Friedrich Smetana – Musik aus dem Innersten
Am 2. März 1824 wird das achte Kind des Ehepaars Smetana im ostböhmischen Städtchen Leitomischl, dem heutigen Litomyšl geboren. Der Junge wird auf den Namen Friedrich getauft.
In der Familie wird ganz selbstverständlich Deutsch gesprochen. Vater Frantisek ist erfolgreicher Bierbrauer im Dienst altböhmischer Adelshäuser und musiziert in seiner freien Zeit mit Begeisterung in einem Streichquartett.
Leidenschaftliche Begeisterung für die Musik
Im Haus Smetana erklingen also oft die Geigenklänge des übenden Vaters. Ein scheinbar nebensächlicher, doch prägender Umstand, der auf das jüngste Kind der Familie ganz besondere Wirkung entfaltet.
Bereits mit vier Jahren möchte Friedrich nichts lieber, als selbst das Geigenspiel zu erlernen. Bald kommt die Begeisterung für das Pianoforte hinzu. Seine Begabung ist erstaunlich, seine Freude an der Musik so groß, dass der Junge die Liebe zur Musik nur zu gern der Erfüllung schulischer Aufgaben vorzieht.
Ein Konzert von Franz Liszt in Prag steigert seinen Enthusiasmus fast ins Grenzenlose.
1840 wissen sich seine Eltern nicht mehr anders zu helfen, als den 16-Jährigen in die Obhut des Prämonstratenser-Kollegs in Pilsen zu schicken. Drei Schuljahre verbringt Smetana in der westböhmischen Stadt.
Auch hier verlässt ihn die Leidenschaft zur Musik nicht. Im Gegenteil. Er sucht auch in Pilsen den Kontakt zu Musikkreisen und lernt so im Jahr 1843 die drei Jahre jüngere Pianistin Kateřina Kolářová kennen.
Große Hoffnungen und kleine Schritte
Zuerst führt ihn sein Weg jedoch nach Prag. Zum Leidwesen des Vaters hat er sich nach Abschluss des Pilsener Gymnasiums für den Beruf des Musikers entschieden. Er folgte seiner Berufung.
Der Tagebucheintrag vom 23. Januar 1843 zeigt die Hoffnungen und den Elan des gerade 21-jährigen Pianisten und angehenden Komponisten, wenn er schreibt: „Mit Gottes Hilfe werde ich eines Tages der Liszt der Technik und der Mozart der Komposition sein.“
Doch wie soll er dieses Ziel in denkbar prekärer wirtschaftlicher Lage erreichen? Die Empfehlung des Direktors des Prager Musikkonservatoriums hilft in dieser schwierigen Situation. Friedrich Smetana wird Privatmusiklehrer der Grafenfamilie Thun und kann so Lebensunterhalt und Studien in Prag finanzieren.
Die Mutter Kateřina Kolářovás wiederum stellt Smetana dem blinden Pianisten und Komponisten Josef Proksch vor, der 1830 in Prag eine bedeutende Musikbildungsanstalt eröffnet hatte und mit innovativen Unterrichtsmethoden die Musikpädagogik der Habsburger Monarchie entscheidend prägt. Proksch nimmt Friedrich Smetana als besonders begabten Klavier- und Kompositionsschüler an.
Franz Liszt, der Förderer
Lernend, unterrichtend, komponierend und konzertierend lässt Smetana auch weiterhin nichts unversucht, um in der Musikwelt Fuß zu fassen. 1847 präsentiert er dem berühmten Pianisten- und Komponistenehepaar Clara und Robert Schumann, die in Prag Station machen, seine Sonate in g-Moll – ohne große Resonanz.
Eine Konzertreise nach Böhmen wird zum finanziellen Misserfolg. Erst ein Brief Smetanas an das Idol seiner Jugend, an Franz Liszt, bringt im Jahr 1848 einen ersten Lichtblick.
Liszt freut sich über Smetanas Bitte, ihm sechs Klavierstücke widmen zu dürfen, und empfiehlt einem bedeutenden Musikverleger die Werke des jungen Komponisten zur Veröffentlichung.
Patriotismus und revolutionäre Zeiten
Fast zeitgleich nehmen die revolutionären Ereignisse im Prag des Jahres 1848 ihren Lauf. Friedrich Smetana ergreift politisch und musikalisch Partei für die tschechische Unabhängigkeitsbewegung, die eine Loslösung von der Habsburgischen Monarchie anstrebt.
Kompositionen wie die Jubel-Ouvertüre entstehen und auch im Alltag wendet sich der eigentlich deutschsprachige Komponist immer stärker der tschechischen Sprache und Kultur zu. Seinen Vornamen ändert er von Friedrich zum tschechischen Bedřich.
Liebe und Leid
Die Eröffnung einer eigenen Prager Musikschule bringt bescheidene Einnahmen und macht 1849 die langersehnte Heirat mit Kateřina Kolářová möglich. In den kommenden Jahren erblicken vier Töchter das Licht der Welt, drei kleine Mädchen versterben jedoch schon im frühen Kindesalter.
Vielleicht ist es auch die leise Hoffnung Smetanas, Trauer und Leid ein wenig entfliehen zu können, die ihn dazu bewegen, eine Einladung für sich und seine kleine Familie nach Schweden anzunehmen. In Göteborg gibt er Konzerte, leitet Chöre und die Philharmonische Gesellschaft. Er bleibt für mehrere Jahre.
