Die dynamischste Pianistin der Welt

Anna Maria Trenchi Bottazzi im Interview
Titelbild
Eine willensstarke Frau, die für Menschen spielt und Seelen berührt. (Foto: Dayin Chen, EPT NY)

Könnten Sie sich vorstellen, ohne Erinnerungsvermögen Klavier zu spielen? Und das auch noch vor einem Konzert-Publikum? Genau dies war die Situation, mit der sich eine der erstaunlichsten und dynamischsten Pianistinnen der Welt konfrontiert sah – eine Frau mit Vertrauen, einem eisernen Willen, die das Leben liebt und die entschlossen ist, ihr Bestes zu geben.

Die Meisterin am Klavier Anna Maria Trenchi Bottazzi erinnert sich an die Nachricht, die sie nach ihrem Autounfall erhielt: „Fünf Minuten vor meinem wichtigsten Konzert wurde mir gesagt, dass ich nie wieder Klavier spielen könnte, weil der Teil meines Gehirnes beschädigt wurde, der für das Gedächtnis zuständig ist.“ Mit funkelnden Augen, einem charmanten Lächeln und großer Entschlossenheit sagt sie: „Das Wort ‚Aufgeben‘ kenne ich nicht.“

In Buenos Aires in Argentiniengeboren begann Bottazzi mit zwei Jahren mit dem Klavierspielen, und mit vier gab sie ihr erstes Konzert. Ihre Mutter war eine bekannte Erzieherin und begleitete die Lernschritte ihrer Tochter. „Meine Mutter gab mir morgens die Polonaise von Chopin, und ich musste sie bis zum Abend können.“ Mit neunzehn konnte sie 3.000 Kompositionen spielen.

Mit dreizehn ging Bottazzi nach Paris, um bei Nadia Boulanger, Yves Nat und der Liszt-Schülerin Germaine Pinault zu lernen. Mit 18 erhielt sie den Ersten Preis des Conservatoire National de Musique in Paris. Sie lernte auch bei Argentiniens berühmtestem Komponisten Alberto Ginastera und später bei Roger Sessions und Martin Canin. Sie gab in der ganzen Welt gefeierte Konzerte, mit insgesamt siebzehn Konzerten in der Carnegie Hall und der Avery Fisher Hall des New Yorker Lincoln Center.

Starker Wille nach dem Unfall

Mit dreiundzwanzig ereignete sich der beinahe tödliche Unfall. Operationen folgten, und sie ging einen qualvollen Weg bis zur Genesung. Sie arbeitete mit der Meister-Lehrerin Germaine Pinault zusammen. Vierzehn Jahre lang übte sie jeden Tag fünf Stunden. Frau Pinault unterrichtete sie vier Jahre lang kostenlos, da das Vermögen ihres Vaters von Argentiniens ehemaligem Präsidenten Perón eingefroren worden war.

Ihr Comeback fand in der Avery Fisher Hall statt. Als Beweis für ihr wieder intaktes Gedächtnis gab sie dem Publikum eine Liste von hundert Stücken, aus dem es ihr Programm auswählen konnte.

Wasser mit viel Eis

Als sie zu spielen begann, seien ihr die Nerven durchgegangen, erzählt Bottazzi, und sie hätte sich hinter die Bühne zurückgezogen. Sie fragte nach Wasser mit viel Eis. Das, was danach geschah, so sagte sie, war „Gottes Werk“. „Ich verfehlte mit dem Glas meinen Mund, und als das Eis und das Wasser in mein Kleid hineinliefen, fühlte ich mich befreit. Ich trug ein leichtes blaues Satin-Kleid. Als ich das Kleid anschaute, war es von außen her trocken. Ich glaube, dass es Gott war, der mir das Eis gab, um mich wieder zur Besinnung zu bringen. Er half mir immer, wenn ich Hilfe brauchte.“

Gerade vor der ersten Zugabe am Ende des Konzerts sah Bottazzi ihre Mutter. Für ihre Mutter spielte sie noch The Music Box von Jason Daniello. Die New York Times berichtete, dass sie hundert Stücke auswendig spielen wollte, und dass sie mit diesem Stück nicht hundert, sondern hundertundein Werke gespielt hatte.

