„Konklave“: Möglicherweise der beste Film des Jahres 2024
Nach „Heart of a Servant: The Father Flanagan Story“ – der Dokumentation über einen der vorbildlichsten katholischen Priester, der je gelebt hat – kommt nun „Konklave“, ein Drama-Thriller über die Parteipolitik, die Machtspiele und die perfiden Tricks bei der Wahl eines neuen Papstes in die Kinos.
Der Film basiert auf dem Buch „Conclave“ von Robert Harris aus dem Jahr 2016 (deutsch seit 2024) und ist großartiges Schauspiel, getragen von der meisterhaften und zugleich unaufdringlichen Darstellung des begnadeten Ralph Fiennes.
Es ist ein Stück präziser Filmkunst, das trotz des düsteren und feierlich-kirchlichen Rahmens so fesselnd ist wie ein Krimi oder ein Verschwörungsthriller.
Der Papst ist tot
Kardinäle aus aller Welt kommen in Scharen nach Rom und krempeln bildlich gesprochen die Ärmel hoch für das päpstliche Konklave – der historischen Zeremonie mit Beratungen und Abstimmungen zur Wahl des neuen Papstes. Die rot gekleideten Würdenträger sind so lange eingeschlossen, bis einer von ihnen zwei Drittel der Stimmen erhält – genug, um zum Papst gewählt zu werden.
Es ist eines der ältesten Wahlverfahren der Welt und entsprechend geheimnisvoll. Die Türen und Fenster eines abgelegenen Flügels des Vatikans sind verriegelt und verrammelt. Jeder Kardinal hat sein privates Zimmer in einem langen unterirdischen Marmorflur.
Heutzutage sind die Räume mit elektronischen Schlössern ausgestattet. Wie die Kamera anmerkt (und darauf hinweist), kann man sich nicht einmal hier, im sogenannten Heiligen Stuhl, wo die Hochwürdigsten und Allerfrommsten die zukünftige Richtung der römisch-katholischen Kirche bestimmen, gegenseitig vertrauen. Selbst hier muss es eine gewisse Kontrolle geben, um eine faire Wahl zu gewährleisten.
Diese Männer sind keine Heiligen. Die Kardinäle sind Möchtegernheilige, die durch und durch menschlich sind: fehlerhaft, von falscher Frömmigkeit, ehrgeizig, berechnend und letztlich anfällig für den korrumpierenden Einfluss der Macht.
Wenn es eine Position auf der Welt gibt, der man mit ihrem unerbittlichen moralischen Sog und ihrer berauschenden, euphorisierenden Versuchung, die sie mit sich bringt, zum Opfer fällt, dann diese. Gemäß dem alten Sprichwort „Absolute Macht korrumpiert absolut“, oder wie es in einem aktuellen Popsong sinngemäß heißt: Du kannst die Nebenwirkung sein; ich wäre lieber der Stoff. Du kannst der Präsident sein; ich wäre lieber der Papst. („You can be the side-effect; I‘d rather be the dope. You can be the president; I’d rather be the pope.“)
Hier in der heiligen Sixtinischen Kapelle, umgeben vom genialen Geist Michelangelos, mit der himmlischen Polyphonie Palestrinas und einer Vielzahl prächtiger, changierender karmesin- und weinrotfarbener Gewänder, beginnt der Film „Konklave“ von Regisseur Edward Berger (nach dem adaptierten Drehbuch von Peter Straughan).
Die Kardinäle setzen ihre Zucchettos (Scheitelkäppchen) auf, glätten ihre Soutanen, ziehen ihre Zingula (Gürtel) fest und bereiten sich auf die fromme Debatte vor. Es steht viel auf dem Spiel.
Schwer vorstellbar, dass die Veröffentlichung von „Conclave“ durch Focus Features in den USA so kurz vor dem Wahltag nicht strategisch motiviert war.
Die päpstlichen Akteure
Kardinal Dean Lawrence (Fiennes) war ein enger Freund des verstorbenen Papstes. Doch sein Glaube hat in letzter Zeit nachgelassen. Er war bereit, alles hinzuschmeißen und einen weniger exponierten Posten zu übernehmen, aber der Heilige Vater ließ es nicht zu.
