Hans Holbein der Ältere: Ein Meister an der Schwelle zur Renaissance



Mit einer eindrucksvollen Ausstellung gedenkt die Stadt Augsburg einem ihrer bedeutendsten Künstler, Hans Holbein dem Älteren. Vor etwa 560 Jahren innerhalb ihrer Mauern geboren, jährt sich sein Todestag 2024 zum 500. Mal.



Titelbild
Hans Holbein der Ältere: Das Gemälde ist Teil des sogenannten Basilikazyklus, der für das ehemalige dominikanische Kloster St. Katharina in Augsburg 1504 geschaffen wurde. Auf dem linken Bildteil ist der Künstler mit seinen beiden Söhnen zu erkennen.Foto: Public Domain
Von 21. September 2024

Nur ungefähr lässt sich das Geburtsdatum des später berühmten Sohns einer Augsburger Gerberfamilie bestimmen. 
In keinem Kirchenbuch ist es verzeichnet. Akribische historische Forschungen lassen jedoch vermuten, dass der Junge, der eines Tages als Hans Holbein der Ältere in die Kunstgeschichte eingehen wird, in den Jahren um 1465 das Licht der Welt erblickt.

Sein Vater ist Gerbermeister und auch die Mutter entstammt einer Familie aus der Zunft der Ledergerber. Die Familie Holbein ist kinderreich und lebt im Augsburger Lechviertel, einer einfachen, fast ärmlichen Wohngegend innerhalb der Augsburger Stadtmauern, die stark vom Ledererhandwerk geprägt ist.

Handwerk im ausgehenden Mittelalter

Das Wasser des Lechs ist für dieses Handwerk von großer Bedeutung. Hat man es beim Gerben doch mit vielen Arbeitsschritten zu tun, bei denen fließendes Nass dringend benötigt wird. Der Fluss und seine Kanäle, die das Viertel durchziehen, liefern das dringend benötigte Frischwasser und helfen gleichzeitig, Abwasser schnell abzutransportieren.

Trotzdem entstehen beim Zurichten und Gerben der Tierhäute unweigerlich unangenehm beißende Gerüche, von denen Zeitzeugen des Mittelalters bis hin zur Neuzeit immer wieder berichten. Ehrbar und unverzichtbar sind sowohl das Handwerk als auch seine Produkte natürlich trotz alledem.

Wie es dazu kommt, dass Hans und sein jüngerer Bruder Sigmund – entgegen den üblichen Gepflogenheiten – den väterlichen Betrieb nicht übernehmen, ist nicht bekannt. Beide Brüder wenden sich einem anderen Handwerk zu: der Malerei.

Talent und verwandtschaftliche Bande

Mit Sicherheit spielt früh erkanntes künstlerisches Talent eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus helfen vermutlich verwandtschaftliche Beziehungen zur Künstlerfamilie Erhart aus Augsburg und Ulm, der zweiten schwäbischen Metropole, den jungen Holbeins, sich die Welt der Kunst zu erschließen.

Dokumente belegen, dass Hans Holbein 1493 im Alter von etwa 28 Jahren als Bürger von Ulm aufgeführt wird und deshalb dort wahrscheinlich schon einige Zeit verbracht haben muss.

Er arbeitet beim Ulmer Holzschnitzer und Bildhauer Michel Erhart, der – wie vor ihm schon dessen Meister Jörg Syrlin – Tischler, Maler und Vergolder im eigenen Betrieb beschäftigt. Dadurch kann er kirchlichen und weltlichen Auftraggebern meisterliche Hochaltäre aus einer Hand anbieten.

Hochaltar des Klosters Blaubeuren aus der Werkstatt Michel Erharts aus Ulm. Entstanden zwischen 1493 und 1494, Gesamtansicht des geöffneten Schreins mit den zwei Innenflügeln. Foto: Joachim Köhler, CC BY 3.0

Mit Sicherheit hat Hans Holbein zu diesem Zeitpunkt bereits eine mehrjährige Ausbildung als Zeichner und Maler von Tafelbildern in Augsburg und möglicherweise auch am Niederrhein absolviert. Ebenso wie sein jüngerer Bruder Sigmund, der wenige Jahre später in Hans Holbeins eigenem Betrieb zum Gelingen anspruchsvoller Auftragsarbeiten beitragen wird.

Geselle und Meister

Sprechendes Zeugnis für Hans Holbeins tragende, geradezu meisterhafte Rolle in Michel Erharts Ulmer Kunstwerkstatt sind die vier erhaltenen Flügel des Marienaltars. Sie entstanden ursprünglich für das Benediktinerkloster Weingarten, etwa 80 Kilometer südlich von Ulm.

Seit 1860 kann man sie im Augsburger Dom bewundern. Und: Der aufmerksame Betrachter wird eine in das Tafelbild integrierte Textzeile vom 1. April 1493 erkennen, die den „pildhaver“ Michel Erhart und seinen ausführenden Maler „Hans Holbain“ nennt.

Nur ein Jahr später findet sich Holbeins Name wieder. Dieses Mal im Steuerzahlerregister Augsburgs. Für über 20 Jahre wird seine Heimatstadt nun der Lebens- und Schaffensmittelpunkt des Malers, der sich hier – zurück aus Ulm – selbstständig gemacht hat.

Das rekonstruierte Holbeinhaus in Augsburg. Foto: © JD CC BY-SA 4.0

Im Viertel seiner Kindheit und Jugend lässt er sich nieder. Das kleine, zweigeschossige Haus mit Giebeldach und kleinen Gauben, das bis zu den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs überdauerte und dessen Fassade später weitgehend originalgetreu rekonstruiert wurde, betritt man auch heute über einen Steg, der einen Lechkanal quert.

