Demut und Größe – das Leben des Abtes Hugo von Cluny
Im Herzen Frankreichs, im burgundischen Semur-en-Brionnais, kommt Hugo als Spross eines Grafengeschlechts am 13. Mai 1024 zur Welt. Seine Eltern Dalmatius und Aremburga von Semur bestimmen einen Großonkel, den Bischof von Auxerre, zum geistlichen und religiösen Erzieher ihres Sohnes. Mit lebensentscheidenden Folgen.
In dem Jungen findet die frohe Botschaft der christlichen Lehre innigen Widerhall. Die Pläne des Vaters, der Sohn solle das Kriegshandwerk erlernen, scheitern.
Bibel statt Schwert
Im Jahr 1039 bittet der inzwischen 15-Jährige stattdessen im Kloster Cluny, 65 Kilometer von Semur entfernt, um Aufnahme. Die Legende berichtet, dass ein Mitbruder aus Freude über den Eintritt des Novizen ausgerufen haben soll: „O glückliches Cluny! Du hast einen Schatz gefunden!“
Schon fast 130 Jahre besteht die Klostergemeinschaft Cluny, als Hugo seine Entscheidung für das Mönchstum trifft. Im Jahr 910 hatte Guillaume le Pieux, Wilhelm der Fromme, Herzog von Aquitanien, das Kloster gegründet.
Wesentlich für die nun beginnende Erfolgsgeschichte ist die völlige Unabhängigkeit des Klosters. Nur dem Papst im fernen Rom ist es unterstellt – sonst niemandem.
Unabhängig von weltlicher Macht
Zwar bestimmt Wilhelm der Fromme den ersten Abt, Berno von Baume. Doch er unterlässt von diesem Moment an jede weitere Einmischung. Das Kloster erhält das unanfechtbar festgeschriebene Recht, alle seine Angelegenheiten eigenständig zu regeln. Auch die Wahl des Abtes obliegt fortan ausschließlich der Klostergemeinschaft.
Im Jahr von Hugos Klostereintritt lenkt Abt Odilo die Geschicke der Abtei. Als Mann des Glaubens, der Askese und des Gebetes liegt ihm ganz besonders die geistliche Bildung seiner Mitbrüder am Herzen. Den ursprünglichen Gründungsimpuls hat Odilo wie seine Vorgänger treu beherzigt und tatkräftig weiterbefördert.
Im Zentrum des Klosterlebens stehen die Ordensregeln des Heiligen Benedikt von Nursia, die Vertiefung mönchischer Frömmigkeit und die ehrfürchtige Feier der Heiligen Messe.
Ebendieses geistliche Charisma, das in Cluny und der stetig wachsenden Anzahl seiner Tochterklöster gepflegt und gelebt wird, muss den jungen Novizen magnetisch angezogen und begeistert haben.
Mit 20 Jahren wird er dort zum Priester geweiht. Nach weiteren drei Jahren übernimmt er als Prior Leitungsaufgaben im Kloster Saint Pierre de Nantua, das auf halbem Weg zwischen Lyon und Genf liegt. Bald wird er auch mit diplomatischen Aufgaben betraut und schlichtet nahe Bern Streitigkeiten zwischen Kaiser Heinrich III. und der cluniazensischen Abtei Payerne.
Junger unermüdlicher Abt
Gerade hat er diese Mission erfolgreich beendet, da erreicht ihn die Nachricht vom Tode Odilos. Hugo reist umgehend ins Mutterkloster und wird dort im Alter von nur 25 Jahren zum neuen Abt gewählt.
60 segensreiche Jahre liegen vor ihm. Auch unter seiner Leitung ist und bleibt das tägliche Heilige Messopfer die Mitte allen gläubigen Tuns. Doch auch der gesamte Tagesablauf soll wie ein andächtiges Gebet sein. Anstatt der vom Heiligen Benedikt vorgeschriebenen 40 Psalmen beten die Mönche von Cluny unter der Führung Abt Hugos schließlich täglich über 200 Psalmen und Gebete.
Die geistliche Blüte Clunys entfaltet ihre Ausstrahlung inzwischen auf dem gesamten europäischen Kontinent. Sie überspringt sogar den Ärmelkanal. Ein Netzwerk aus über 1.200 cluniazensischen Klöstern entsteht und Abt Hugo wird zum großen Reisenden, der die mit Cluny verbundenen Gemeinschaften besucht, sie in ihrer Einheit, ihrem Glauben und Gebetseifer bestärkt.
