Carl Bosch – Wissensdurst und Wagemut in verworrener Zeit
Als erstes von sieben Kindern einer Unternehmerfamilie wird Carl Bosch am 27. August 1874 in Köln geboren. Auch sein Vater stammt aus einer kinderreichen Familie. Mit elf Geschwistern ist er in einer Bauern- und Gastwirtsfamilie im württembergischen Albeck aufgewachsen, bevor es ihn nach Köln gezogen hat.
Sein 18 Jahre jüngerer Bruder, Robert Bosch, der Onkel des gerade geborenen Sohnes Carl, wird als Erfinder und Unternehmer in Württemberg Wirtschaftsgeschichte schreiben. Carl Friedrich Alexander Bosch macht dagegen als Kaufmann und Inhaber einer florierenden Großhandlung für Installationsbedarf Karriere.
Freude am Tun und Experimentieren
Unternehmerisches und handwerkliches Geschick scheint in den Genen der Familie Bosch zu liegen, denn auch Sohn Carl zeigt früh großes Interesse für das Geschehen im Betrieb des Vaters. Schon als Jugendlicher arbeitet er in der feinmechanischen Werkstatt mit und eignet sich Kenntnisse im Metallhandwerk an. Darüber hinaus zieht ihn die Welt der Chemie in den Bann. Im Hinterhof des Kölner Firmengebäudes darf er sich ein kleines Labor einrichten.
Nach dem Abitur steht ihm der Weg zu einem Studium offen, er entscheidet sich jedoch für die Vertiefung seiner praktischen Fähigkeiten und absolviert eine Schlosser- und Formenbauerlehre.
Eine wichtige Weichenstellung – denn die angeeigneten praktischen Fertigkeiten schaffen beste Voraussetzungen für das anschließende Studium von Maschinenbau und Metallurgie. Ohne es konkret ahnen zu können, legt er dadurch Grundlagen, die ihm später auch als Verfahrenstechniker von unschätzbarem Nutzen sein werden.
Der jugendlichen Begeisterung für die Chemie geht er weiterhin nach: Auch in diesem Fach besucht er Vorlesungen.
So sehr erfasst ihn die Faszination für dieses Wissensgebiet, dass er von der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg an die Universität Leipzig wechselt, um dort schließlich in anorganischer Chemie zu promovieren.
Als Chemiker nach Ludwigshafen
Bei der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik in Ludwigshafen, kurz BASF, findet er 1899 eine Anstellung als Chemiker – nur ein Jahr bevor sich das Unternehmen bei der Weltausstellung in Paris als größte chemische Fabrik der Welt präsentiert.
Bereits damals, nur 35 Jahre nach Gründung des Unternehmens, arbeiten 148 Chemiker, 75 Ingenieure, 305 kaufmännische Angestellte und 6.207 Arbeiter im großen Werk am westlichen Ufer des Rheins. Für den gerade 25-jährigen Bosch bieten sich in diesem Umfeld hervorragende Arbeits- und Forschungsbedingungen.
Auch privat trifft er weitreichende Entscheidungen. 1902 heiraten er und die sechs Jahre jüngere Else Schilbach. Das junge Ehepaar bezieht eine Mietwohnung in Ludwigshafen, in der sich auch Platz für Carls Werkbank, Aquarium und Mikroskop finden muss. Denn neben Boschs Arbeit an chemischen Experimenten beschäftigt er sich intensiv mit Wissensgebieten wie der Mineralogie, Zoologie und Botanik.
Ausgedehnte Exkursionen in die Natur
Bei ausgedehnten Wanderungen sucht er Muscheln, Schnecken, Insekten und seltene Pflanzen und Moose. Zeitlebens wird er ein unermüdlicher Sammler und Forscher bleiben.
Seine naturwissenschaftlichen Sammlungen, Herbarien, Aquarien, Mikro- und Teleskope nehmen immer mehr Raum ein. Doch auch die Wohnungen und schließlich die Häuser der Familie Bosch werden immer größer und stattlicher.