Zur Zeit Holbeins ist das Häuschen zugleich Familienheim und Werkstatt des inzwischen verheirateten, weithin bekannten Künstlers.

Hier kommen die Kinder der jungen Familie Holbein zur Welt und hier entstehen auch die gemalten Meisterwerke Hans Holbeins in Zusammenarbeit mit seinem Bruder Sigmund, gemeinsam mit Gesellen und Lehrjungen.

Einzigartiger Bilderzyklus

Zwischen 1494 und 1500 wird hier die berühmte „Graue Passion“ Gestalt angenommen haben, auf der Holbein in insgesamt zwölf Szenen die Leidensgeschichte Jesu Christi für die Flügel eines Altars darstellt. 
Die Art und Weise der Darstellung ist für die deutsche Spätgotik höchst außergewöhnlich.

Jeweils drei annähernd quadratische, übereinander angeordnete Bildszenen der Flügelaußenseiten zeigen in überwiegend grauen Schattierungen und dramatisch dichter Bildkomposition das Gebet von Jesus am Ölberg, den Judaskuss, Jesu Verspottung und Geißelung.

Auf den Innenflügeln wandelt sich die Palette von Grautönen zu hellem Beige. Der Bilderreigen gipfelt in der Fassungslosigkeit der Schergen beim Erblicken des Auferstandenen.

Wer dieses ungewöhnliche Werk der Spätgotik in Auftrag gegeben hat und für welchen Ort es bestimmt war, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben.

Die im Bilderzyklus fehlende Darstellung der Kreuzigung wurde im originalen Altar möglicherweise mit der zentralen Holzskulptur eines unbekannten Meisters vor Augen geführt. 
In den Bilderstürmen des 16. Jahrhunderts vermutlich verloren gegangen, überdauerten Holbeins Flügelbilder jedoch bis in unsere Zeit.

In ihnen leuchten Glaube und Glaubenswissen des Malers auf. Doch auch die überaus vielschichtige Menschenkenntnis des Künstlers zeigt sich in den meisterlichen Charakterisierungen der handelnden Figuren.

Kupferstich nach einem Selbstporträt Hans Holbeins des Älteren. Foto: Public Domain

Es ist diese seine besondere Gabe, die Hans Holbein über die Jahre in Skizzen, Zeichenstudien und Silberstift-Portaits immer weiter perfektioniert. Nicht nur in seinen Arbeiten, auch in seiner Familie bleibt das nicht ohne Folgen.

Hans Holbein der Ältere, Kopf eines zielenden Armbrustschützen. Foto: Public Domain

Die Söhne erben sein Talent

Hans Holbeins Söhne Hans und Ambrosius haben nicht nur die Beobachtungsgabe des Vaters, sondern auch sein künstlerisches Talent geerbt. Beide erleben die Wandlung der väterlichen Kunst von ihrer spätmittelalterlichen, vorrangig religiösen Prägung zur stärkeren Gewichtung des Dargestellten und seiner Wesenhaftigkeit.

Ambrosius und Hans, die Söhne Hans Holbeins des Älteren, um 1505. Foto: Public Domain

Im zeichnerischen Werk Hans Holbeins des Älteren, besonders in den faszinierenden Portraitzeichnungen von Zeitgenossen wird dies überaus deutlich.

Das wohl früheste und umfangreichste zeichnerische Werk der europäischen Kunstgeschichte nördlich der Alpen entfaltet einen Kosmos menschlichen Ausdrucks, den Vater Holbein in späten Meisterwerken in Malerei übersetzt.

Beispielhaft im großen Tafelbild von 1504 für das Augsburger Katharinenkloster, das der Basilika des Heiligen Paulus in Rom gewidmet ist oder in seinem vielschichtigen Spätwerk „Der Lebensbrunnen“ von 1519, in dessen erstaunliche Komposition auch prachtvolle Renaissance-Architektur Einzug hält.

Wandel, Schicksal und Erfolg

Inzwischen hat sich der Lebensmittelpunkt Hans Holbeins von Augsburg weitgehend entfernt.
 Seine Söhne Ambrosius und Hans zog es 1515 ins schweizerische Basel, um nach ihrer Ausbildung beim Vater in der florierenden Buchdruckerstadt als Illustratoren zu arbeiten. Auch Vater Holbein scheint immer wieder nach Basel gereist zu sein.

Während sich die Spuren des 1494 geborenen Ambrosius hier nach 1519 verlieren, beginnt für seinen drei Jahre jüngeren Bruder Hans eine beispiellose künstlerische Laufbahn, in der er sogar die Berühmtheit des eigenen Vaters übertreffen wird.

Hans Holbein der Ältere stirbt im Jahr 1524 fern seiner Heimatstadt Augsburg im schweizerischen Basel oder elsässischen Isenheim. Dass sein Sohn, Hans Holbein der Jüngere zu einem der berühmtesten Maler und Porträtisten der Renaissance und zum Hofkünstler Heinrich des VIII. von England avanciert, wird er nicht mehr erleben.

Umschlagbild des Katalogs zur Augsburger Ausstellung. Foto: Mit freundlicher Genehmigung des Michael Imhof Verlags Petersberg

Die Ausstellung

Ausstellung „Der ältere Holbein“ noch bis zum 20. Oktober 2024 im Schaetzlerpalais, Augsburg,
Maximilianstraße 46
Dienstag bis Sonntag 10–17 Uhr
Montag geschlossen

Der reich bebilderte Katalog zur Ausstellung ist im Michael Imhof Verlag zum Preis von 29,95 Euro erschienen.
24 × 28 cm, 176 Seiten, 106 Farb- und 4 SW-Abbildungen
ISBN 978-3-7319-1423-5



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