Filmfestival in Toronto

Überaschungsgewinner waren die Komödie „Juno“ und der serbische Film „The Trap“
Titelbild
Schauspieler und Drehbuchautor der Komödie „Juno“ bei der Filmpremiere in Toronto. (Foto: Philip Cheung/Getty Images)
Von 26. September 2007

Über 1.000 freiwillige Helfer arbeiteten auch in diesem Jahr wieder unermüdlich in den Organisationsbüros für die Veranstalter der Toronto-Film-Festivals, um weiterhin den Ruf, eines der freundlichsten Festivals der Welt zu sein, gewährleisten zu können. Neben purem Entertainment gab es wiederum viele Filme mit wertvollem erzieherischem Hintergrund. Der Fokus in der kanadischen Metropole lag neben zahlreichen Beiträgen, die sich mit den Folgen von Immigration und Globalisierung sowie dem Krisenherd Afrika beschäftigen, vor allem auf dem Spiegelbild eines zutiefst verunsicherten Amerika.

Im Gegensatz zu Hollywood, Venedig oder Cannes geht es in Toronto traditionsgemäß ganz bewusst nicht um die zugegeben interessanten Nebenerscheinungen des Filmgeschäftes wie diverse Skandale und Glamour. Hier steht der Film, also das Geschichteerzählen, der ältesten menschlichen Kulturform überhaupt, im Vordergrund.

Die 32. Auflage des im Jahr 1972 gegründeten Festivals umfasste in diesem Jaht 349 Filme aus 55 Nationen. Obwohl die Stadt am Ontariosee keinerlei Wettbewerbstrophäen wie Oskars, Palmen oder sonst was verleiht, schicken sämtliche Filmstudios dieser Welt, inklusive Hollywood, ihre Beiträge zum Festival. Denn, wer hier gezeigt wird, und womöglich auch gute Kritiken einheimst, gilt dann bereits als heißer Oskar- oder Academy-Awards-Kandidat in der kommenden Filmpreis-Saison.

Publikumslieblinge und Kritikverlierer

Einer der Überraschungshits war in diesem Jahr die pfiffige Komödie „Juno“, eine Teenager-Schwangerschaft mit Ellen Page („X-Men: Hard Candy“), Michael Cera („Superbad“) und Jennifer Garner sowie Jason Bateman. Der Film handelt von den Turbulenzen, die eine ungewollte Schwangerschaft einer Sechzehnjährigen mit sich bringt. Die Epoch Times-Reporterin Lidia Louk traf die Drehbuchautorin Diablo Cody in Toronto. Mrs. Cody erklärte, dass Amerika unbedingt jetzt eine schwarze Komödie benötige, die dieses heiße Thema behandle. Es ginge dabei nicht darum, einen Bösewicht herauszuarbeiten, sondern darzustellen, wie die involvierten Personen, insbesondere die Eltern und die Großeltern, in solchen Situationen reagieren würden.

Ein weiteres Filmglanzlicht des Toronto-Festivals, das auch schon in Berlin brillierte, war der serbische Film Noir Klopka oder The Trap, wie er in den englischsprachigen Ländern genannt wird, von Regisseur Srdjan Golubovic. Der Film handelt von der tragischen Situation, in der ein gewöhnlicher Mann über Leben und Tod seiner eigenen Kindes entscheiden muss.

