Ein Baumeister par excellence – gebaute Skulpturen von Fischer von Erlach
Vor 300 Jahren, im Jahr 1723, starb Johann Bernhard Fischer von Erlach, Barockbaumeister par excellence nach einem Leben voller Wissensdrang, Tatkraft, Ideen und Arbeit.
Nach seinem Tod führte sein Sohn Joseph Emanuel – wie sein Vater begnadeter Architekt und sehr früh von ihm gefördert – die noch unvollendeten Meisterwerke des Vaters zu Ende.
Über sechs Jahrzehnte zuvor war auch dessen großes Talent schon in Kindheit und Jugend erkannt worden. Als Sohn des Bildhauers Johann Baptist Fischer und seiner Frau Anna Maria, Witwe des Bildhauers Sebastian Erlacher, war Johann Bernhard am 20. Juli 1656 in Graz zur Welt gekommen.
Von Anfang an sind für den Jungen Handwerk und Kunst alltäglicher Bestandteil des Familienlebens. In der erfolgreichen väterlichen Skulpturenwerkstatt kommt er auf ganz selbstverständliche Weise mit Kunstfertigkeit, Materialwissen und gestalterischen Prinzipien in Berührung. Als Heranwachsender arbeitet er bald schon in der väterlichen Manufaktur mit.
Mit 14 Jahren: Allein nach Rom
Sein großes Geschick muss sich hier sehr deutlich gezeigt haben, denn schon im Alter von 14 Jahren lassen ihn seine Eltern in die Fremde ziehen, um ihm das Entdecken neuer Horizonte des Wissens und Könnens zu ermöglichen.
Eine wochenlange Reise voller Unwägbarkeiten führt ihn 1670 ins Zentrum des Katholizismus und der Kunst, nach Rom. Und zu einem österreichischen Landsmann, dem überaus vielseitigen und begnadeten Maler Johann Paul Schor, der für römische Adelsfamilien und den Vatikan arbeitet.
Er nimmt den jungen Johann Bernhard Fischer in seine römische Werkstatt auf und unter seine Fittiche. Er ist es auch, der Fischer mit dem genialen Maler und Architekten Gian Lorenzo Bernini, seinem einstigen Lehrmeister, bekannt macht.
Seit 1629 zeichnet Bernini für das wichtigste Bauwerk Roms und der katholischen Kirche verantwortlich – den Petersdom. Er plant und leitet die kunstvolle skulpturale und malerische Innenausstattung des nach 120 abenteuerlichen Planungs- und Baujahren nur wenige Jahre zuvor geweihten gigantischen Kirchenbaus.
Die Errichtung der berühmten Kolonnaden, die wie zwei ausgebreitete Arme die kraftvoll symbolträchtige Form des Petersplatzes definieren, hat Bernini gerade abgeschlossen und prägt so wie kein Zweiter der Epoche das Bild der Ewigen Stadt.
Inspiration und Erkenntnis in Hülle und Fülle
Als Johann Bernhard Fischer in Rom eintrifft, gibt es für den lern- und wissbegierigen jungen Bildhauer aus Österreich also Inspiration, Erkenntnisse, neue Perspektiven und Einblicke in Hülle und Fülle.
Sechzehn Jahre wird er in Italien bleiben, antike und zeitgenössische Bauwerke studieren, die Kunst des Stuckierens und Medaillierens erlernen und anwenden, Architekturmodelle anfertigen, vielfältige Kontakte zu Machern und Theoretikern knüpfen und sich über die Jahre immer mehr der Baukunst zuwenden.
Eine Abkehr von seiner bildhauerischen Begabung bedeutet dies jedoch keineswegs. Im Gegenteil. Fischer hebt sein Talent für das Denken und Gestalten in drei Dimensionen nun auf eine neue Stufe und wird zeitlebens Bauwerke und Räume imaginieren, planen und erschaffen, die durch ihre kraft- und schwungvolle Körperhaftigkeit faszinieren.
