Eine Geschichte voller Hoffnung: Tolkiens „Die Rückkehr des Königs“
Am 1. Juni fand mit einer Teilnahme von 1.200 Menschen der Deutsche Patientenkongress Depression 2024 in der Alten Oper Frankfurt statt. Das Kongressmotto dabei war „Gemeinsam statt einsam“.
Laut einer im Juni 2023 durchgeführten Eurobarometer-Umfrage erreichen die Depressionsraten in Europa Höchststände. 46 Prozent der EU-Bevölkerung erlebten in den letzten zwölf Monaten emotionale oder psychosoziale Probleme wie depressive Verstimmungen oder Ängste. Vielleicht liegen diese zunehmenden Zahlen auch daran, dass Menschen immer offener mit depressiven Gefühlen umgehen.
Und auch wenn bei Ihnen keine Depression diagnostiziert wurde, haben doch die meisten von uns irgendwann in ihrem Leben Hoffnungslosigkeit, Entmutigung oder sogar Verzweiflung erlebt. Manchmal scheint es, als würde uns alles entgleiten, die Bösen würden jede Schlacht gewinnen, die Herausforderungen in unserem Leben seien zu groß und die eigenen Bemühungen einfach nicht ausreichend.
Zusätzlich zu den Kreuzen, die wir alle in unserem täglichen Leben tragen, hagelt es in den Nachrichten eine endlose Lawine von Negativität: Berichte über Atomkrieg, Krankheiten, Unfälle, schwächelnde Volkswirtschaften und so weiter. Es ist leicht, von dieser Flut an Negativem in den Abgrund gerissen zu werden.
Entmutigung ist Teil der universellen menschlichen Erfahrung. Als solches ist sie ein passendes Thema für große Literatur. Dort spiegeln sich die Wahrheiten, die auf dem Webstuhl der Zeit entstanden sind.
Eine Geschichte der Hoffnung
J.R.R. Tolkiens „Die Rückkehr des Königs“ ist die letzte Geschichte der epischen Fantasy-Trilogie „Der Herr der Ringe“. Sie stellt sich der Dunkelheit direkt, kommt aber nicht zu einem düsteren Ende. Es ist eine Geschichte der Hoffnung – Hoffnung trotz aller gegenteiligen Beweise, Hoffnung trotz aller Widrigkeiten. In Momenten, in denen alles verloren scheint, kann man sich genau dieser Geschichte zuwenden.
Tolkien führt hier seine Figuren in den Mittelpunkt der Finsternis. Die beiden Hobbits Frodo und Sam sind auserwählt, die Essenz des Bösen, den Einen Ring zu zerstören. Dieser trägt die Macht in sich, die ganze Welt dem Dunklen Herrscher Sauron zu unterwerfen.
Um dies zu verhindern, müssen die beiden in Saurons eigenes Nachtreich Mordor reisen, den vulkanischen Schicksalsberg erklimmen und den Ring in die Flammen werfen – der einzige Ort, an dem er zerstört werden kann. Unterdessen müssen ihre Freunde, wie der rechtmäßige König von Gondor, Aragorn, einen aussichtslosen Kampf führen, um die Horden koboldähnlicher Orks des Dunklen Herrschers davon abzuhalten, die freien Länder zu überrennen.
In „Die Rückkehr des Königs“ betreten Frodo und Sam die öde, höllische, ascheverhangene Landschaft Mordors. Im dunklen Schatten dieses bösen Ortes werden die Tage kürzer. Die Kraft von Frodo, dem Ringträger, schwindet. Und er und Sam müssen versuchen, ein Tal voller Orks und schlimmerer Kreaturen zu durchqueren, um den Berg zu erreichen. An einem Punkt während der zermürbenden, hoffnungslosen Reise durch die Schattenlande blickt Sam zum Himmel auf und sieht etwas.
„Dort, als Sam zwischen den Wolken über einem dunklen Felsen hoch oben in den Bergen spähte, sah er einen weißen Stern eine Weile funkeln. Seine Schönheit traf ihn mitten ins Herz, als er aus dem verlassenen Land aufblickte, und die Hoffnung kehrte zu ihm zurück. Denn wie ein Pfeil, klar und kalt, durchbohrte ihn der Gedanke, dass der Schatten am Ende nur eine kleine und vergängliche Sache war: Es gab Licht und erhabene Schönheit, die für immer außerhalb seiner Reichweite lagen. Sein Lied im Turm war eher Trotz als Hoffnung gewesen; denn damals dachte er an sich selbst. Jetzt, für einen Moment, hörten sein eigenes Schicksal und sogar das seines Meisters auf, ihn zu beunruhigen. Er kroch zurück in die Dornen, legte sich neben Frodo und ließ alle Angst hinter sich, als er sich in einen tiefen, ungestörten Schlaf fallen ließ.“
Ein Teil des Paradoxons dieser schönen Passage – und vielleicht der Hoffnung selbst inhärent– ist eine Art Selbstvergessenheit. Als Sam erkennt, dass größere Kräfte am Werk sind und es eine unantastbare Schönheit gibt, findet er Frieden. Auch wenn er weiß, dass er diese vielleicht nie wieder sehen wird. Er vergisst sich selbst. Zu wissen, dass der Stern irgendwo am Himmel weiter brennt, ist genug.
Außerhalb von Mordor sind die Mächte des Guten den Mächten des Bösen zahlenmäßig weit unterlegen. Da die Zeit knapp wird, beschließen Aragorn und seine Gefährten, einen letzten Versuch zu unternehmen, um Frodo die Chance zu geben, den Ring zu zerstören.