„Oft muss man einfach das geringere Übel auswählen“

Der Regisseur führte dazu aus, dass im Nachkriegsserbien heute tatsächlich noch die Leute sehr oft nicht zwischen einer guten oder einer schlechten Entscheidung wählen können. „Oft muss man einfach das geringere Übel auswählen“, sagte Srdjan Golubovic und führte weiter aus: „Wir Serben sind nicht ausschließlich böse Menschen. Aber vergleichsweise mit anderen Ländern haben die Durchschnittsserben mehr Dreck am Stecken. Vielen von uns geht es jetzt um eine Katharsis und Reinwaschung. Davon handelt dieser Film. Ich finde das sehr spannend!“

Der sonst als Schauspieler bekannte Sean Penn verblüffte diesmal als Regisseur das Publikum mit seinem Road Trip Film Into the Wild. Es handelt sich um die raffinierte Verfilmung einer wahren Geschichte. Der junge Christopher McCandless, vom Leben wegen der miserablen Ehe seiner Eltern desillusioniert, beschließt als Vierundzwanzigjähriger, nach dem College sein gesamtes Hab und Gut zu verbrennen, um anschließend nach Alaska auszuwandern. Allein auf seinen Mut gestellt und mit dem Idealismus, den er aus den Büchern von Jack London, Byron und Thoreau gewonnen hat, irrt er durch Nordamerika um seinen Eltern zu beweisen, dass er andere Werte vertritt. Der Zuschauer, der sich mit dem Wunsch des Protagonisten nach Freiheit identifiziert, wird umso mehr irritiert von der selbstzerstörerischen Weise des belesenen Knaben, dem eine Reihe von verheerenden Missentscheidungen zum fatalen Verhängnis werden. Mehr als zehn Jahre vergingen seit der Publikation des authentischen Buches und dem Beginn der Dreharbeiten des Filmes, dessen Drehbuch der Regisseur geschrieben hat. Sean Penn erläuterte : „Die Wunden der dramatischen Geschichte sitzen für die Familie McCandless noch sehr tief also dauerte es, bis sie uns die Erlaubnis erteilte.“

Fragen globaleren Ausmaßes widmet sich der deutsche Filmbeitrag Am Ende kommen Touristen. Der Zivildienstleistende Sven kommt unfreiwilligerweise nach Auschwitz, wo er sich um den eigenwilligen KZ-Überlebenden Krzeminski kümmern soll. Epoch Times-Reporterin Lidia Louk traf den Berliner Regisseur Robert Thalheim in Toronto: „Für mich war es eine persönliche Geschichte, weil ich selber meinen Zivildienst in Auschwitz abgeleistet habe. Bis heute leidet die Deutsch-Polnische Beziehung unter der Last unserer gemeinsamen Vergangenheit. Kürzlich meinte die polnische Regierung, nachdem sie im europäischen Parlament überstimmt wurde, dass dies nicht passiert wäre, wenn Deutschland im 2. Weltkrieg nicht sechs Millionen Polen umgebracht hätte. Hier ist noch viel auf- und nachzuholen.“

Durchgefallen bei den Kritikern ist hingegen der Anti-Terrorkampf-Schocker Rendition mit Reese Witherspoon und Jake Gyllenhaal. Der aus Südafrika stammende Regisseur Gavin Hood sprach mit unserer Epoch Times-Reporterin Lidia Louk: „Die Dreharbeiten waren ein besonderes Erlebnis. Wir fuhren dafür sogar bis nach Marokko.“ Inhaltlich geht es bei Rendition um den aus Südafrika stammenden Ingenieur Anwar El-Ibrahim. Es kommt wie es kommen muss, die CIA hält ihn irrtümlich für einen Terroristen und entführt ihn. Zuhause sucht verzweifelt seine schwangere amerikanische Ehefrau Isabella nach ihm, während er gefoltert wird. Die Kritiker bemängeln einhellig, dass der Film zu klischeebehaftet sei. Auch in diesem Jahr konnten wir uns, dank des Toronto-Festivals, wieder davon überzeugen, dass die internationale Filmindustrie im vergangenen Jahr nicht geschlafen hat.

Sprungbrettcharakter des Festivals

Das Angebot war äußerst bunt und vielseitig. Ob hier ein Film in die Geschichte eingeht oder zumindest auf die Oskartribüne gehievt werden wird, bleibt abzuwarten. Die Chancen stehen jedenfalls
nicht schlecht.



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