1686 kehrt Fischer, inzwischen 30 Jahre alt, nach Österreich zurück und übernimmt dort sofort erste Auftragsarbeiten. Nur drei Jahre später entwirft er für das habsburgische Kaiserhaus eine monumentale barocke Schlossanlage, die ihresgleichen sucht und die Pracht und Größe Versailles in den Schatten stellen soll.
Großes Wissen, unbändige Produktivität
So auf ihn aufmerksam geworden, wird er mit der Unterweisung des österreichischen Thronfolgers, des späteren Kaisers Joseph I., in der Theorie der Baukunst betraut. Der Bau des Schlosses Schönbrunn verzögert sich jedoch. Erst sieben lange Jahre später beginnen die Arbeiten nach den, aus finanziellen Gründen reduzierten, nach wie vor beeindruckenden Planungen Fischers.
Eine Zeitspanne, die der ideenreiche Architekt mit faszinierender kreativer Produktivität füllt. Allein von 1693 bis 1699 entwirft und realisiert Fischer fünf große Kirchenbauwerke im erzbischöflichen Salzburg und verändert so das Bild der Stadt an der Salzach mit seinen sakralen Bauskulpturen bis heute grundlegend.
Inzwischen ist er von Leopold I. geadelt worden und kann nun – in Anlehnung an den vormaligen Familiennamen der Mutter – den wohlklingenden Zusatz „von Erlach“ führen.
Mit der Thronbesteigung des früheren Schülers Josephs I. im Jahr 1705 wird Fischer von Erlach als „Oberinspektor sämtlicher Hof- und Lustgebäude“ zum Leiter des kaiserlichen Bauwesens ernannt, Neubauaufträge bleiben vorerst aber aus. Die Wirrungen des seit 1701 tobenden Spanischen Erbfolgekriegs, in den das habsburgische Österreich tief verstrickt ist, liegen wie ein bleierner Schleier über dem Land und fast ganz Europa.
In diese Zeit erzwungener, nur scheinbar reduzierter Aktivität fällt in aller Stille der Beginn Johann Bernhard Fischer von Erlachs Arbeit an seinem nächsten wegweisenden Projekt.
In sechzehnjähriger akribischer Arbeit forscht, schreibt und zeichnet er an seinem architekturtheoretischen Meisterwerk, das er bescheiden „Entwurff einer historischen Architectur“ nennt und 1721 unter eigener Regie in Buchform veröffentlicht. Grundlage für Fischer von Erlachs Zeichnungen, die er in Kupfer stechen lässt, sind Darstellungen von Bauwerken aus aller Welt, die er in Archiven, Geschichtsbüchern, auf Münzen, in zeitgenössischen Reiseberichten und Darstellungen recherchiert und zusammengetragen hat.
Erste Architekturgeschichte der Welt
Das vollendete Konvolut aus insgesamt vier Bänden stellt nicht weniger als die erste universal angelegte Architekturgeschichte der Welt dar. Respektvoll stellt Fischer von Erlach in ihr die architektonischen Errungenschaften der verschiedenen Kulturen nebeneinander, nicht ohne – voll barockem Selbstbewusstsein – „einige Gebäude von des Autoris Erfindung und Zeichnung“ ans Ende seiner Betrachtungen zu setzen.
Feierliches Gelübde und prachtvolle Baukunst
1714 hatte der Friede von Rastatt den zermürbenden und letztlich völlig sinnlosen Spanischen Erbfolgekrieg beendet. Fast zeitgleich kommt eine verheerende Pestepidemie in Wien zum Stillstand und Kaiser Karl VI., Bruder und Nachfolger von Joseph I., setzt ein feierliches Gelübde um: Der Bau einer prachtvollen Votivkirche, dem Namenspatron des Kaisers und Pestheiligen Karl Borromäus geweiht, soll beginnen.
Johann Bernhard Fischer von Erlachs Entwurf wird ab dem Jahr 1716 umgesetzt und gilt bis heute als sein größtes baukünstlerisches Vermächtnis. Bis 1739 dauern die Bauarbeiten – sechzehn Jahre über den Tod Johann Bernhard Fischer von Erlachs hinaus.
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