Handweber: „Wo jetzt jeder hin will, dort sind wir nie weggekommen“
Beim genüsslichen Schlendern durch Salzburgs charmante Altstadt entdecke ich – halb verborgen in einem kleinen Innenhof – ein Gassengeschäft, das nach Tradition und authentischer Handwerkskunst aussieht. Es zieht mich sofort hinein. Familie Weiss produziert und verkauft hier seit 1843 ihre Erzeugnisse aus feinster heimischer Baumwolle: Teppiche, Sitztapezierungen, Polsterbezüge und „Patschen“ (Patschen ist das österreichische Äquivalent zu Hausschuhen). Alles handgemacht. Alles vor Ort.
Denn die Manufaktur befindet sich nur ein Stockwerk über den Verkaufs- und Schauräumen. Neugierig steige ich die enge Treppe hoch. Hinter einer recht unscheinbaren Tür offenbart sich mir plötzlich etwas aus längst vergangenen Tagen: Sechs riesige alte Holzwebstühle füllen einen kleinen Raum völlig aus. Es wirkt ziemlich museal – und doch passiert hier der ganze Zauber.
Seit 2019 führt der 35-jährige Maximilian Weiss in nunmehr sechster Generation das Familienunternehmen fort. Tatkräftig unterstützt wird er dabei von seinem Vater Rupert, der vor über 40 Jahren den Betrieb von seinem Vater übernommen hat.
In Vaters Fußstapfen
Insgesamt fünf Mitarbeiterinnen sind im Betrieb angestellt – drei Damen an den Webstühlen, die Teppiche und zwei Näherinnen, die „Patschen“ und „Fleckerlteppiche“ herstellen. Maximilian Weiss sitzt also nicht selbst an den antiken Holzwebstühlen, so wie vor Kurzem noch sein Vater. Er kümmert sich vielmehr um neue Designs, neue Materialien und „schupft“ sozusagen das Geschäft.
„Mit fünf Jahren bin ich schon am kleinen Webstuhl gesessen und habe ganz einfache Teppiche gemacht. Ich bin lieber mit meinem Vater ins Geschäft mitgefahren, als in den Kindergarten zu gehen. Für mich war es damals das Schönste, dabei sein zu dürfen“, erinnert sich der Spross der Familie.
Vater Rupert habe ihm alles beigebracht, was mit Weberei und Textilien zu tun hat. Und auch heute genießt Maximilian Weiss die Unterstützung seines Vaters, „nicht nur als Vater, sondern auch als Geschäftspartner“. Er ist dankbar für dessen Expertise und Erfahrung. „Wir verstehen und sehr gut und pflegen ein freundschaftliches Verhältnis. Ich schätze es sehr, dass er mit dabei ist und dass wir fast jeden Tag gemeinsam werken können.“
Dass er den Familienbetrieb einmal übernehmen würde, war nicht von Anfang an geplant. Er besuchte zunächst die Textilfachschule, schwenkte dann aber zum Kfz-Techniker um. Erst später trat er eher „zufällig“ in die Fußstapfen seines Vaters, als er ein wenig im Tagesgeschäft mithalf und merkte, dass „es gar nicht so uninteressant und gar nicht so schlecht ist“.
Maximilian Weiss hat noch drei Geschwister. Jeder von ihnen hat einen anderen Beruf ergriffen. Der Vater habe seine Kinder nie dazu gedrängt, das Geschäft fortzuführen. „Er meinte, ‚Wenn einer von euch den Betrieb übernehmen möchte, freue ich mich. Aber jeder soll das machen, was er liebt.‘ Ursprünglich wollte ich etwas anderes machen, bin jetzt aber sehr glücklich, dass ich mich doch so entschieden habe“, erzählt Maximilian Weiss. Den Vater freut’s.
Keine Massenware
Kann so ein Familienbetrieb wirtschaftlich überleben? An Kunden mangele es nicht, erfahre ich. Privatkunden aus Salzburg und Umgebung halten das Tagesgeschäft am Laufen und daneben stattet Familie Weiss auch Gastronomiebetriebe, Raumausstatter und Hotels aus. Klingt, als wären die alten Holzwebstühle im Dauereinsatz. Etwa einen Quadratmeter pro Stunde sollte die Weberin weben, damit sich das Geschäft auszahle. Maximal vier Meter breit und dafür unendlich lang könne der größte Teppich werden, der auf den Handwebstühlen gefertigt wird, erklärt mir der Jungunternehmer.
