Der berühmte Columba-Altar: Vom Licht geführt
In nur wenigen Sätzen beschreibt der Evangelist Matthäus die erstaunlichen Begebenheiten um die Weisen aus dem Morgenland, die nach Jerusalem gekommen waren, um den neugeborenen König der Juden zu finden. „Denn“, so berichten sie dort, „wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen […]“.
Geheimnisvolle Ereignisse
Der grausame, herrschende König Herodes erschrickt „und ganz Jerusalem mit ihm“ und bittet die Fremden, ihm sofort Nachricht zu geben, sobald sie das Kind tatsächlich entdeckt hätten. So brechen sie wieder aus Jerusalem auf, der Stern erscheint von Neuem und führt sie weiter.
„Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er ankam und über dem Ort stillstand, wo das Kind war. […] und sie gingen in das Haus hinein und fanden das Kind samt Maria, seiner Mutter. Da fielen sie nieder und beteten es an; und sie öffneten ihre Schatzkästchen und brachten ihm Gaben: Gold, Weihrauch und Myrrhe.“
Ein Traum warnt sie, zu Herodes nach Jerusalem zurückzukehren. So plötzlich wie sie in der Weihnachtsgeschichte erscheinen, so unvermittelt entschwinden sie wieder in den Weiten des Orients.
Wenige Sätze und ihre Folgen
Sehr früh beflügeln diese Berichte die Fantasie der Christen. Von den wertvollen und königlichen Gaben schließen sie auf die Anzahl und den königlichen Stand der Weisen.
Deren geduldige, demütige Suche und ihre bedingungslose Ehrerbietung für den Sohn Gottes führen zur Verehrung der Männer als Heilige, und so wandeln sich die „Magoi“, die Magier oder Weisen des griechisch verfassten Matthäusevangeliums in der christlichen Tradition des dritten Jahrhunderts nach Christi Geburt in die seitdem hochverehrten Heiligen Drei Könige.
Helena, die christliche Mutter des römischen Kaisers Konstantin, bereist im Jahr 326 das Heilige Land und findet, der „Legenda Aurea“ nach, Gebeine der drei Weisen, die sie ihrem Sohn Konstantin überreicht. Der Kaiser wiederum schenkt die wertvollen Reliquien der christlichen Gemeinde Mailands.
Über 700 Jahre später, im Jahr 1164, verlassen die Gebeine Mailand in Richtung Köln. Kaiser Friedrich Barbarossa übereignet sie dem Kölner Bischof Rainald von Dassel als Dank für dessen treue Gefolgschaft beim Sieg über die lombardische Hauptstadt.
Ungeahnte Wirkmacht
In Köln setzt nun ein stetig anschwellender Pilgerstrom ein und lässt die Pläne für den Bau des Kölner Doms weiter reifen, der 1248 beginnt und sechs Jahrhunderte dauern wird. So entfaltet der kurze, eindrucksvolle Bericht des Matthäusevangeliums im gesamten christlichen Abendland ungeahnte Wirkmacht – ganz besonders in der Stadt am Rhein.
Die Arbeit am prachtvollen Dreikönigsschrein, dem bis heute erhaltenen bedeutendsten Reliquiar des Mittelalters, wird dort vom Goldschmiedemeister Nikolaus von Verdun bereits Ende des 12. Jahrhundert begonnen. Und: Auf den Tafelbildern gotischer Altäre nehmen Könige ganz konkret bildhafte Gestalt an.
Um 1440 malt der Kölner Meister Stefan Lochner seinen berühmten Dreikönigsaltar für die Kapelle der Kölner Ratsherren, den der flämische Künstler Rogier van der Weyden auf seiner Reise nach Rom beim Zwischenhalt in Köln sehr bewundert haben muss.
Denn: Etwa 15 Jahre später vollendet der Flame selbst eines seiner größten Meisterwerke: den Columba-Altar. Auch dieser Altar erweckt die biblische Begegnung der Weisen mit dem göttlichen Kind zu bildmächtigem Leben – nun für die Kirche Sankt Kolumba, nur wenige Gehminuten von den verehrten Reliquien im Dreikönigsschrein des Kölner Doms entfernt.
Biblische Begegnung mitten im Mittelalter
Der Moment der wundersamen Begegnung ereignet sich hier nicht vor goldenem Hintergrund und aus Zeit und Raum entrückt wie bei Stefan Lochner, sondern in der Ruine einer Stallung, deren steinerne Bögen den Blick auf eine mittelalterliche Stadt und den Alltag in ihren Gassen freigeben.
Auf der zentralen Bildtafel ist der erste der reich gewandeten Könige vor dem zierlichen, nackten Neugeborenen auf die Knie gesunken. Seine königliche Gabe hat er bereits überreicht. Sie steht neben Josef auf einem dreieckigen, hölzernen Hocker.
