Heinrich Schütz – ein Leben im Dienste göttlicher Harmonie
Hofkomponist im Europa des 17. Jahrhunderts zu sein, war im Vergleich zu vielen anderen Tätigkeiten sicherlich ein angenehmer Beruf. Der wohlhabende Adel genoss es, durch Musik seinen Überfluss zu zeigen, und diejenigen, die über musisches Talent verfügten, konnten wiederum am höfischen Leben teilhaben.
Eine Stellung bei Hofe war jedoch auch mit Zwängen verbunden. So war und blieb selbst ein berühmter Komponist nur ein Bediensteter, der seiner adeligen Herrschaft überallhin zu folgen hatte, um – wo auch immer – die Begleitmusik zum luxuriösen Lebenswandel des Adels zu liefern.
Den Hof unerlaubt zu verlassen, wurde streng sanktioniert. War die wirtschaftliche Lage schlecht, fiel die Bezahlung schlichtweg aus.
Das Leben von Heinrich Schütz gibt für all dies beredtes Zeugnis. In höfischen Diensten schuf Heinrich Schütz bis ins hohe Alter grandiose Meisterwerke. Häufig jedoch unter Bedingungen, die er sich nicht aussuchen konnte. Komponieren und musizieren musste er auf Zuruf und in späten Jahren wurde ihm der Wunsch, sich aus Altersgründen zurückziehen zu dürfen, mehr als nur einmal verwehrt.
„Orpheus“ der deutschen Musik
Die pflichtschuldige Erfüllung von Aufträgen stand also oft am Beginn seiner Kompositionen. Das tat der Größe seiner Kunst aber keinen Abbruch.
Heinrich Schütz wird oft als „Orpheus“ der deutschen Musik bezeichnet, als die mythologische Gestalt, die durch den Klang der Leier sogar Felsen und Bäume zum Leben erweckte. Auch der ehrenvolle Titel „Vater deutscher Musiktradition“ wird Schütz immer wieder verliehen. Begnadete deutsche Komponisten gab es auch vor seiner Zeit, ihm jedoch wurde nun erstmals große und internationale Anerkennung zuteil.
Ein Abend ändert alles
Im Jahr 1585, genau 100 Jahre vor Johann Sebastian Bach, wird Heinrich Schütz als zweites von acht Kindern einer Gastwirtsfamilie geboren. Sein Vater, Christoph Schütz – später Bürgermeister des sächsischen Städtchens Weißenfels –, setzt große Hoffnungen auf ihn und erwartet, dass er in seine Fußspuren tritt.
Ein Abend im väterlichen Gasthaus ändert jedoch alles. Landgraf Moritz von Hessen-Kassel hört den jungen Schütz singen, ist tief beeindruckt und beschließt, das Talent des Jungen zu fördern.
Vater Schütz erlaubt, dass sein Sohn Mitglied des landgräflichen Kirchenchores wird, ist aber ganz und gar nicht vom Gedanken erbaut, Heinrich könne Berufsmusiker werden. Das Ansehen eines Gastwirtes übersteigt das eines Musikers schließlich bei Weitem. Doch die Begabung des Jungen weist den Weg.
Selbst ein Studium der Jurisprudenz kann den jungen Mann nicht umstimmen. Seine Begeisterung für die Musik bleibt. Schon bald vernachlässigt er die Rechtswissenschaften und reist lieber nach Italien, um vom berühmten Komponisten Giovanni Gabrieli unterrichtet zu werden.
Lehrjahre in Venedig
Landgraf Moritz von Hessen-Kassel übernimmt die Kosten des dreijährigen Aufenthalts in Venedig – bis zu Gabrielis Tod im Jahr 1612. Noch auf seinem Totenbett schenkt der große Lehrer seinem begabten Schüler einen seiner Ringe. Eine bewegende Geste der Wertschätzung, die wie die Weitergabe des Meistertitels an den Lehrling wirkt.
Im Vergleich zu Italien, Frankreich und England ist Deutschland zu dieser Zeit noch musikalische Provinz. Heinrich Schütz wird die entscheidende Wendung in der deutschen Musikwelt des 17. Jahrhunderts einleiten.
Nach Deutschland zurückgekehrt, tritt er nun wieder in die Dienste seines treuen Förderers, des hessischen Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel und lässt zu dessen großer Freude italienische Stilelemente in seine Arbeit als Hofkomponist einfließen.
Als Hofkomponist nach Dresden
Doch auch der sächsische Kurfürst Johann Georg I. wird auf Heinrich Schütz aufmerksam. Nach längerem Ringen entscheidet ein höflicher, aber bestimmter Brief des mächtigen Kurfürsten über den weiteren Lebensweg des Hofkomponisten. Landgraf Moritz von Hessen-Kassel muss seinen langjährigen Schützling schweren Herzens ziehen lassen.
Schütz steht nun in Diensten eines der mächtigsten Männer des Heiligen Römischen Reichs, einem Mann, der bereits Martin Luther unter seine Fittiche genommen hatte und so die katholische Kirche in ihre Schranken verwies.