Durch Carl Boschs ebenso akribische wie erfolgreiche Arbeit als Chemiker und Projektleiter der BASF wird ihm kontinuierlich immer mehr Verantwortung übertragen. Seine Karriere geht unaufhaltsam bergauf.
Durchbruch in der Verfahrenstechnik
Einen besonders herausragenden Erfolg stellt schließlich die Entdeckung und Perfektionierung eines Verfahrens zur Ammoniaksynthese dar, für das der Chemiker Fritz Haber wenige Jahre zuvor die theoretischen Grundlagen gelegt hatte: das später sogenannte Haber-Bosch-Verfahren.
Von 1909 an hatte Carl Bosch mit seinem Team in tausenden Experimenten nach einem wirtschaftlich realistischen Weg zur technischen Umsetzung der genialen Ideen Habers gesucht. Zusammen mit seiner Arbeitsgruppe findet er die Lösung in der Entwicklung eines neuartigen chemischen Hochdruckverfahrens, das einer technischen Revolution gleichkommt.
Schon im Jahr 1913 kann die Ammoniakgewinnung in einer ersten Großanlage bei BASF in industriellem Maßstab beginnen. Die so in großen Mengen verfügbare chemische Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff dient wiederum der industriellen Produktion kostengünstigen mineralischen Stickstoffdüngers.
Ein Durchbruch, der Abermillionen Menschen die sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln verspricht und bis heute landwirtschaftliche Erträge um ein Vielfaches steigert.
Geniale Entdeckung mit Licht und Schatten
Sowohl Fritz Haber als auch Carl Bosch wird für ihre wegweisenden Forschungen und Experimente der Nobelpreis in Chemie verliehen – Fritz Haber im Jahr 1919, Carl Bosch zusammen mit Friedrich Bergius im Jahr 1931.
Doch die neue Technik rettet nicht nur Millionen Menschen vor Hunger und Elend, sie hat auch ein dunkles, todbringendes Potenzial: Ammoniak ist ein wichtiges Vorprodukt für Salpeter, beziehungsweise Sprengstoff.
Am Beginn des Ersten Weltkriegs wird dies dem deutschen Kaiserreich bald bewusst. Und tatsächlich reduziert die BASF im Herbst 1914 massiv die Produktion von Düngemitteln, deren internationaler Absatz schlagartig eingebrochen war.
Nun werden mithilfe von synthetischem Ammoniak täglich weit über 100 Tonnen Salpeter für die Rüstungsindustrie hergestellt. Zum großen Werk in Oppau bei Ludwigshafen kommt 1916 – in Rekordbauzeit im sachsen-anhaltinischen Leuna errichtet – ein weiteres gigantisches Werk hinzu.
Verhandlungsgeschick in Versailles
Nach der verheerenden Niederlage des Deutschen Kaiserreichs im Jahr 1918 fordern die Siegermächte die komplette Zerstörung insbesondere dieser beiden Chemieanlagen. Doch Carl Bosch, der 1919 als Berater für Wirtschaftsfragen an den Friedensverhandlungen von Versailles teilnimmt, kann dies durch Verhandlungsgeschick verhindern.
Er bietet die vollständige Offenlegung der Haber-Bosch-Technologie als Gegenleistung für den Erhalt der deutschen Ammoniakanlagen an – auch um durch die wieder anlaufende Düngerproduktion drohende Hungersnöte abzuwenden.
Inzwischen ist er zum Vorstandsvorsitzenden der BASF aufgestiegen. 1925, nur sechs Jahre später, steht er auch an der Spitze der Interessengemeinschaft der Farbenindustrie, kurz I.G. Farben, einem Zusammenschluss großer deutscher Chemieunternehmen, den er selbst mitinitiiert hat.
Expansion und wachsende Abhängigkeit
Anlagen zum Verflüssigen von Kohle zu synthetischen Treib- und Schmierstoffen, die Entwicklung von Kautschukersatzstoffen, Methanol- und Wasserstoffherstellungsanlagen – all diese Visionen und Projekte des Konzerns bedürfen gigantischer finanzieller Anstrengungen.
