Die Prinzessin der Düfte

Eine Hommage an eine Berliner Duftberaterin
Von 6. Februar 2008

Ein eiskalter Wind, der durch die Friedrichstrasse wehte, kroch erst unter meine Jacke, dann den Pulli hoch und machte, kaum oben angekommen, sofort wieder kehrt, um wenig später meine vor kurzem erworbenen Handschuhe zur Farce zu degradieren. Warum tut sich jemand das an, fragte ich mich, wenn andere noch in ihren warmen Betten liegen, mit ein paar Unentwegten am Samstagmorgen, kurz vor zehn, vor diesem französischen Kaufhaus in der Kälte zu warten. Nun, ganz einfach: Obwohl sich auf meinem Konto schon seit Monaten Hase und Fuchs Gute Nacht sagten, hatte ich beschlossen: Ein neuer Duft musste her!

Ich wollte endlich auch mal wissen, wie das ist, wenn einen wildfremde Frauen in Clubs, in Cafés, ja selbst auf der Strasse plötzlich ansprachen, weil man so gut riechen würde – was für ein Duft das denn sei. Dies war einem Freund von mir passiert, seit er diesen neuen Duft trug. Er hatte mir zwar nicht den Namen seines Parfums verraten, meinte aber: „Findest du schon selbst heraus, wenn du erst von ihr beraten wurdest.“ „Welche ihr?“ , fragte ich ihn. Daraufhin lächelte er und sagte: „Man nennt sie die Prinzessin der Düfte. Du kannst sie nicht übersehen. Halte einfach Ausschau nach einer hübschen, lockigen Dunkelhaarigen, die an einem Stand mit edlen Holzschränken bedient, die aussehen wie in einer Apotheke aus längst vergangenen Zeiten.“

Hübsche Dunkelhaarige ist gut, dachte ich, so viel ich mich erinnern konnte, gab es im Lafayette eine Unmenge von Parfümberaterinnen, eine hübsche als die andere und dunkelhaarig waren auch die meisten. Also fing ich an, nach ihrem Stand zu suchen. Erst vorbei am Chanel-Stand, wo es zwar keine edlen Holzmöbel gab, dafür wurden die Flakons hinter aufwendigen Glas-Arrangements präsentiert, als ob es sich bei den Düften um Edelsteine handelte und nicht um bloße Modedüfte. Die Beraterinnen, die mich freundlich anlächelten, waren übrigens blond oder brünett. Weiter ging es zum Shiseido-Stand, der im ersten Moment leer zu sein schien, doch die Mitarbeiterin war nur hinter ihrem Tresen verschwunden und sortierte gerade frische Ware ein. Sie war zwar dunkelhaarig, trug aber ihre glatten Haare streng nach hinten zu einem Pferdezopf. Dann endlich sah ich diese edlen, dunklen Holzschränke, und sie erinnerten einen tatsächlich an eine Apotheke aus längst vergangenen Zeiten.

Davor stand eine große Dunkelhaarige, die, mit ihrem Rücken mir zugewandt, eine Kundin beriet. Ihre Locken reichten weit über ihre Schultern, ihr Rock war knielang, noch schwärzer als ihre Bluse und ihre Lederstiefel. So weit ich verstehen konnte, war die Kundin ziemlich begeistert, endlich diesen Duft gefunden zu haben. Die Dunkelhaarige meinte, es würden ihn auch immer wieder ganz besondere Frauen kaufen, obwohl seine herbe, würzige Note ihn eigentlich zu einem klassischen Herrenduft mache.

„Ach wissen Sie“ , meinte die Kundin, „in der Firma, wo ich arbeite, gibt es fast nur männliche Kollegen, und da kommt so ein blumiger Designer-Duft nicht so gut. Außerdem macht mich dieser Geruch hier echt wu…, pardon, ich kann einfach nicht genug von ihm kriegen. Es sind doch auch nur natürliche Essenzen verwendet worden, oder?“

Die Dunkelhaarige nickte und verwies auf den hohen Anspruch, den ihr Haus schon seit je her verfolge, jeden Hersteller nämlich, den sie in ihr Programm aufnehmen, dürfe selbstverständlich nur natürliche Ingredienzien verwenden, echter Lavendel aus den Alpes Maritimes, Rosenblüten aus Grasse und Gewürze aus Marokko. Während sich die Kundin noch für eine Tagescreme von Erno Laslo interessierte, wandte sich die Dunkelhaarige kurz zu mir um und meinte, sie hätte gleich Zeit für mich, ich solle noch bitte einen kleinen Augenblick Geduld haben. Bei den Augen, sagte ich mir „sie waren grün wie Saphire und bei der Stimme, sie war weich wie ein orientalischer Windhauch“, wer käme da nicht auf die Idee, auf einmal viel Zeit zu haben. Ich schaute mir in der Zwischenzeit eine Broschüre an, die auf einem der Tische lag, und erfuhr beim Durchblättern, dass die Hamburger Firma Albrecht&Dill Eigentümerin des Standes war und schon seit Jahren neben den klassischen Standbeinen der Kaffeerösterei und des Kakaohandels sehr erfolgreich auch den Verkauf von Luxusparfums und Cosmetics von Lalique, Floris, Penhaligon‘s, Annick Goutal, T. Le Clerc und Erno Laslo betrieb.

Plötzlich wurde die Kundin mit einem lächelnden: „Beehren Sie uns bald wieder!“ verabschiedet, und dann war ich dran.
„So, mein Herr, was darf ich Ihnen Gutes tun?“
Und ich dachte so bei mir, da würden mir verdammt viele Dinge einfallen, aber das gehört jetzt nicht hierher, schließlich brauchte ich ja einen neuen Duft.

Ich erklärte ihr, dass ich auf der Suche nach einem unwiderstehlichen Herrenduft sei, worauf sie lächelte und meinte:
„Unwiderstehlich für wen? Männer oder Frauen?“
„Nun“, meinte ich, „für Frauen selbstverständlich!“
„Verstehe“, lächelte sie. Dann schaute sie mich kurz an, musterte dabei meine Hände, dann meine Haare und meinte: „Ich glaube, ich habe genau das Richtige für Sie. Herb, würzig, ein toller Duft.“
Während sie mir einen schwarzen Flakon mit Holzverschluss zeigte, fragte ich:

„Ist das der Duft, der die Dame vorhin so enthusiastisch werden ließ?“
„Ja, genau.“
„In Ordnung. Packen Sie ihn mir ein.“
„Möchten Sie ihn nicht erst…?“
„Okay, sprühen Sie mir ein bisschen auf mein Handgelenk.“
„Und?“
„Wow. Und wie finden Sie ihn?“, fragte ich.
Sie roch an der Stelle, wo sie hingesprüht hatte.
„Herrlich. Verbindet sich wirklich super mit Ihrer Haut und das schon nach so kurzer Zeit. Aber Sie müssen noch ein bisschen warten, dann entfalten sich auch noch die Herz -und Basisnoten des Dufts“.
„Wo ist die Kasse?“
„Da drüben. Ach, bevor ich’s vergesse, ich habe übrigens um 17 Uhr Schluss.“
Was für ein Duft, dachte ich, und wartete dann am Abend wieder vor den Glastüren des Lafayette, diesmal allerdings auf die Prinzessin der Düfte.



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