Lawrence verfügt über starke Führungsqualitäten und ist für die Überwachung des administrativen Ablaufes des Konklaves verantwortlich. Er navigiert zwischen Latein, Griechisch, Italienisch, Spanisch und Englisch und sorgt dafür, dass alle historischen Verfahren mit ihren byzantinischen Feinheiten einwandfrei ausgeführt werden.
Die liberale Fraktion wird von Lawrences Verbündeten und Wunschkandidaten für den nächsten Papst vertreten: dem nach außen hin bescheidenen, nach innen aber äußerst ehrgeizigen Kardinal Bellini (Stanley Tucci). Er ist ein Modernist, der sich unter anderem wünscht, dass die Kirche fortschrittliche Ideale vertritt und Frauen in Führungspositionen der Kirche aufnimmt.
Kardinal Tremblay (John Lithgow) ist verdächtig fromm und zu selbstgerecht, um nicht ein paar Leichen im Keller zu haben. Und es stellt sich heraus, dass er nicht der Einzige ist.
Der sehr offene und sehr sympathische rechtsgerichtete italienische Kardinal Tedesco (Sergio Castellitto) glaubt, dass Tradition und Isolationismus der richtige Weg für die Kirche sind. Er ist bereit, den Religionskrieg gegen die islamischen Fundamentalisten mit allen Mitteln zu führen, was seine Gegner als Auslöschung von 60 Jahren progressiver Standpunkte betrachten.
Der nigerianische Kardinal Adeyemi (Lucian Msamati) ist noch stärker in seiner Meinung verfestigt. Er ist grundsätzlich dafür, offene Homosexualität wieder zu dem Straftatbestand zu machen, der sie zu Beginn dieses Jahrhunderts war.
Er würde dafür sorgen, dass diese Bevölkerungsgruppe in diesem Leben ins Gefängnis und im nächsten in die Hölle kommt. Letztlich muss er sich in der 11. Stunde mit der Ankunft einer mysteriösen Nonne – die von einem anderen Kardinal arrangiert wurde – in einer Szene auseinandersetzen, die an das Anita-Hill-/Clarence-Thomas-Debakel erinnert.
Schließlich gibt es noch Kardinal Benitez (Carlos Diehz), einen rätselhaften, aber bescheidenen Außenseiter – einen mexikanischen Menschenfreund, der heimlich in dem von religiösen Konflikten geprägten Kabul in Afghanistan gedient hat.
Er widersetzt sich Kardinal Tedescos Feuer und Schwefel und weist darauf hin, dass die wahren Feinde in den Heiligen Kriegen der Welt nur an einem einzigen Ort zu finden sind – im Herzen der Menschen. Diese Szene der hitzigen Debatte ist das wahre Herzstück des Films.
Lawrences Job
Kardinal Lawrence behält jeden im Auge, der zu offensichtlich Papst werden will, und versucht, seinen Einfluss über die erlaubten Gesprächsparameter hinaus auszudehnen. Das führt dazu, dass Lawrence mehrere Mitglieder untersuchen muss, die versucht haben könnten, die Wahl zu manipulieren. Dies macht den Film zu einer Art Krimi ohne Mörder.
Es gibt einen Monsignore O’Malley (Brian F. O’Byrne), der hin und wieder mit Berichten über verschiedene Kandidaten zu Lawrence kommt. Dies dient als literarisches Stilmittel, das bei Bedarf neue Handlungsstränge liefert. Jedes Mal, wenn Lawrence mit O’Malley spricht, erhält er ein neues, entscheidendes Puzzleteil in Form von Skandalen und Vertuschungen.
Die Abstimmung beginnt; die liberalen und konservativen Fraktionen debattieren ihre umstrittenen Positionen in Bezug auf die Toleranz gegenüber anderen Religionen, Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehe, Scheidung und andere Themen.
Natürlich wird das öffentliche Bild der Kardinäle auch im Hinblick auf die Skandale um sexuellen Missbrauch, die die katholische Kirche in den vergangenen zwei Jahrzehnten unter den Teppich zu kehren versuchte, unter die Lupe genommen.