Ein Umstand, der die Abhängigkeit der chemischen Industrie von Aktienbeteiligungen und staatlichem Handeln immer weiter vertieft.
In der Weimarer Republik verschärft die Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 diese Situation dramatisch. Der mächtige Konzernlenker Carl Bosch muss Reichskanzler Heinrich Brüning um die Einführung von Schutzzöllen bitten, um die I.G. Farben vor dem Abwärtsstrudel rapide verfallender Weltmarktpreise zu retten.
Konzern in Schieflage
Die wirtschaftliche und politische Lage Deutschlands wird immer instabiler. Die Nationalsozialisten gewinnen an Zustimmung in der Bevölkerung. 1932 nehmen Vertreter der I.G. Farben Kontakt zu Adolf Hitler auf, um auszuloten, ob eine Regierung unter seiner Leitung die Herstellung synthetischen Treibstoffs weiter fördern und subventionieren würde. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 zahlt der Konzern schließlich in den Wahlkampffonds der Nationalsozialisten ein.
Bei den folgenden Reichstagswahlen im März, die bereits von massiven Unregelmäßigkeiten und Repressalien gegen Oppositionelle überschattet sind, wird die NSDAP stärkste Kraft. Schon im Dezember des gleichen Jahres schließt der Konzern mit den neuen Machthabern ein Abkommen, das Produktionsmengen und Abnahmegarantien für die chemischen Produkte der I.G. Farben, insbesondere der synthetischen Kraftstoffe festlegt.
Vor 1933 hatten Carl Bosch und die I.G. Farben noch politische Gegner der Nationalsozialisten finanziell unterstützt, nun erfolgt die Kehrtwende, mit dem Ziel, den Megakonzern staatlich abzusichern.
Schrecken ideologischer Getriebenheit
Doch spätestens als Carl Bosch bei einem persönlichen Treffen mit Adolf Hitler gegen die Entlassung jüdischer Wissenschaftler klar Stellung nimmt und die Rassenpolitik der Nationalsozialisten kritisiert, muss er erkennen, wie irrational, verblendet und ideologisch getrieben Hitler ist. Hitler beendet die Unterredung abrupt und lässt den Konzernchef ohne Umschweife aus der Staatskanzlei bringen.
Wie die Antwort auf dieses augenöffnende Erlebnis, auf Ideologie und Größenwahn der Nationalsozialisten, wirkt Carl Boschs Rede vom 7. Mai 1939 im Deutschen Museum in München.
Vehement tritt er öffentlich für die Freiheit der Wissenschaft ein. Ein Zuhörer notiert folgende, geradezu prophetischen Worte Boschs: „Wirtschaft und Staat müssen unfehlbar zugrunde gehen, wenn die Wissenschaft in so würgende politische, weltanschauliche und rassistische Beschränkungen gezwungen wird wie unter dem Nationalsozialismus.“
Nationalsozialistische Angriffe auf Bosch lassen nicht lange auf sich warten. Rudolf Heß fordert öffentlich seine sofortige Entfernung aus allen Ämtern und das Verbot jedweder Auftritte.
Bosch wird aus fast all seinen Funktionen gedrängt. Es wird immer stiller um ihn. Fast alle verbliebenen Weggenossen im Vorstand der I.G. Farben treten der nationalsozialistischen Partei bei. Er nicht. Am 26. April 1940 stirbt Carl Bosch in Heidelberg im Alter von 65 Jahren.
Ausstellung in Heidelberg
Einblicke in Carl Boschs Leben und Werk gibt das Carl Bosch Museum in Heidelberg. Es befindet sich in Gebäuden des ehemaligen Anwesens Carl Boschs im Schloss-Wolfsbrunnenweg 46, 69118 Heidelberg.
Geöffnet von Freitag bis Mittwoch von 10 bis 17 Uhr, Donnerstag geschlossen.
Weitere Informationen unter: carl-bosch-museum.de
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