Erhard Dietls Olchis werden 30
Erhard Dietl sitzt in seinem Münchner Atelier. Die Wände zieren Zeichnungen von grünen Wesen – die Olchis, die mit ihren Geschichten seit Jahrzehnten Kinder zum Lesen und Eltern zum Schmunzeln bringen.
In diesem Monat feiern die von Dietl erfundenen Bewohner einer Müllkippe im Örtchen Schmuddelfing ihr 30. Jubiläum (das erste Buch erschien am 24. August 1990). Noch heute schreibt und bebildert der 67-Jährige Geschichten um die Olchis, die sich gern in Pfützen legen und mit ihren Hörhörnern alle Sprachen verstehen können.
„Die Olchis sind da“
Die Erfolgsgeschichte begann mit der Bleistiftzeichnung einer Müllfamilie. Dazu kam dann die erste Geschichte, das Buch „Die Olchis sind da“ erschien 1990. „Ich dachte, das ist doch ganz nett, wenn man so eine schräge Familie als Protagonisten hat“, sagt Dietl. Zur Olchifamilie gehören etwa der 985 Jahre alte Opa, die beiden 45-jährigen Kinder und das zwölfjährige Baby.
Mit der Zeit kamen weitere Bücher dazu, neue Figuren und Schauplätze. Schließlich wurde es eine ganze Serie. Es folgten Hörbücher, Theaterstücke mit Musik und diverse Merchandising-Produkte. Nach Angaben des Verlags sind bis heute fast sieben Millionen Olchibücher und -produkte verkauft worden. Zum runden Geburtstag gibt es neue Bücher, im nächsten Frühjahr kommt ein Olchifilm in die Kinos.
Olchis waschen sich nicht gern, sie pupsen und essen lieber Schuhsohlenschnitzel als Schokolade – Eigenschaften, die Kinder lustig finden, wie Dietl sagt. Vor allem sei es aber ihre unkonventionelle und gleichzeitig gemütliche Lebensart, die kleine Leser seit Jahrzehnten in den Bann ziehe: „Diese Mischung aus der Geborgenheit einer Großfamilie und dieser Freiheit und Abenteuerlust, das gefällt den Kindern.“
In der heutigen Zeit seien Kinder und Eltern oft gestresst. Die Olchis seien ein Gegenpol: „Olchis sind entspannt, das sind so lebensfrohe Figuren, richtige Lebenskünstler.“ Als neue, seltsame Bewohner in ihrer Heimat Schmuddelfing seien sie außerdem sinnbildlich für die Bekämpfung jeglicher Vorurteile. „Toleranz und Umgang mit Leuten, die ganz anders sind als man selber, das ist auch ein Thema bei den Olchis“, sagt Dietl. Dabei sei es ihm immer wichtig gewesen, die kleinen Leser nicht zu belehren: „Es ist ja kein Schulbuch, es soll unterhaltsame Kinderliteratur sein.“ Die vermittelten Werte fänden sich stets zwischen den Zeilen.
Dietl wuchs mit Geschichten von Wilhelm Busch auf
Ihn selbst faszinierten als Kind die Geschichten von Wilhelm Busch, erinnert sich der 67-Jährige: „Ich mochte immer kurze Texte in Verbindung mit Bildern.“ Als Schüler habe er seine Lehrer im Unterricht abgezeichnet, später dann erste Texte und Lieder geschrieben und eine Grafiker-Ausbildung gemacht. Zu den Illustrationen kamen die Veröffentlichungen eigener Texte. Heute arbeitet der Vater von drei Kindern, der über 100 Kinderbücher veröffentlicht hat, als freier Autor, Illustrator und Liedermacher.
Regelmäßig freue er sich über Zuschriften der Olchi-Fans: Darunter fänden sich selbsterfundene Rezepte, Bilder, Basteleien und Lieder. Besonders toll sei es, wenn an Schulen selbstgeschriebene Olchi-Theaterstücke aufgeführt würden. An manchen Schulen gebe es sogar ganze Thementage oder Ausflüge zu Lesungen.
Mit den frechen Olchis ist Dietl aber auch gelegentlich auf Gegenwind gestoßen. In den 90er Jahren habe es schon mal wütende Zuschriften gegeben, dass die Abenteuer der „anarchischen Müllbewohner“ als Kinderliteratur ungeeignet seien. „Die haben nur gehört, Olchis furzen, fluchen und stinken. Aber man sollte die Bücher lesen. Dann weiß man, dass da viel mehr drinsteckt.“
In Zeiten von Smartphones, Apps und Tablets kämpfe das Buch immer mehr um seine Stellung als Medium der Kinderunterhaltung, sagt Dietl – viele Kinder hätten heute zum Lesen keine Lust mehr. „Die Olchis müssen da helfen, die haben eine schwere Aufgabe. Wenn Eltern mir sagen, dass das Kind tatsächlich zum Lesen gebracht wurde durch ein Olchibuch – das ist doch ein kleiner Ritterschlag.“
Jetzt ist es leichter, „olchige“ Ideen zu haben
Leichte Entwarnung gibt Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels: „Trotz großer Medienkonkurrenz ist das Interesse von Kindern an Büchern ungebrochen – und nimmt derzeit sogar zu.“ 2019 sei der Umsatz von Kinder- und Jugendbüchern um 4,6 Prozent gestiegen, das Genre sei das zweitwichtigste auf dem Buchmarkt. Die strategische Leseförderung bei Kindern bleibe aber eine wichtige Herausforderung.
Warum Dietl seinen Job so mag? „Ich denke, man muss als Kinderbuchautor so ein Stück Kindheit noch in sich haben. Und das Schönste ist, dass ich von dem leben kann, was ich so gerne mache“, sagt Dietl. Dass er gleichzeitig schreiben und illustrieren könne, empfinde er als großes Glück. Und auch nach Jahrzehnten habe er noch immer „olchige“ Ideen. „Komischerweise fällt es mir leichter als vor 30 oder 20 Jahren, eine Geschichte zu den Olchis zu erfinden. Weil ich so in der Welt verhaftet bin inzwischen.“ (dpa)
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