Aragorn und seine Männer marschieren zum Schwarzen Tor von Mordor selbst. Sie sind nur eine kleine, angeschlagene Armee, die der vollen Macht von Saurons Truppen und seinem entfesselten Zorn gegenübersteht. Den größten Teil des Buches – den größten Teil der Trilogie – scheint die Situation ziemlich hoffnungslos. Das Unheil hängt schwer am Himmel und überschattet alles. Aber dies ist nicht das Ende.
Auf dem Höhepunkt des Romans, als alles verloren scheint, als Frodo am Rande des Feuers, das den Ring zerstören kann, seine Kräfte schließlich verlassen, als Aragorns Armee zerfällt, siegt die Hoffnung wie ein flackernder Stern. Es geschieht etwas, das niemand vorhersehen kann.
Der Ring wird trotz der Schwächen und Fehler der Charaktere zerstört. Das Reich des Bösen fällt. Die Tragödie verwandelt sich in eine Triumphgeschichte. Dieser Moment – den kein einzelner Mensch herbeiführen kann – wurde durch gemeinsame Beharrlichkeit erreicht. Durch das stetige, ruhige Fortbestehen der Hoffnung, die sich wie eine Blume durch das Unkraut schiebt.
Ein unveränderliches Gesetz
Tolkien nannte in seinem Essay „Über Märchen“ einen solchen Moment in der Literatur (und im Leben) eine „Eukatastrophe“, das heißt eine gute Katastrophe oder das Gegenteil einer Katastrophe:
„Der Trost von Märchen ist die Freude über das glückliche Ende oder genauer gesagt über die gute Katastrophe, die plötzliche freudige ‚Wende‘ (denn es gibt kein wahres Ende für Märchen). Diese Freude, die Märchen auf das Trefflichste erzeugen können, ist nicht im Wesentlichen ‚eskapistisch‘ oder ‚flüchtig‘. In ihrer Märchen- oder Jenseitsumgebung ist sie eine plötzliche und wundersame Gnade: Man kann nie damit rechnen, dass sie wiederkehrt. Sie leugnet nicht die Existenz von Dyskatastrophen, Kummer und Versagen. Die Möglichkeit dieser ist notwendig für die Freude der Erlösung. Sie leugnet (angesichts vieler Beweise, wenn Sie so wollen) die universelle endgültige Niederlage und ist insofern ein Evangelium, das einen flüchtigen Blick auf Freude gewährt, Freude jenseits der Mauern der Welt, ergreifend wie Trauer. […] Wenn in solchen Geschichten die plötzliche ‚Wende‘ kommt, bekommen wir einen durchdringenden Einblick in die Freude und den Herzenswunsch, der für einen kurzen Moment aus dem Rahmen fällt, tatsächlich das Netz der Geschichte selbst zerreißt und ein Leuchten durchschimmern lässt.“
Das Begreifen und die Erfahrung der Eukatastrophe sind für uns nicht nur nützlich. Ich behaupte, sie sind unverzichtbar. Das Leben lehrt uns genug über Katastrophen, aber wir brauchen Literatur, die uns etwas über Eukatastrophen lehrt. Denn solche Momente unerwarteter glücklicher Wendung sind normalerweise denjenigen vorbehalten, die durchhalten und auf den Triumph des Guten hoffen – ungeachtet gegenteiliger Beweise.
Ohne die Vision eines Sieges entgegen allen Widrigkeiten – wie es die Literatur bieten kann – neigen wir nur zu sehr dazu, uns geschlagen zu geben und uns von Schatten einhüllen zu lassen. Und für diejenigen, die dies tun, gibt es keine „plötzliche freudige Wendung“. Die Eukatastrophe von Tolkien ist im Allgemeinen nur durch unerschrockene Beharrlichkeit möglich, die auf einer Art Gewissheit in Bezug auf das mögliche Wunder beruht.
Geschichten wie diese, Geschichten von unerwarteter Hoffnung, von unerklärlichen Siegen, rühren mich häufiger zu Tränen als Geschichten von Niederlage und Trauer. Wie G.K. Chesterton schrieb:
Das einzig vollkommen Göttliche, der einzige Blick auf Gottes Paradies, der uns auf Erden gewährt wird, ist, einen aussichtslosen Kampf zu kämpfen – und ihn nicht zu verlieren.“
Die Literatur erlaubt uns einen kurzen Blick auf den Sieg in der Niederlage. Sie gibt uns Hoffnung und Mut, die dunkelste Stunde zu überwinden, und das kann uns tiefer berühren als jedes Leid.
Ich bin davon überzeugt, das unerwartete Happy End ist keine bloße tröstliche Illusion, sondern dass Literatur wie „Die Rückkehr des Königs“ ein unveränderliches Gesetz des Universums zum Ausdruck bringt – ein fundamentales, mystisches Gebot der Existenz, dass das Böse letzten Endes nicht siegen wird. Und deshalb berühren uns Geschichten wie die von Tolkien so sehr.
Irgendwo, weit außerhalb Ihres und meines Blickfeldes, leuchten die Sterne. Und sie werden immer weiter leuchten, ob Sie und ich sie jemals wiedersehen oder nicht und egal, wie sehr das Böse versucht, sie auszulöschen. Wir tappen im Dunkeln umher, aber jede Nacht weicht dem Morgen. „Letztendlich ist der Schatten eine […] vergängliche Sache.“
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(redaktionelle Bearbeitung so).
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