Humor
„Konklave“ zeichnet sich durch die köstliche Spannung zwischen dem streitlustigen Schauspiel der Kardinäle, durchsetzt mit tiefgründigen Betrachtungen über die Bedeutung des Glaubens und unerwarteten komödiantischen Elementen aus – und erinnert in dieser Hinsicht an ‚Schindlers Liste‘ aus dem Jahr 1993, in dem auch Ralph Fiennes ein glänzendes Filmdebüt als höllischer Nazi gab.
Der ironische und scharfsinnige Humor zeigt sich in den kleinen Momenten, in denen die Kardinäle in ihren traditionellen blutroten Gewändern (symbolisch für ihre Bereitschaft, für ihren Glauben zu sterben), mit moderner Technologie hantieren, wie zum Beispiel einer purpurroten iPhone-Hülle, die zu den Gewändern ihrer Besitzer passt, heimlich rauchen oder sich kleine Espressi mit der Keurig-Maschine zubereiten.
Mein Lieblingsbeispiel für eine komische Einlage ist die Geschichte eines Kardinals, der einen Kollegen vehement des Ehrgeizes beschuldigt. Er geht in sich und entdeckt, dass er seinen eigenen Ehrgeiz projiziert hat. Er kommt mit dem Hut in der Hand, um sich zu entschuldigen und sagt: „Es ist absolut lächerlich, so alt zu sein und immer noch nicht zu wissen, wer ich bin.“
Auch gefiel mir, wie Schildkröten, die Haustiere des vorherigen Papstes, hin und wieder von dem Brunnen auf der Piazza in die Kapelle wanderten.
Das sich zuspitzende Wahldrama und die wenigen Insiderinformationen werden zum Running Gag. Jede Episode bringt das moralische Kartenhaus des jeweiligen Kandidaten zum Einsturz, was zu einer eigenen kleinen Komödie der Irrungen wird.
Am Ende ein unerwarteter Schnellschuss
Der Film knistert vor Spannung, trotz der Ernsthaftigkeit und des langsamen Tempos. Er vergeht wie im Flug. Das ist gut so. Doch gerade als ich dachte, dass dies endlich ein großer Film ist, der keiner Agenda folgt, wirft „Konklave“ am Ende einen Ball, der so schnell über die Ziellinie pfeift, dass man nicht wahrhaben will, dass man hereingelegt wurde, weil der Rest des Films so großartig ist.
Um nicht zu viel zu verraten, möchte ich nur sagen, dass der einzige Kardinal, der in der Lage ist, den Gordischen Knoten der Spaltung im Kardinalskollegium zu durchtrennen, sein eigenes verborgenes – wenn auch unschuldiges – Geheimnis hat.
Seine Situation ist ohne Schuld, aber die Verwendung in diesem Zusammenhang ist alles andere als unschuldig.
Was mich am meisten ärgert, ist, dass es leicht mit dem zentralen – und in Wahrheit schönen – Gedanken in Verbindung gebracht werden kann, den Kardinal Lawrence zu Beginn an die versammelten Mitglieder des Konklaves richtet: Er ermahnt die Kardinäle, Gewissheit um jeden Preis zu vermeiden. Gewissheit in jeder Hinsicht sei grundsätzlich der Feind des Glaubens.
Sehen Sie sich „Konklave“ an und versuchen Sie, den Ball, der wie ein Schnellschuss daherkommt, zu erkennen. Es ist eigentlich eher ein Ball, der sich unkontrolliert bewegt. Beim Baseball würde man das einen Knuckleball nennen, weil er zu einer der hinterlistigeren und raffinierteren Würfe auf dieser speziellen Agenda zählt. Er ist kaum zu übersehen und es ist eine Schande. Aber „Konklave“ ist ein gutes Stück Filmkunst und lohnt sich auf jeden Fall.
„Konklave“ – Regisseur: Edward Berger, Darsteller: Ralph Fiennes, John Lithgow, Stanley Tucci, Isabella Rossellini, Lucian Msamati, Sergio Castellitto, Carlos Diehz, Brian F. O’Byrne
Altersfreigabe: FSK ab 6 Jahren, Laufzeit: 2 Stunden, Kinostart Deutschland: 21. November 2024, Bewertung: 4,5 von 5 Sternen
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „‚Conclave‘: Possibly 2024’s Best Dramatic Film“. (deutsche Bearbeitung so)
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