Das Geheimnis von Notre Dame – Von Manfred von Pentz

Wirklich eindrucksvoll war das Entsetzen und die enorme Anteilnahme nicht nur in der französischen Bevölkerung. Die gesamte christliche Welt schien zutiefst betroffen, auf Fotos im Internet sieht man viele Menschen beten, manche weinen sogar.
Titelbild
Notre-Dame de Paris in Flammen am 15. April 2019Foto: Veronique de Viguerie/Getty Images
Von 19. April 2019

In der Kathedrale Unserer Lieben Frau zu Paris hat ein Feuer gewütet, und der entstandene Schaden ist noch nicht abzusehen. Gott Dank liegt das unvergleichliche Kunstwerk aus längst vergangener Zeit nicht in Schutt und Asche, sondern kann und soll baldmöglichst wieder repariert werden. Wobei inständig zu hoffen ist, dass nicht einige moderne Architekten losgelassen werden, um das Gebäude im heutigen Zeitgeschmack zu stuprieren.

Hinsichtlich der Brandursache wurde uns inständig von Monsieur Macron und seinen unsichtbaren compagnons geraten, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, da alles auf einen Unfall hinweist und somit keinerlei Wahlkampfmunition für Marine Le Pen und ihre rechten Halunken beinhalten kann. Die Tatsache, dass jeden Tag Anschläge auf christliche Kirchen durch gänzlich un-christliche Menschen verübt werden, hat in diesem Zusammenhang angeblich keinerlei Bedeutung.

Wirklich eindrucksvoll war das Entsetzen und die enorme Anteilnahme nicht nur in der französischen Bevölkerung. Die gesamte christliche Welt schien zutiefst betroffen, auf Fotos im Internet sieht man viele Menschen beten, manche weinen sogar.  Jedoch blieb der Spott und Hohn manch westlicher Salon-Atheisten und anderer Gestalten nicht aus.

Auch verstieg sich eine Dame namens Hinz oder Kunz in der wackeligen WELT zu der Idee, dass die Knete für den Bau der Kathedrale lieber anderweitig hätte verbraten werden sollen als tausende hochbegabte Architekten, Künstler, Handwerker und ihre Helfer zu bezahlen, welche sich dieserart beinahe zwei Jahrhunderte lang eine gesicherte Existenz leisten konnten.

In jedem Fall war das Echo auf die Untat wahrhaft grandios, und das bringt uns eigentlich zu der Frage, was Notre Dame de Paris so einzigartig und faszinierend macht.

Die Antwort erschliesst sich nur demjenigen, der bereit ist, ausserhalb konventioneller Deutungen nach dem tieferen Sinn der Kathedrale und den geheimen Motiven ihrer Erbauer zu suchen. Denn was dem flüchtigen Besucher nur als eine überwältigende Vielzahl von Archetypen und Situationen, von Formen und Farben erscheinen mag,

ist in Wirklichkeit ein kompliziertes, präzises und immens imaginatives Geistesgebäude, in dem jedes Detail, auch das unbedeutendste, eine Zweideutigkeit, eine kleine verborgene Aussage als Teil einer grösseren Idee enthält.

Diese Idee wird langläufig als eine Art in die Schönen Künste gegossene Philosophie namens Alchemie umschrieben, und der nachfolgende Abschnitt gibt dem Leser zumindest eine vage Idee, um was genau es sich bei dieser Lehre handelt.

Die Alchemie beschäftigt sich nicht wirklich mit der Umwandlung unedler Metalle in Gold oder Silber, sondern beinhaltet eine tiefer gehende psychologische Komponente, in der es immer um die Umwandlung des Menschen geht, also die Suche des Alchemisten nach sich selbst.

Vor allem lehrt sie eine Selbsterlösung des Menschen, welcher nach Entsagung von allem Weltlichen sein geistig-göttliches Innerstes erkennt und als befreite Seele zu Gott zurückkehrt.

Schon von Anbeginn mit religiösen Betrachtungen verbunden, erfuhr die Alchemie im Mittelalter ihre Ausdeutung durch eine alles beherrschende christliche Religion. Die Adepten forschten in Christi Lehre nach Inhalten, die ihnen wesentlich mehr geben konnten als die starre Doktrin einer selbstherrlichen Kurie und deren oftmals korrupte und wollüstige Priesterschaft. Als Tarnung vor der Inquisition und um das häretische Gedankengut einer eigentlich gnostischen Weltanschauung nicht deutlich zutage treten zu lassen, verschleierte man die Lehre als eine Art vage metallurgische Wissenschaft und unterfing sie mit komplizierten Symbolen, die nur den Eingeweihten verständlich waren.

Vergessen sollte man jedoch nicht, dass unter den Alchemisten auch Kaiser, Päpste und Heilige waren, also Menschen, die das geistig Wesentliche erkunden wollten. Einige von ihnen mögen dieserart die Alchemie als jenes Mysterium erkannt haben, das sich hinter den Riten aller Religionsformen verbirgt.

Roger Bacon z. B. betrachtete die objektiven Wissenschaften wie etwa Logik und Physik nur als Vorstufe der Alchemie, da allein die letztere eine Wandlung des Menschen einleiten konnte. Er wurde wegen seiner Kritik an zeitgenössischen Theologen 1278 unter Arrest gestellt. Eine der frühesten Quellen, die auf spiritueller Ebene direkte Parallelen zwischen Alchemie und christlichem Glauben aufzeigt, stammt aus dem 14. Jahrhundert und wurde von Petrus Bonus von Ferrara verfasst.

Das alchemistische Werk war ihm zu Folge der Weg, durch den der Mensch eins mit Christus werden konnte, da man in den „chemischen“ Prozessen eine Analogie zu den Leiden, der Kreuzigung und Auferstehung Christi sah.

In der Lapis-Christus Parallele verglich man den göttlichen Geist, der in der Person Jesu menschliche Gestalt annahm, mit dem Stein der Weisen, der ein niederes Metall durch die Läuterungsprozesse zur höchsten Vollkommenheit, nämlich Gold, erhebt. Das Erlösungsstreben des Menschen macht Jesus zur Quintessenz und so den Stein der Weisen zu einer Metapher Christi

Petra Riha, Nibelungenlied Ges.

Der alchemistische Prozess einer Selbsterkennung verbunden mit dem Wissen um die Wege der Welt sowie die daraus resultierende Erlösung als Voraussetzung des Ewigen Lebens ist das Geheimnis und die verborgene Aussage der Notre Dame de Paris.

Das Gebäude offenbart sich damit in der Tat als das Herzstück unserer unvergleichlichen christlichen Kultur. Sollten wir nicht mehr in der Lage sein, sie zu schützen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Europa endgültig in Aufruhr und Chaos versinkt.

Die Webseiten von Manfred von Pentz:

http://der-deutsche-michel.net/
http://www.manfredvonpentz.net/

„Die Alchemie“ in Notre-Dame de Paris  Foto: M. von Pentz

 



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