenhaftes Singspiel ein. Und lässt sich von diesen auch zu eigenen, einprägsamen und melodiösen Weisen inspirieren.
Alte Kinderlieder wie „Suse, liebe Suse, was raschelt im Stroh“ oder „Ein Männlein steht im Walde“ sind im kollektiven Bewusstsein der lauschenden Opernbesucher fest verankert. Humperdinck webt sie in kunstvoller Orchestrierung in die Handlung ein und erfreut sein Publikum durch die Freude am Wiedererkennen von Texten und musikalischen Themen.
Kunstlieder, die der Komponist ersinnt, angeregt durch dieses volkstümliche Liedgut, werden wiederum sehr spontan und innig rezipiert, sodass Humperdincks Kompositionen bald selbst zu viel geliebten Volksweisen werden.
Schon im Jahr nach der Erstaufführung von „Hänsel und Gretel“ in Weimar wird die Oper auf über 20 großen Bühnen im deutschsprachigen Raum gespielt. Ihre Melodien verbreiten sich wie ein Lauffeuer, das die Herzen wärmt.
Mit „Brüderchen, komm tanz mit mir, beide Hände reich ich Dir, einmal hin, einmal her, rundherum, das ist nicht schwer“ ist ein neues, gern gesungenes Kinderlied geboren.
Ganz besonders berührt darüber hinaus der berühmte Abendsegen, ein gesungenes Gebet, mit dem Hänsel und Gretel einander trösten, bevor sie – einsam und verloren – im dunklen Wald einschlafen.
Aus dem deutschen Liederschatz sind sowohl Verse als auch Melodien nicht mehr wegzudenken:
Abends, will ich schlafen gehn,
vierzehn Englein um mich stehn:
zwei zu meinen Häupten,
zwei zu meinen Füßen,
zwei zu meiner Rechten,
zwei zu meiner Linken,
zwei, die mich decken,
zwei, die mich wecken
,
zwei, die mich weisen
zu Himmels Paradeisen.
Librettistin aus der eigenen Familie
Diese innigen Zeilen, die Engelbert Humperdinck kongenial vertont, stammen von seiner vier Jahre jüngeren Schwester Adelheid Wette. Sie ist es auch, die ihrem Bruder die erste Anregung zur Komposition der Oper gegeben hat.
Für den Geburtstag ihres Mannes, des Arztes und Schriftstellers Hermann Wette erdenkt sie im Frühjahr 1890 ein Märchenspiel. In diesem sollen ihre beiden, sieben- und achtjährigen Töchter, Isolde und Gudrun, Hänsel und Gretel darstellen.
Adelheid bittet ihren komponierenden Bruder, kleine Textpassagen „in Musik zu setzen“. Und tatsächlich: Vier Lieder für zwei Singstimmen mit Klavierbegleitung entstehen. Bei der Aufführung im Mai 1890 werden sie von der gesamten Familie begeistert aufgenommen.
Nun reift der Gedanke des Komponisten und seiner Librettistin Adelheid Wette, das kleine, feine Kinderstück auszubauen. Ermutigt wird Engelbert zusätzlich von Cosima Wagner, mit der er über diese Opernpläne spricht.
Der Absolvent des Kölner Musikkonservatoriums hatte als Preisträger des Mendelsohnpreises für Komposition eine Italienreise unternommen und dort das Ehepaar Wagner kennengelernt. Schon wenig später war er Assistent Richard Wagners bei der Uraufführung des Parsifal in Bayreuth geworden.
Als Lektor des berühmten Schott-Musikverlags arbeitet Humperdinck weitere Jahre, beginnt am Musikkonservatorium in Frankfurt zu unterrichten und schreibt Musikkritiken für die Frankfurter Zeitung.
Persönliches Glück und beruflicher Erfolg
1893 ist der inzwischen 39-jährige Humperdinck seit einem Jahr verheiratet. Und auch beruflich ereignet sich freudvoll Umwälzendes in seinem Leben.
Mit „Hänsel und Gretel“ gelingt ihm der Durchbruch als Komponist. Von nun an kann er sich ganz seiner Kunst widmen und weitere bekannte Singspiele erschaffen.
Die Märchenoper „Hänsel und Gretel“ wird jedoch sein erfolgreichstes Werk bleiben und Generationen von Menschen mit Sinn für kluge und zugleich anrührend gemütvolle Musik und Handlung erfreuen.
Nur eine Oper steht bis zum heutigen Tag öfter auf dem Spielplan der Opernhäuser als Engelbert Humperdincks Meisterwerk: Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“.
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