Nun ruhen die nackten Füßchen des Kindes auf der linken Hand des Königs, seine Rechte stützt vorsichtig und zärtlich den feinen Arm des Heilands. Der Blick des alten Mannes ist von andächtiger Freude erfüllt, seine still lächelnden Lippen sind der kleinen Hand des Gottessohns ganz nahe. Ihm, dem Ältesten unter ihnen, scheinen seine Begleiter respektvoll den Vortritt gegeben zu haben, doch auch sie, Männer mittleren und jungen Alters, bereiten sich in ruhigem, feierlichem Ernst auf die Anbetung des königlichen Kindes vor.
Momente tiefen Schweigens
Alle Personen des Vordergrunds sind in tiefes Schweigen gehüllt. Allen ist die Bedeutung dieses innigen Moments bewusst.
Eine Hand der Muttergottes gibt dem zarten Kind Geborgenheit und Halt, die andere liegt an ihrem Herzen und lässt an die Zeilen in der Weihnachtsgeschichte des Evangelisten Lukas denken, nach denen Maria alle Ereignisse sorgsam „in ihrem Herzen erwog und bewahrte“.
Sie ist es, die in allen drei Tafeln des Columba-Altars präsent ist, denn sie ist es auch, die die Heilsgeschichte vom ersten Augenblick an erlebt hat. Ihr Ja zum Plan Gottes, den ihr der Engel verkündete, setzte alles in Gang. Die Begegnung mit den Greisen Hannah und Simeon im Tempel auf der rechten Bildtafel und dessen Prophezeiungen kündigen der jungen Mutter dagegen zukünftiges, tiefes Leid an.
Hinter dem löchrigen Strohdach des Stalles leuchtet noch der helle Stern von Betlehem hervor, über Mutter und Kind schwebt jedoch schon, klein, filigran und doch unübersehbar das Kreuz von Golgatha.
Ahnungslosigkeit oder Erkenntnis
Nichts von alledem ahnen Ochs und Esel, die erstaunt in die Runde blicken. Auch die weit entfernten Menschen in den Gassen der mittelalterlichen Stadt scheinen nichts von diesem Wendepunkt der Weltgeschichte zu spüren. Eine lange Reihe von Menschen hat sich jedoch auf den Weg zum Stall gemacht. Sind es nur neugierige, skeptische Zaungäste oder werden auch sie von der stillen Heiligkeit der innigen Szene ergriffen werden? Diese Frage stellt Rogier van der Weyden mit dem Columba-Altar in alle Zeiten hinein.
Zeitloses Meisterwerk und seine Reise durch die Zeit
Im Alter von 65 Jahren bewundert Johann Wolfgang von Goethe den Columba-Altar zum ersten Mal und ist von dessen Schönheit tief ergriffen: „Da habe ich in meinem Leben viele Verse gemacht, darunter sind ein paar gute und viele mittelmäßige, da macht der Eyck ein solches Bild, das mehr wert ist, als alles, was ich je gemacht habe“, schreibt er im Jahr 1814, im untrüglichen Bewusstsein, einem einzigartigen Meisterwerk gegenüberzustehen.
Nur im Namen des Meisters irrt Goethe, wie auch andere Kunstkenner seiner Zeit, die den Altar noch für das Werk des Flamen Jan van Eyck halten. Und: Auch aus seinem ursprünglichen Umfeld ist der prachtvolle Altar im Jahr 1814 schon seit einigen Jahren gerissen.
Mit der Besetzung Kölns durch die revolutionären Truppen Frankreichs im Jahr 1794 beginnt eine Entwicklung, die in der Säkularisierung von über 120 Kölner Klöstern und Kirchen im Jahr 1802 mündet. Kunstschätze gehen verloren, werden zerstört oder verkauft.
1808 gelangt Rogier van Weydens Altar in den Besitz der Kunst begeisterten Brüder Sulpiz und Melchior Boisserée, die ihn in ihrem Heidelberger Palais ausstellen. Hier sieht ihn Goethe, fern seiner eigentlichen Bestimmung und des Ortes, der ihn über 350 Jahre lang beherbergt hatte.
1827 schließlich erwirbt Ludwig I. von Bayern alle 216 Werke der Sammlung Boisserée, während die Bauarbeiten für seine Pinakothek in München schon im Gange sind. Seit der Einweihung des klassizistischen Museumsbaus von Leo von Klenze im Jahr 1836 ist der Columba-Altar eines der bedeutendsten Glanzstücke der Sammlung.
Der Zerstörung entkommen
Seine eigentliche Heimat, die gotische Kirche St. Kolumba, sinkt dagegen in den verheerenden Bombennächten des Zweiten Weltkriegs unwiederbringlich in Schutt und Asche.
Die Tiefgründigkeit seiner biblischen Bezüge, seine prachtvolle Komposition, die Fülle an bedeutungsvollen Gesten, Blicken und Symbolen und die Farben des Columba-Altars leuchten jedoch bis heute.
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