Väterlicher Seelsorger und Vermittler bei Heinrich IV.
Doch auch in der säkularen Welt suchen viele Hugos Rat und Ermutigung. Für sein ehrbares und heiligmäßiges Leben bekannt, wird er von den Königen und Fürsten seiner Zeit als priesterlicher Friedensstifter hochgeschätzt.
So schreibt Kaiser Heinrich IV. in schwerer Lebenskrise an seinen Taufpaten Hugo von Cluny als „seinen liebsten und theuersten geistlichen Vater“: „Weil wir immer deine Güte und väterliche Sorgfalt gegen uns erfahren haben, so daß wir durch deine Gebete, wie wir fest glauben, von vielen Gefahren befreit worden sind; darum, theuerster Vater, eilen wir nach Gott zu dir, […]. O daß es uns doch gegönnt wäre, dein engelgleiches Angesicht leibhaftig zu schauen; […] unsere Sünden beweinen und unsere Leiden erzählen könnten!“
Auch Erzbischof Hildebert von Tours, Zeitgenosse und Biograf Hugos, beschreibt diesen voll Ehrerbietung: „Unersättlich in der Lesung, unablässig dem Gebete obliegend, nützte er jede Zeit, sei es für Andere, sei es für sich. […] Das Zürnen kannte er nicht, ausgenommen gegen große Fehler. […] Er hatte mehr von einem Vater als von einem Richter an sich, mehr Milde als Strenge. […] Er liebte in geordneter Liebe Gott über sich, den Nächsten gleich wie sich, die Welt unter sich.“
Neun Päpste erlebt Hugo von Cluny während seines langen Lebens. Für sie ist er wichtiger Berater in theologischen, kirchlichen und politischen Fragen. Doch nicht nur Königen und Päpsten dient er nach bestem Wissen und Gewissen. Demütig ist sein gesamtes Wirken auf die Erfüllung des göttlichen Willens durch Gebet und Tun ausgerichtet.
Schon seine Vorgänger hatten eine umfangreiche Armenfürsorge etabliert. Hugo von Cluny und seine Mitbrüder bauen sie weiter aus. In jedem Armen und Leidenden erkennen sie Jesus Christus selbst. Wohnungen für Bedürftige werden in den Klöstern eingerichtet, Hungernde gespeist, müde Wanderer versorgt, Kranke besucht und gepflegt.
Bauen zur Ehre Gottes
Zur Ehre Gottes werden auch weithin sichtbare Kirchenbauten errichtet. Im Jahr 1088 beginnen unter Abt Hugo die Bauarbeiten für die dritte und größte Abteikirche von Cluny. Sie entsteht neben den Vorgängerbauten, deren Steinblöcke wieder Verwendung finden.
Nun wächst ein ungleich größeres Kirchengebäude empor – ein fünfschiffiges Wunderwerk der Romanik, das von sieben Türmen gekrönt ist.
1230, 119 Jahre nach Hugos Tod im Jahr 1109, wird die Basilika zur Gänze fertiggestellt – als größte Kirche der Christenheit. Erst der Petersdom in Rom wird vier Jahrhunderte später ihre Dimensionen übertreffen. Dieser steht noch heute, wie auf Fels gebaut.
Basilika und Abtei von Cluny, das Ergebnis der unermüdlichen Arbeit von Generationen von Äbten und Mönchen, überlebt jedoch die Zerstörungswut der Französischen Revolution nicht.
Banalität der Zerstörung, bleibende Ausstrahlung
1790 wird die Abtei geschlossen. Drei Jahre später werden ihre einzigartigen Schriften und Archive verbrannt. Für 100.000 Franken kauft ein Händler 1798 das verwaiste, aber vollkommen intakte Kloster und macht es zum Steinbruch.
Mit den ersten Abbruchsteinen wird eine Straße mitten durch das Hauptschiff gepflastert. Erst um 1820 nimmt die Verheerung ein Ende. Nur ein Zehntel der Basilika bleibt bestehen.
Doch allein dieser Rest beflügelt die Imagination und gibt beredtes und eindrucksvolles Zeugnis einer wundersamen, jahrhundertelangen Wirkungsgeschichte – die aus dem Glauben lebte, bestand und bis heute ausstrahlt.
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