Mehr als 50 Jahre dient Schütz am kurfürstlichen Hof als Komponist und Kapellmeister. Unter schwierigen politischen Verhältnissen, denn 1618 bricht der Dreißigjährige Krieg aus.
Waffenlärm statt Musik
Statt in Kunst und Musik fließen sächsische Gelder nun in Rüstung und Waffen. So konstatiert Heinrich Schütz im Vorwort zu seiner Sammlung „Kleiner geistlicher Konzerte“ traurig, „die löbliche Music“ sei „von den anhaltenden gefährlichen Kriegs-Läufften in unserm lieben Vater-Lande Teutscher Nation nicht allein in grosses Abnehmen gerathen, sondern an manchem Ort gantz niedergeleget worden“.
Trotzdem bleibt Schütz entschlossen, sein „von Gott verliehenes Talentum in solcher edlen Kunst“ nicht ruhen zu lassen. Er komponiert unbeirrt weiter und sucht gleichzeitig auch außerhalb Deutschlands nach Möglichkeiten, seine Kunst auszuüben.
Mit Genehmigung des Kurfürsten reist er unter anderem an den dänischen Hof und arbeitet als musikalischer Ratgeber der Fürstenhöfe in Hannover, Wolfenbüttel, Weimar, Gera und Zeitz.
Sehnsucht nach Ruhe
Während der Krieg immer noch unvermindert wütet, bittet der 60-Jährige schließlich im Jahr 1645 seinen sächsischen Dienstherren, sich zur Ruhe setzen zu dürfen, denn „in diesen feindlichen Zeiten“ so schreibt er, „bin auch ich alt geworden“. Sein Wunsch sei es, so Schütz, „frei vom gewöhnlichen Dienst“ gestellt zu werden. Doch Johann Georg I. lehnt dieses erste und alle weiteren Gesuche ab.
Erst 1656, elf lange Jahre später, macht der Tod des Kurfürsten und die Erlaubnis seines Sohnes und Nachfolgers dem altgedienten Hofkompositeur und Kapellmeister den Weg in einen ruhigen Lebensabend möglich.
Schwanengesang
Schütz komponiert nun oft ohne Auftrag und aus freien Stücken. Nicht nur Instrumentalmusik, auch Stücke für Theateraufführungen und die erste deutsche Oper, „Daphne“, entstehen in schneller Folge. Sie und die Bühnenwerke sind leider verloren gegangen, die meisten seiner religiös inspirierten Werke haben die Zeiten jedoch überdauert.
Ganz bewusst wählt er den 119. Psalm der Bibel, um ihn zu vertonen, und vollendet dieses Werk 1671, im hohen Alter von 86 Jahren. Ein Jahr vor seinem Tod entsteht so sein letztes und gleichzeitig vielleicht größtes Meisterwerk. Der später sogenannte „Schwanengesang“.
Mit diesem Reigen aus elf Motetten blickt Schütz am Ende seines Lebens auf ein Leben voll Arbeit, auf ein von Krieg und Elend heimgesuchtes Land und auf die Tragödien seiner eigenen Familie, den frühen Tod seiner Frau und der beiden gemeinsamen Töchter, zurück.
Kunstvolles Verschmelzen von Musik und Sprache
Zwei Chöre singen die Motetten des „Schwanengesangs“ im Wechsel – von Instrumenten zurückhaltend begleitet. Seine große Kunst zeigt Schütz im Verschmelzen italienischer Einflüsse mit deutscher Sprache und Musiktradition und schafft so das Fundament, auf dem seine Nachfolger weiter aufbauen werden.
Ergreifend schlicht beginnt jede einzelne Motette in gregorianisch anmutender Einstimmigkeit und wandelt sich schrittweise zur mehrstimmigen, italienisch inspirierten Komposition. Die beiden vierstimmigen Chöre spiegeln sich, schwingen sich zu einzelnen Melodielinien auf, wechseln sich ab, ziehen sich zurück, sobald eine Solostimme erklingt und vereinen sich immer wieder, um zentrale Aussagen eindrucksvoll aufleuchten zu lassen.
Bei den Worten des biblischen Psalms mag Schütz an seinen herannahenden Tod gedacht haben. „Lass mein Flehen vor dich kommen; errette mich nach deinem Wort“, singen die Chöre.
Und: „Lass meine Seele leben, dass sie dich lobe“. In insgesamt 176 Verse schreiten Psalm und Komposition durch Glauben, Hoffen und Erlösungsgewissheit. Freudvoll erklingt am Ende der Motetten der jubelnde Psalm 100 und der Lobgesang der Gottesmutter, das Magnificat, in deutscher Sprache.
Den Zeiten getrotzt
Das unvergleichliche Meisterwerk überdauert die Jahrhunderte. 1760 übersteht es fast unbeschadet den Brand der Dresdner Musikbibliothek, liegt für viele Jahrzehnte in der Kirche des damals kursächsischen Guben, wird dort im Jahr 1900 wieder gefunden, geht in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren, um erst im Jahr 1970 wiederentdeckt zu werden.
Als musikalisches Vermächtnis des greisen, doch hellwachen Meisters bezeugt es bis heute die Bedeutung des größten deutschen Komponisten seiner Zeit.
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