Billie Holiday vor 100 Jahren geboren
„Ach, ich und meine alte Stimme, die geht doch nur ein bisschen hoch und ein bisschen runter“, sagte sie einmal während einer auf Band aufgezeichneten Probe. „Sie ist nicht authentisch, ich habe keine authentische Stimme. Meine Stimme ist ein einziges Chaos.“
Holiday war ein Weltstar und doch war sie wohl nur selten fröhlich, zu viel Leid hatte sie erlebt und zu sehr kämpfte sie bis zuletzt mit der Drogensucht. Am Dienstag (7. April) ist ihr 100. Geburtstag. Sie starb jedoch schon 1959 im Alter von nur 44 Jahren in einem New Yorker Krankenhaus. Alkohol und Heroin hatten die zierliche Frau völlig ausgezehrt und ihre Leber zerstört. „Geliebte Ehefrau Billie Holiday“ steht auf ihrem hellen Grabstein im New Yorker Stadtteil Bronx.
Aus Anlass ihres Geburtstages gibt es natürlich auch einige Neuauflagen ihrer Aufnahmen. Auf „The Centennial Collection“ sind 20 ihrer bekanntesten Songs – von „I Must have That Man“ bis „Strange Fruit“ – versammelt. Wer es gerne etwas ausführlicher und in die Tiefe gehender mag, kann zur Neuauflage der 4-CD-Box „Lady Day – The Master Takes And Singles“ greifen, die neben 80 Songs auch ausführlich in den Liner Notes auf Billie Holiday – ihr Leben, ihre Lieder – eingeht.
Schon der Beginn des Lebens der Jazz-Königin war schwierig. Als Eleonora Fagan wird Holiday am 7. April 1915 in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland geboren. Ihre Eltern sind noch sehr jung, und Holiday wächst meist bei Verwandten und in extremer Armut auf. Eine Cousine misshandelt sie, ein Nachbar vergewaltigt sie. Schließlich wird Holiday in ein Erziehungsheim eingewiesen und dort erneut misshandelt, diesmal von den Ordensschwestern.
Holiday entkommt und schlägt sich in Baltimore als Putzfrau und Prostituierte durch. Auf dem Plattenspieler im Bordell hört sie erstmals Jazz und Blues von Musik-Legenden wie Louis Armstrong und Bessie Smith. Später zieht sie mit ihrer Mutter in den New Yorker Stadtteil Harlem. Dort zieht Holiday durch Clubs und Cafés und bettelt verzweifelt um einen Job. Für ein paar Dollar die Woche fängt sie schließlich als Sängerin in dem Nachtclub „Jerry Preston’s Log Cabin“ an. Aus dem Vornamen ihrer Lieblingsschauspielerin Billie Dove und dem Nachnamen ihres Vaters Clarence Holiday bastelt sie sich ihren Künstlernamen.
Zufällig kommt eines Abends 1933 der Jazz-Experte John Hammonds in dem Nachtclub vorbei und holt sie für Aufnahmen mit dem Klarinettisten Benny Goodman ins Studio. Holiday hat den Durchbruch geschafft: Mehr als 350 Platten nimmt die Pionierin des Jazzgesangs in den kommenden Jahren auf, tourt mit Musikern wie Count Basie und Artie Shaw und prägt den Swing-Gesang mit ihren Improvisationen. Die schöne Afro-Amerikanerin mit dem ebenmäßigen Gesicht und der weißen Gardenie im kurzen schwarzen Haar wird unter dem Spitznamen „Lady Day“ zum Star im legendären Harlemer Apollo-Theater und auf den Konzertbühnen der Welt.
Doch der scharfe Rassismus in den USA der 40er Jahre trifft Holiday schwer. In renommierten Auftrittssälen wie der Carnegie Hall oder der Metropolitan Opera jubelt ihr das weiße Publikum zu, doch die Sängerin darf nur durch den Hintereingang herein. Als ihr der schwarze Dichter Lewis Allen „Strange Fruit“, eine leidenschaftliche Anklage gegen die Lynchjustiz im Süden der USA widmet, schreibt Holiday die Melodie dazu. Das Lied handelt von schwarzen Körpern, die von Bäumen baumeln, aus deren Blättern und Zweigen Blut tropft. Es macht traurig und wütend zugleich – und wird Holidays größter Plattenerfolg. Auch auf einer Europa-Tournee wird sie gefeiert.
Aber Holiday rutscht währenddessen immer tiefer in den Kampf gegen Drogen und Alkohol. Ihre Stimme wird brüchiger, ihre Ehe mit dem Trompeter Joe Guy geht auseinander. 1957 heiratet sie noch einmal, aber gesundheitlich geht es ihr immer schlechter. Wenige Tage vor ihrem Tod wird sie zum wiederholten Mal wegen Drogenbesitzes festgenommen, die Polizisten begleiten sie bis ins Krankenhaus. An ihre Beine hat Holiday 15 50-Dollar-Scheine geklebt, für ihr Begräbnis. Auf ihrem Konto sollen da nur noch wenige Cents gewesen sein.
(dpa)
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