Gemalter Glaube: Himmel auf Erden
Seit Jahrhunderten leuchtet seine goldene Aura und doch scheint es, als hätten zwei Engel erst vor Momenten einen prachtvollen, seidenen Vorhang zur Seite gehoben, um so den Blick auf diese wundersame Begegnung von Himmel und Erde freizugeben.
Paradiesische Szenerie
Über allem und jenseits aller Grenzen sieht Gottvater ernst und freundlich auf die paradiesische Szenerie. Mit erhobenen, offenen Händen sendet er den Heiligen Geist als kleine, weiße Taube wie einen liebenden Gedanken herab.
Der Blick der Madonna in der Rosenlaube ist mild und nach innen gewandt. Auf kein konkretes Ziel gerichtet, ist es der Blick einer von stiller Freude erfüllten Hörenden. Zärtlich halten ihre kleinen, feinen Hände den Sohn. Ihr Schoß und der prächtige Faltenwurf ihres Gewandes sind zu seinem Thron geworden. Erst durch ihr Ja zum Heilsplan Gottes kam der göttliche König als kleines Kind in sein Eigentum und blickt nun ruhig und ernst in die Welt, deren langersehnte Hoffnung er ist.
Die Frucht in seiner Kinderhand lässt den Reichsapfel, die Insigne königlicher Macht, erahnen. In unvergleichlichem Lapislazuliblau, aus gemahlenem Edelstein gewonnen, fließt der Stoff des mütterlichen Gewandes und königlichen Throns wie lebendiges Wasser zur in sattem Grün sprießenden Erde.
Engelsmusik und Flügelschlagen
Voll Freude über die Geburt des göttlichen Kindes sind himmlische Wesen auf die Erde gekommen, um ihrem König zu dienen und seine Mutter zu ehren. In kindlichem Eifer pflücken sie Rosen, würden so gern weitere Früchte reichen, verharren in andächtigem Gebet oder musizieren auf Instrumenten, deren zarte, sphärische Klänge man fast zu hören glaubt, begleitet nur vom leisen, luftig flatternden Schlagen ihrer Flügel.
Sie sind ganz und gar in ihr Tun versunken, nur ein Engel blickt dem andächtigen Betrachter des Tafelbilds mit zartem Lächeln um Augen und Mund entgegen. Treffen sich die Blicke über Zeit und Raum hinweg, erkennen die Betrachter, dass sie ein Teil des frohen Kreises um Mutter und Sohn sind.
Im Dienst der Frohen Botschaft
Über ein halbes Jahrtausend lang erzählt das Gemälde schon von Zuneigung, Demut, Schönheit und Ehrerbietung. Alles in ihm stellt sich in den Dienst der Frohen Botschaft.
Die mit Perlen und Edelsteinen geschmückte Krone trägt die Madonna mit Bescheidenheit und Demut, die goldene Brosche auf ihrer Brust, stellt in feinem Relief eine Allegorie der Liebe zwischen Mutter und Sohn dar. Jede Lilie und Rose, die das Spalier der Gartenlaube schmückt, ist ein Symbol von liebender Opferbereitschaft und Reinheit. Sogar der Mond macht sich dienstbar und umgibt als ein in Gold eingravierter, kreisrunder Mondkalender das Haupt der Madonna.
Keines seiner Werke hat Stefan Lochner signiert – auch dieses wunderbare Kleinod nicht. Als Künstler trat er ganz hinter seine Aufgabe, Bilder der Verehrung und des Glaubens zu schaffen, zurück. So sehr, dass sein Name über die Jahrhunderte in Vergessenheit geriet.
Wenige Lebensdaten
Bei Meersburg am Bodensee um das Jahr 1400 geboren, kam er möglicherweise schon als junger Mann nach Köln und erlangte über die Jahre als Künstler und Vertreter der Malergilde im Rat der Stadt hohes Ansehen. Im Jahr 1451 stirbt er an der Pest, die ein halbes Jahr lang in der Stadt wütet.
Fast 70 Jahre später besucht Albrecht Dürer das reiche und kunstsinnige Köln und bleibt dort zwei Wochen lang. In seinen Reiseaufzeichnungen notiert er, er habe sich ein Gebäude aufschließen lassen, um ein meisterhaftes Werk betrachten zu können. Einige „weißpfennigen“ habe er gegeben, um eine „taffel“ zu sehen „die maister Steffan zu Cöln gemacht hat.“
Überraschende Wiederentdeckung
Weitere 300 Jahre später, im Jahr 1822, weist die Schriftstellerin Johanna Schopenhauer, Mutter des Philosophen Arthur Schopenhauer, in einer kunstgeschichtlichen Abhandlung auf diese kleine unscheinbare Textstelle hin und setzt damit die Suche nach dem geheimnisvollen mittelalterlichen Werk und dessen unbekannten Schöpfer in Gang.
Indizien weisen schon bald auf den „Altar der Stadtpatrone“, der für die Kölner Ratskapelle geschaffen worden war. Durch Recherchen in mittelalterlichen Dokumenten taucht nun der Name Stefan Lochner nach Jahrhunderten wieder auf. Werk und Maler fügen sich wie Puzzlestücke zu einem Ganzen. Was folgt, sind umfangreiche stilistische Vergleiche, die ein ganzes Œuvre um das Altarbild des „Meister Stefan“ wieder erscheinen lassen.
Mehr als zwei Dutzend Werke können dem begnadeten Künstler zugeschrieben werden. Alle zeugen von seinem immensen malerischen und kompositorischen Können, feinsinnigem Einfühlungsvermögen, tiefer Religiosität und großem Glaubenswissen.
Leuchtende Zeitlosigkeit
Auf vielen Ebenen lässt sich in seinen Werken immer Neues und Tiefgründiges entdecken – ein untrügliches Zeichen großer Kunst.
Wie die Rosenlaube der Madonna im Rosenhag als Andeutung eines Paradiesgärtleins auf die Jungfräulichkeit Mariens anspielt, so erinnert sie auch an das durch Adam und Eva verlorene Paradies, das durch das göttliche Kind für alle Menschen guten Willens wiedergewonnen werden wird.
In der Schönheit der Kunst Stefan Lochners leuchtet uns diese Hoffnung auch in unserer Zeit wundersam entgegen.
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