Gut gelaunter Muti beim Wiener Neujahrskonzert
Maestro Riccardo Muti waren seine 79 Jahre beim berühmten Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker nicht anzusehen. Immer wieder ließ er sich von der schmissigen Musik zu verwegenen Knieschwüngen hinreißen, warf die graue Haarmähne energisch zurück und betonte den eingängigen Walzertakt oft, als schwinge er eine Peitsche über das ehrwürdige Orchester.
Er versprühte gute Laune, auch wenn coronabedingt erstmals in der 81-jährigen Geschichte der Neujahrskonzerte kein Publikum im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins war. „Die Musik von Strauß passt zu dieser globalen Situation“, sagte Muti bei den Proben. „Wir brauchen Musik, die uns zum Lachen bringt und zum Nachdenken.“
Ein Konzert ohne Publikum sei ein merkwürdiges Gefühl, meinte Muti vorher. „Die „Polka schnell“ ist wie ein rasanter Zug, der in einem Bahnhof einfährt. Da erwartet man, dass jemand dort auf einen wartet und reagiert“, sagte er. Doch das Orchester wisse, „dass wir mit Millionen von Menschen rund um die Welt verbunden sind. Wir schicken ihnen La Speranza, die Hoffnung“. Das Konzert wird stets in mehr als 90 Länder übertragen und erreicht 50 Millionen Menschen.
Vor der Zugabe des Walzers „An der schönen blauen Donau“ appellierte Muti an die Regierenden in aller Welt: „Betrachten Sie Kultur als eines der Hauptelemente, um eine bessere Gesellschaft zu formen.“ Mit dem Orchester wünschte er anschließend „Prosit Neujahr“.
Eine Premiere war der Live-Applaus, der zweimal durch den Saal zu branden schien. Das machten Soundtechniker möglich. 7000 Menschen hatten sich weltweit registriert, um über ihr Handy live Applaus zu spenden. Die Einspielungen kamen aus aller Welt, von Südamerika bis Japan, von Neuseeland bis Kanada. Dazu waren Fotos von Zuhörerinnen und Zuhörern im Fernsehen wie auf einer riesigen Fotowand zu sehen. Die Musiker nahmen den Applaus freudig entgegen.
Traditionell stehen typisch wienerische Walzer der Komponistenfamilie Strauß im Mittelpunkt des Konzerts, sowie Stücke ihrer Weggefährten. Muti präsentierte Werke von Johann Strauß Vater (1804-1849), Johann Strauß Sohn ((1825-1899) und dessen Bruder Josef Strauß (1827-1870) sowie zwei „Carls“: den Konzertwalzer Grubenlichter von Carl Zeller und die Polka „In Saus und Braus“ von Carl Millöcker.
Muti arbeitet seit 50 Jahren mit den Wiener Philharmonikern zusammen. Dirigent und Musiker verstehen sich fast blind. Manchmal ließ er den Taktstock einfach hängen und hörte einfach zu. „Es ist schwierig, diesem Orchester mit diesem Repertoire gegenüberzutreten“, sagte Muti im Vorfeld. „Ich hatte das Gefühl, da richte ich eher Schaden an.“
Aber natürlich hält Muti sich nicht für überflüssig. „Die Leute glauben, das ist einfache Musik. Nein! Wenn du eine Mischung finden willst zwischen deinen Ideen und der Tradition, die dem Orchester innewohnt, brauchst du einen wirklich guten Piloten.“
Die Musiker saßen in gewohnter Konzertmanier dicht beieinander auf der Bühne. Sie mussten während der Proben täglich einen Corona-Test machen. Einmal vergaß Muti die Corona-Bestimmungen und streckte dem ersten Geiger aus alter Gewohnheit die Hand entgegen. Der ergriff sie aber nicht. Stattdessen klopften die Musiker mit ihren Bögen symbolisch Beifall auf ihre Notenständer.
Muti dirigierte die Philharmoniker zum sechsten Mal beim Neujahrskonzert, erstmals 1993 und zuletzt 2018. Öfter ist diese Ehre nur wenigen zu Teil geworden, darunter Clemens Krauss, Willi Boskovsky und Lorin Maazel. 2020 stand der lettische Kapellmeister des Leipziger Gewandhausorchesters, Andris Nelsons, am Pult.
Die Philharmoniker gibt es seit 1842, aber das Orchester tat die Strauß-Musik – die „Wienerischte Musik, die je geschrieben wurde“, wie es in den Annalen des Orchesters heißt – zunächst als Unterhaltungsmusik ab. Erst beim 100. Geburtstag von Johann Strauß Sohn 1925 gaben sie ein ganzes Konzert mit Strauß‘schen Werken.
Die Tradition des Neujahrskonzerts begann in einer dunklen Zeit: Im Jahr nach der Eingliederung Österreichs in das nationalsozialistische Deutsche Reich fand das erste Neujahrskonzert am Silvesterabend 1939 statt. Der Erlös ging an das Kriegswinterhilfswerk in Berlin.
In einem Jahr soll alles wieder wie gewohnt über die Bühne gehen, mit 2000 Gästen im Goldenen Saal. Die Karten kosten bis zu 1200 Euro. Sie werden verlost. Dafür können Interessenten sich im Februar auf der Website der Philharmoniker anmelden. Nicht alle der 2000 Karten sind in der Verlosung, denn die Orchestermitglieder haben ein Vorkaufsrecht. Sie laden oft Prominente ein. (dpa)
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