„Brezel-Roboter“ auf dem Vormarsch – Droht der schwäbischen Brezel das Aus?

Die Laugenbrezel ist die schwäbischste aller schwäbischen Backwaren. Der Bauch der Brezel muss dick, die Ärmchen müssen dünn und knusprig sein, lautet der klassische Bäckerlehrsatz. Doch es tut sich was.
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Schwäbische Brezeln: Viele Betriebe sind mittlerweile auf automatische Schlingmaschinen und Tiefkühlteig umgestiegen.Foto: Sina Schuldt/dpa
Epoch Times6. Januar 2018

Wenn Bäckermeister Thomas Frank Brezeln schlingt, macht er das derart fix, dass dem Zuschauer beinahe schwindelig wird. Er fasst die Teigrolle an beiden Enden, dann ein blitzschneller Schlenker, ein Dreher mit der Hand – ruckzuck liegt das Backwerk auf dem Blech.

„Wie gemalt“, kommentiert der 68-Jährige sein händisches Geschick. Die Brezel sei genau so, wie eine schwäbische Brezel zu sein habe, sagt er: Der Bauch muss dick und weich sein, die „Ärmle“ – schwäbisch für „Ärmchen“ – dünn und knusprig.

3.500 bis 4.000 Laugenbrezeln entstehen in der Bäckerei Frank in Stuttgart jede Nacht. Die Brezeln sind Kult, schon vor 7.00 Uhr morgens drängeln sich Kunden. „Wir setzen natürlich keine Brezel-Roboter ein“, sagt Frank – und während er das Wort „Brezel-Roboter“ ausspricht, verzieht sich sein Mund, als sei etwas Saures hineingeraten.

Frank weiß: Viele Betriebe sind in den vergangenen Jahren auf automatische Schlingmaschinen und Tiefkühlteig umgestiegen, der von Großbäckereien geliefert wird. Die Folge sei, dass der Teig viel dicker und fester werde, „weil sonst die Teigstücke in der Maschine reißen würden.“ Frank nennt das „maschinentauglichen Teig“ – und das ist wieder ein Wort, bei dem er den Mund verzieht. Die Folge: „Die Brezel-Ärmle werden nicht mehr so schön dünn und resch (knusprig).“

In der Tat: Schleichend und von vielen Kunden unbemerkt ist das schwäbische Backwerk dabei, seine Form zu verlieren. Von Heilbronn bis Ravensburg, von Freudenstadt bis Heidenheim, ein Blick in die Bäckereien bestätigt den Wandel. Mitunter sind die Ärmchen kaum dünner als der Brezelbauch, fast wie bei der bayerischen Brez’n.

Bärbel Brenner, Versicherungskauffrau in Stuttgart, nimmt morgens sogar ein paar Kilometer mehr in Kauf, um das Geschlungene ganz nach ihrem Geschmack zu finden. „Das dicke Teil weich und mit Butter, das dünne Teil trocken und knusprig, fast wie ein Salzstängele“, da gebe es bei ihr keine Kompromisse.

Andreas Kofler ist Geschäftsführer beim Landesverband für das württembergische Bäckerhandwerk und damit sozusagen höchste Autorität. Auch er sieht den Wandel. „Die maschinell hergestellte Brezel ist nicht ganz so dünn, weil dann die Gefahr besteht, dass die Arme reißen.“ Traditionell gehörten dicke Arme zur bayerischen Brez’n, seien aber gleichsam ‚unschwäbisch'“, meint Kofler.

Doch einen Streit nach dem Muster „dünne versus dicke Ärmle“ will der Verbandsmensch Kofler tunlichst vermeiden. Diplomatisch fügt er hinzu, eine „offizielle Norm“ für den Laugen-Snack gebe es nicht, da habe jeder Bäcker sein eigenes Rezept. Doch ganz nebenbei gesteht Kofler, dass er persönlich dünne Ärmle vorziehe.

Etwas anders sieht man das allerdings etwa bei der Großbäckerei Sehne in Ehningen. Rund 40.000 tiefgefrorene Brezel-Rohlinge gehen hier jeden Tag an mehrere Dutzend Filialen sowie andere Großkunden. „Die Bäcker vor Ort brauchen dann nur noch Salz drüber streuen und backen“, sagt Ingrid Stein, Beauftragte für Qualitätssicherung bei Sehne.

Bis vor zwei Jahren habe man noch mit der Hand geschlungen, doch dass die Ärmchen bei Sehne dicker sind, habe nichts mit dem Maschineneinsatz zu tun. „Bei uns war das immer schon so“, sagt Stein, „unsere Kunden lieben es, wie wir es machen.“ Sie betont: „Wir könnten auch maschinell dünner.“

In der Backstube Frank ist es unterdessen warm geworden. Seit 50 Jahren, erzählt der Meister, schlinge er jetzt Nacht für Nacht das Laugenbackwerk, in der dritten Generation führe er den Betrieb. Neben ihm steht Freddy Gerdes, auch er hantiert schnell. Der 51-Jährige stammt ursprünglich aus Ostfriesland. Dort habe er zwar eine Bäckerlehre gemacht, doch das Mysterium des händischen Schlingens habe er erst im Schwabenland gelernt.

Mittlerweile ist der Friese selbst zum Experten geworden. Er sagt, heute könne er sogar erkennen, ob ein Rechtshänder oder ein Linkshänder Hand an das Laugenbackwerk gelegt habe. Man sehe das am Knoten der Ärmchen, „je nachdem, ob sich der Knoten etwas weiter nach links oder etwas weiter rechts verschoben hat“.  (dpa)



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