Heller Stern in dunkler Nacht
Ohne den Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf gäbe es ihn wahrscheinlich nicht: den vielzackigen, scheinbar magisch aus sich selbst heraus leuchtenden Stern, der vor über 100 Jahren seinen Siegeszug durch die Welt angetreten hat.
Noch heute wird der berühmte Stern – in Handarbeit und vieltausendfach – im Oberlausitzer Städtchen Herrnhut hergestellt; ein Städtchen, das nur durch die Großherzigkeit des Grafen entstand.
Hilfreich und tatkräftig
Gegründet wurde es im Juni 1722 von mährischen und böhmischen Protestanten – nur kurze Zeit, nachdem der theologisch interessierte und gebildete Graf von Zinzendorf auf seinem Landgut Berthelsdorf zwei vor der habsburgischen Gegenreformation geflohenen Familien Zuflucht gewährt hatte.
Weitere Glaubensbrüder und -schwestern aus Böhmen und Mähren folgen ihnen und rufen schließlich im Jahr 1727 – wiederum mit tatkräftiger gräflicher Unterstützung – die „Erneuerte Brüder-Unität“ ins Leben. Ihre Vision ist es, in der neuen Oberlausitzer Heimat ein lebendiges, christliches Gemeinwesen Wirklichkeit werden zu lassen. Der Samen für ein weltweites Wirken ist gelegt.
Blühende Gemeinschaft
Wie im Gleichnis vom winzigen Senfkorn, aus dem ein fruchtbringender Baum erwächst, entwickeln und strecken sich die Zweige der Bruderschaft in vielerlei Weise schon bald hoch empor. Die frohe christliche Botschaft und ihre Verbreitung werden dabei von der Gemeinschaft von Beginn an als Mittelpunkt ihres Handelns betrachtet.
Schulen und Internate für Jungen und Mädchen entstehen, Missionare werden bereits ab 1732 in überseeische Regionen entsandt. Im deutschsprachigen Raum, doch auch in Nord- und Südamerika, der Karibik, in Grönland, Asien und Afrika werden Gemeinden und Niederlassungen gegründet.
Innovative Pädagogik
Oft sind es die Kinder der Missionarsfamilien, die in den Internaten im Mutterland der Unität unterrichtet werden. Monatelang weit entfernt von ihren Eltern, die oft unter schwierigsten Bedingungen in den Missionsstationen arbeiten und leben, wird versucht, den Kindern die Internatszeit so lehrreich wie möglich zu gestalten.
Innovativ und zugleich biblisch begründet, wird Seele, Geist und Körper in den Schulen der Gemeinschaft schon im 18. Jahrhundert als Einheit gesehen. Sportliche Betätigung ist in den Tagesablauf integriert und Lernstoff wird durch anschauliche und praktische Lehrmethoden nahegebracht.
Geometrieunterricht und seine erstaunlichen Folgen
So berichtet eine Überlieferung von einem ideenreichen, mathematisch versierten Erzieher, der um das Jahr 1830 einen Weg sucht und findet, den Knaben des Pädagogiums in Niesky, nahe Görlitz, geometrische Körper begreiflich zu machen.
Bei der Beschäftigung mit archimedischen Figuren wird auch der Rhombenkuboktaeder behandelt und wird dabei wie nebenbei zum geometrischen Gerüst, das die Grundkonstruktion des Herrnhuter Sterns bildet.
Denn auf den Konturen der 18 Quadrate und acht Dreiecke des vielflächigen Rhombenkuboktaeder werden schlanke, spitz zulaufende Papierpyramiden mit quadratischen und dreieckigen Grundrissen befestigt. Der Herrnhuter Stern mit seinen langen, in alle Richtungen weisenden plastischen Strahlen ist geboren.
Bald schon leuchtet er auch in der Dunkelheit, denn sein zentrales Volumen bietet genug Raum für ein Rüböl- oder Petroleumlämpchen. Für Aufhängung und Licht bleibt deshalb das oberste Quadrat des Sterns unbestückt und offen.
Schwebendes Zeichen
Leuchtend und schwebend wird das geometrische Objekt zum christlichen Symbol, zum strahlenden Stern von Bethlehem, zum unübersehbaren Zeichen für Licht und Hoffnung in der Dunkelheit.
Generationen von Schülern des Pädagogiums bauen die prachtvollen Sterne während der Adventszeit im Werkunterricht, und schnell greifen auch die anderen Schulen der Herrnhuter Bruderschaft die neu entstandene Weihnachtstradition auf.
Hinaus in alle Welt
Seine Reise hinaus in die ganze Welt hat der Stern schließlich dem Geschäftssinn und Erfindungsgeist eines ehemaligen Schülers des Nieskyer Pädagogiums zu verdanken. 1894 eröffnet Pieter Hendrik Verbeek in Herrnhut einen „Buch-, Kunst- und Musikalienhandel“, in dem er schon bald einen Modellbogen zum Basteln des Sterns anbietet. Doch dabei bleibt es nicht.
Verbeek entwickelt auch den ersten Stern aus Einzelmodulen, der sich immer wieder von Neuem zusammensetzen lässt. Auf einem durchbrochenen Blechkörper werden vorgefertigte Papierkegel mit drei- oder viereckigen Grundrissrähmchen befestigt.
Der Clou: Zusammen mit ihrem zentralen Gerüst lassen sich die Papierstrahlen ineinandergesteckt wunderbar in jeden Winkel der Erde versenden, um sich dann – wo immer es auch sei – zum prachtvollen Leuchtkörper zu verwandeln.
Tradition und Gegenwart
Als „Herrnhuter transparente Weihnachtssterne“ meldet Verbeek seine Erfindung zum Patent an und erweitert gleichzeitig das Farbspektrum. Waren die Sterne bis dato in Weiß und Rot als den symbolischen Farben für Reinheit und Blut Christi gehalten, kommen nun weitere leuchtende Töne hinzu.
1899 gründet der ideenreiche Geschäftsmann zusammen mit der Brüder-Unität die Herrnhuter Sternmanufaktur, die seitdem – nur durch das Intermezzo als Volkseigener Betrieb der DDR unterbrochen – bis heute existiert.
Schon damals wird das Gebäude der Verbeekschen Buch-, Papier und Musikalienhandlung zum Stammhaus der Sterne GmbH, die seitdem immer wieder Konstruktion, Materialien und farbige Vielfalt der Sterne verfeinert und erweitert.
Geliebter Stern
Bei vielen Familien schlummern historische und neue Herrnhuter Sterne elf Monate lang in Pappschachteln auf dem Dachboden, in Weihnachtstruhen und in Schränken. Erscheinen sie wieder in ihrer schlichten und doch faszinierend raumgreifenden Gestalt, erhellt ihre leuchtende Mitte wieder die transluzenten Sternenkörper, weiß jedes Kind: Die Nacht der Nächte ist nicht mehr weit.
In Schaufenstern und Häusern schweben sie; auf Weihnachtsmärkten und hoch oben in der Turmlaterne der Dresdner Frauenkirche leuchtet er ebenso wie im Saal der Herrnhuter Brüdergemeinde zur Adventszeit seit etwa 200 Jahren.
Ein Bild von einem Stern, dessen Anblick an das Gedicht des schlesischen Theologen und Arztes Angelus Silesius aus dem 17. Jahrhundert denken lässt:
Morgenstern der finstern Nacht,
der die Welt voll Freuden macht,
Jesu mein,
komm herein,
leucht in meines Herzens Schrein,
leucht in meines Herzens Schrein.
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