Während der Jahre ihrer Genesung sagte ihre Mutter zu ihr, dass das, was wir sind, Gottes Geschenk an uns sei, und das, was wir werden, sei unser Geschenk an Gott. Diese Worte finden sich in allen ihren Programmen, und auch in der Pinault Musikschule in Manhasset, Long Island in New York, die sie mit ihrem Ehemann Bruno Bottazzi vor neununddreißig Jahren gegründet hat.

„Wir spielen für Menschen“

Bottazzi hat vor vielen führenden Persönlichkeiten der Welt gespielt, einschließlich des US-Präsidenten Bush im Weißen Haus und Papst Johannes Paul II. im Vatikan.

Bottazzi erhielt drei Mastergrade, eine Doktorwürde von der Universität von Buenos Aires und mit neununddreißig Jahren die Doktorwürde der Julliard School in New York verliehen. Vor Julliard-Studenten sagte sie: „Wir spielen nicht für Musiker. Wir spielen für Menschen und wollen ihre Seelen berühren. Es stört sie nicht, wenn Ihr eine Note verfehlt, sie wollen gute Musik hören.“

Seelen berühren

Sie sagte, dass es ihr viel lieber sei, wenn jemand zu ihr hinter die Bühne kommt und ihr sagt: „Sie berührten meine Seele. Es klang so schön.“, anstatt: „Sie haben so gut gespielt.“

Ihre Lehrmethoden sind absolut traditionell. Sie hat derzeit 189 Studenten, deren Alter sich zwischen drei und achtzig Jahren bewegt. Ohne Rücksicht auf ihr Alter werden alle in der traditionellen europäischen Schule unterrichtet. Ihre Absolventen bestätigen den Erfolg der Methode. Einige von ihnen zählen zu den besten Musikern in den Weltstädten, gewinnen bei Wettbewerben reihenweise Preise und haben in der ganzen Welt erfolgreiche Karrieren vorzuweisen.
Bottazzi hat ihre Techniken auf mehr als sechshundert Videos veröffentlicht. Sie glaubt, dass dies ein ausgezeichneter Weg ist, Studenten und Profis in aller Welt zu erreichen, die es sich nicht leisten können, nach New York zu ihrer Schule zu kommen.

Der Mensch als Ganzheit

Sie glaubt an den ganzheitlichen Unterricht: „Ich unterrichte nicht nur Klavier, ich unterrichte auch Wissen und Weisheit, die aus dem Leben geschöpft sind. Ich unterrichte zu leben.“ Bottazzi sagt, dass nicht jeder, der Klavier-Unterricht nimmt, Pianist wird. Sie versteht ihre Rolle als Lehrerin in einem viel weiteren Sinn. Sie verbringt viel Zeit damit, Studenten zu unterrichten, wie zu üben ist, und das hat sie von Germaine Pinault. „Gibt es in einem Stück ein Problem, teilen wir das Ganze in einzelne Teile und setzen es wieder zusammen.“ Bottazzi empfiehlt Dehnungsübungen für Hand, Arme und Finger. „Das Klavier ist die Verlängerung der Arme“. Ein Student lernt, den Ellbogen ohne das Handgelenk zu bewegen. Je nachdem, was gespielt wird, wählt der Pianist die Muskelpartien, die er zum Spielen einsetzt.

Den Glauben bewahren

Bottazzis Autobiographie „Wieder leben“ ist in fünf Sprachen übersetzt worden. Darin beschreibt sie ihr rastloses Bemühen, sich nach dem Autounfall ihre Fähigkeiten wieder anzueignen. Sie blieb bei ihrem Glauben, selbst als die Ärzte ihr gesagt hatten, dass sie nicht wieder spielen könnte, und schaffte eine triumphale Rückkehr in die Konzerthallen. Zusammen mit ihrem Ehemann gründete und leitet sie die Pinault Schule für Musik und ist Vorsitzende ihrer internationalen Klavier-Wettbewerbe. Sie glaubt fest daran, dass ihr Talent von ihren Vorleben herrührt. „Ich glaube an Wiedergeburt und dass ich vor diesem jetzigen Leben schon einmal Musiker war. Wenn ich Stücke von einigen Komponisten spiele, kommen sie einfach, und ich weiß, wie ich sie zu spielen habe.“

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Print Ausgabe Nr. 16



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