Mit Franz Liszt ist inzwischen ein reger, freundschaftlicher Briefwechsel entstanden. Ihm beschreibt Smetana offen und ehrlich seine Situation und Gefühlsverfassung in der Fremde: „In künstlerischer Hinsicht bin ich völlig vereinsamt, nicht nur wegen des gänzlichen Mangels jedweden musikalischen Lebens, sondern auch bezüglich meiner künstlerischen Ansichten …“
1859 muss Friedrich Smetana mit dem frühen Tod seiner Frau einen weiteren schweren Schicksalsschlag verkraften. Zwei Jahre später kehrt er endgültig nach Prag zurück. Er heiratet erneut und wird wieder Vater. Intensiver als je zuvor stellt er nun sich und seine Kunst in den Dienst der tschechisch-patriotischen Bewegung.
Kein Prophet im eigenen Land
Doch auch in Prag findet er nicht das Interesse an seiner Arbeit, nach dem er sich so sehnt. Anfang des Jahres 1862 schreibt er: „Am Samstag fand mein Konzert im großen Sofiensaal statt. Hu! Wie leer es war, wie kalt! Draußen fiel der Schnee in dicken Flocken und verwischte bald die Spuren der wenigen Leutchen, die doch zu meinem Konzert kamen, weil sie Freikarten hatten. Nun ja, im eigenen Land ist niemand ein Prophet. Ich dachte, daß sie wenigstens aus Neugier einen Landsmann hören wollen, der nach 6 Jahren im Ausland wieder in die Heimat zurückgekehrt ist. Nicht einmal das! – Ich mußte 280 Gulden an Auslagen zahlen.“
Trotz dieser Enttäuschungen verliert er nicht den Mut und stürzt sich nur noch mehr in Musik und patriotisches Engagement. Er dirigiert die tschechischen philharmonischen Konzerte, leitet patriotische Chöre, wird zum Vorsitzenden der Musikabteilung des tschechischen Künstlervereins und setzt sich unermüdlich für den Bau des Prager Nationaltheaters ein, das durch Spenden und dem Erlös aus Lotterien Realität werden soll.
Durchbruch und rauschende Erfolge
Große Hoffnung setzt Smetana in den ehrgeizigen Wettbewerb, den Graf Johann Nepomuk Harrach für eine Oper in tschechischer Sprache auslobt. Smetana stürzt sich in die Arbeit an „Die Brandenburger in Böhmen“ – und gewinnt. Seine allererste Oper wird zum rauschenden Erfolg.
Übertroffen wird dieser jedoch von Smetanas zweitem Singspiel, das nur wenige Monate später, im Jahr 1866, uraufgeführt wird: „Die verkaufte Braut“. Smetanas endgültiger Durchbruch. Scherzhaft sprechen Zeitgenossen von der „ausverkauften“ Braut, denn für die Vorstellungen der überaus beliebten Oper sind kaum Karten zu ergattern.
Oper um Oper, Ehrungen und Berufungen folgen. Mit dem Erfolg wird aber auch immer öfter Kritik an Smetanas Kompositionen laut. Sein Werk stehe dem Wagners zu nahe.
„Ich ahme keine berühmten Komponisten nach, ich verneige mich nur in Bewunderung vor den Großen und nehme dankbar alles entgegen, was ich in der Kunst für gut und schön erachte, und vor allem für wahr. […] Ich bin zur Genüge mit dem Smetanismus beschäftigt, und dieser Stil genügt mir, wenn er nur ehrlich ist“, schreibt Smetana 1882 nieder – und lebt zu diesem Zeitpunkt bereits seit acht Jahren in völliger Taubheit.
Tragische Wende
Seit 1874 hat sie ihn zum Rückzug aus allen Ämtern und Engagements gezwungen. Schon sie allein bedeutet großes seelisches Leid, ist jedoch auch noch von grauenhaften Misstönen begleitet: „Die größte Qual“, so schreibt Smetana, „bereitet mir das fast ununterbrochene Getöse im Inneren, das mir im Kopf braust und sich bisweilen zu einem stürmischen Gerassel steigert.“
Und doch werden die letzten zehn Lebensjahre zu Smetanas produktivstem Lebensjahrzehnt. Er zieht zu einer seiner Töchter aufs Land und kämpft gegen das innere Chaos an. Die Musik siegt ein ums andere Mal.
Musik als einziger Trost
Unter anderem entsteht sein wohl berühmtestes Werk: „Mein Vaterland“, „Má vlast“, ein Zyklus aus sechs symphonischen Gedichten.
Es grenzt an ein Wunder, dass der vom Schicksal heimgesuchte Komponist allen Widrigkeiten zum Trotz ergreifend schöne Melodien wie die der „Moldau“ in ihrer Zartheit und Wucht niederzuschreiben vermochte.
Franz Liszt, der treue Freund spricht dem Geprüften Trost und Mut zu, wenn er schreibt: “Welch grausames Geschick immer Sie getroffen haben mag, Sie können die innere Befriedigung haben, dass Sie in der Kunst etwas Ausgezeichnetes und für Böhmen Ehrenvolles geleistet haben. Der Name Bedřich Smetana ist in seiner Heimat dauernd gefestigt. Das verbürgen Ihre Werke.“
Nachdem sich sein Zustand rapide verschlechtert hat, stirbt Bedřich Smetana am 12. Mai 1884 in einer Nervenheilanstalt in Prag. Jedes Jahr erklingt nun „die Moldau“ zu Beginn des Prager Musikfestivals, das am Todestag Smetanas beginnt.
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