Dabei kämen auch wirklich nur alte Techniken und Abläufe zum Einsatz. „Das Einzige, was modernisiert wurde, ist der Anschlag, der pneumatisch funktioniert, also mit Luftdruckunterstützung. Zum einen, um unsere Mitarbeiterinnen zu schonen, zum anderen, damit das Gewebe fester wird“, so Weiss.
Moderne Webmaschinen seien hingegen ungeeignet, „da wir keine Massenware oder 100 Stück vom gleichen Teppich anfertigen“, sondern Einzelstücke mit unterschiedlichen Größen und Materialien. Mit den alten Holzwebstühlen würde sogar Zeit gespart, erfahre ich. Denn moderne Webmaschinen müssten zwischen jedem einzelnen Teppich umgerüstet – also neu aufs richtige Teppichmaß eingestellt werden.
„Als mein Vater 1979 in die Firma eingestiegen ist, kam er direkt von der Fachschule und wollte etwas im Familienunternehmen verbessern. Er sagte zu meinem Großvater, dass er jetzt zwei Webmaschinen kauft. Als er die dann hatte, bemerkte er, dass diese Rüstzeit – das Umbauen der Maschinen –, um einen Teppich mit anderem Maß zu weben, viel länger dauert, als wenn eine Mitarbeiterin das am Holzwebstuhl macht. Daraufhin hat er die Maschinen gleich wieder verkauft.“
Schrumpfende Teppiche
Herausforderungen während der Arbeit gäbe es immer. Denn so ein Teppich schrumpft auch. „Bei uns ist es mit den Maßen immer so eine Sache, es ist nicht so einfach“, erklärt Weiss. „Sie müssen sich vorstellen, die Kettfäden, auf denen gewebt wird, stehen unter hoher Spannung. Nachdem der Teppich fertig gewebt ist, wird er aus dem Webstuhl rausgeschnitten. Er zieht sich danach zusammen. Es dauert ungefähr 24 Stunden, bis er seine endgültige Größe erreicht hat. So müssen wir im Vorhinein immer einschätzen, wie viel das Material eingeht und wie breit und lang man den Teppich eigentlich weben muss, damit er am Ende die richtigen Maße hat“, erklärt er.
Während des Webens müssten sie ganz konzentriert sein, um keine Fehler zu machen. Passiere dann doch mal ein Fehler, sei ein Schritt zurück kein Problem. Ein Problem bestünde dann, wenn es erst nach einen halben Meter oder im schlimmsten Fall erst dann bemerkt würde, wenn der Teppich am Boden liegt. „Verändern kann man dann nichts mehr. Man kann eigentlich nur mehr auftrennen. Oder eben zu Hausschuhen verarbeiten“, so Weiss.
Ob es deshalb die vielen Hausschuhe im Sortiment gäbe, möchte ich wissen und werde beschwichtigt: „Mit den Hausschuhen haben wir begonnen, als wir anfingen, auch runde und ovale Teppiche zu erzeugen. Die Teile, die ausgeschnitten werden, also die Reste, wollten wir nicht entsorgen, so haben wir Hausschuhe daraus gemacht“, gibt er Aufschluss.
Fusion aus Tradition und Moderne
Als Unternehmen Wert auf Tradition zu legen sei Maximilian Weiss wichtig, „weil früher nicht alles schlecht war. Es wäre sehr schade, wenn altes Handwerk verloren ginge.“ Dies merke er auch anhand der Reaktionen seiner Kunden. Diese würden ihre Dankbarkeit, dass es das Unternehmen noch gebe, regelmäßig äußern. „Auch ich bin dankbar dafür, dass ich unser Unternehmen für eine gewisse Zeit weiterführen darf. Schauen wir mal, ob es nach mir noch weitergeht“, sagt er nachdenklich.
Um als Traditionsunternehmen am Ball der Zeit zu bleiben, lasse man sich von der Mode und der Natur inspirieren und beobachte stets, was sich in Sachen Einrichtungen verändere. Anhand der Farben, Materialien und Webmuster passe man sich dem Zeitgeist an, erfahre ich.
„Wir probieren immer wieder neue Sachen aus, kombinieren verschiedene Materialien. Letztens haben wir einen schönen Teppich aus naturfarbener Jute mit einer dunkelbraunen Wolle fusioniert.“ In einem anderen Projekt verwebte das Unternehmen Weidenholz und schuf daraus einen Raumtrenner. Das sei zwar nicht das Alltagsgeschäft, oft brächten aber die Kunden selbst ausgefallene Ideen mit oder kämen mit Spezialwünschen.
„Grundsätzlich sind wir mit unserem Betrieb auf dem richtigen Weg, was die Nachhaltigkeit anbelangt. Wo jetzt jeder hinwill, dort sind wir nie weggekommen. Wir achten genau darauf, dass wir unsere Wolle so regional wie möglich beziehen“, erklärt Weiss.
„Jede Generation hatte ihre ganz eigenen Herausforderungen“
Mit welchen Hürden der Familienbetrieb in Zeiten wie diesen zu kämpfen habe, möchte ich wissen. „Man muss auf sich aufmerksam machen, damit die Leute wissen, dass es einen gibt“, offenbart Weiss. „Wir haben nicht das größte Werbebudget, damit wir kurz vorm Hauptabendprogramm eine Werbung schalten. So müssen wir schauen, dass wir in Erinnerung bleiben oder entdeckt werden.“
Mit der Werbung in den Sozialen Medien gingen sie ein wenig nachlässig um, dafür wurde aber ein neuer Webshop gestartet. „Der wird sehr gut angenommen.“
Seit 1843 habe jede Generation ihre ganz eigenen Herausforderungen und Hürden gehabt, plaudert Weiss aus dem Nähkästchen. „Die Zeiten waren früher schon mal schlechter für uns. In den 90ern war die Wertschätzung fürs Handwerk nicht so da. Damals war es für die Leute eher wichtig, dass das Produkt möglichst günstig ist. Woher es kommt, spielte da keine so große Rolle.“
Die Phase sei zum Glück vorbei. „Die Leute, die zu uns kommen, interessieren sich sehr wohl dafür, woher die Wolle stammt und wo das Produkt entsteht. Viele sind überrascht, dass unsere Werkstatt direkt im nächsten Stockwerk ist.“
Große Einrichtungshäuser seien keine direkte Konkurrenz, „weil sie etwas völlig anderes machen“. Die Leute würden wieder vermehrt auf Qualität achten, so Weiss. „Wenn der Teppich lange hält, wird das Ganze auch nachhaltig.“
Pandemie? Kein Problem!
Die Zeit der Pandemie habe der Familienbetrieb dank einiger Vorkehrungen sehr gut überstanden. Das Wegbleiben der typischen Salzburger Touristen habe sich insofern nicht negativ auf das Geschäft ausgewirkt, da das schlicht nicht ihre Klientel sei. „Wir haben gute Kunden aus Deutschland und Italien. Zum Glück hatten wir damals schon unseren Onlineshop fertig. Wir haben ‚Click & Collect‘ angeboten und haben kostenlos in der Stadt Salzburg ausgeliefert“, gibt Weiss Auskunft.
Beim ersten Lockdown hätten sie Kurzarbeit angemeldet, „weil wir nicht wussten, was passieren wird“. Während der anderen Lockdowns wurde dann aber wieder ganz normal durchgearbeitet.
Der Reiz des Ungewissen
Maximilian Weiss schätzt an seiner Arbeit am allermeisten die Mischung zwischen dem Handwerklichen und dem Umgang mit den unterschiedlichsten Menschen. „In der Umsetzung dessen, was sich der Kunde vorstellt, liegt für mich die größte Herausforderung, aber genau das macht den Reiz für mich aus.“
Es kämen Kunden zu ihm, die eine ganz genaue Vorstellung hätten – und manche sogar mit gar keiner Vorstellung vom Endprodukt. Damit der Kunde am Ende glücklich das Geschäft verlasse, müsse Weiss seinen Mitarbeiterinnen, die den Teppich schließlich anfertigen, es so vermitteln können, damit letztlich auch wirklich das richtige Produkt entstünde. „Das ist insofern nicht immer einfach, weil wir keinen Konfigurator haben, wie etwa bei einer Bestellung einer Küche. Dort weiß man im Vorfeld schon genau, wie die Küche aussehen wird. Beim Teppich ist das nicht immer der Fall. Dieses Ungewisse macht mir einfach Spaß.“
Stolz ist er auf den Betrieb und „auf die Menschen, die in der Vergangenheit und auch jetzt so fleißig arbeiten, sodass wir seit 180 Jahren noch immer bestehen.“
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