Beständige Zartheit: Weihnachtlicher Glasschmuck aus Lauscha

Vor rund 180 Jahren konnte sich ein Glasbläser keine echten Früchte als Baumschmuck leisten, wie es damals üblich war. Aus dieser Not heraus blies er für seinen Weihnachtsbaum kleine, einfache Glaskugeln. Davon erfuhr kein Geringerer als Frank Winfield Woolworth …
Wenn Zartes schmilzt: Glashandwerk aus Lauscha
Wandlung durch Feuer: Lebendiges Glas.Foto: iStock
Von 23. Dezember 2022

Christbaum-Kugeln werden in sehr vielen Haushalten mit viel Sorgfalt behandelt. Manche werden sogar gehütet wie Schätze – vor allem die seit Jahrhunderten traditionell mundgeblasenen Glaskugeln aus Lauscha.

Seit dem 19. März 2021 ist die „Herstellung von mundgeblasenem gläsernen Lauschaer Christbaumschmuck“ in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurden. Auf die innewohnende Kraft der Tradition besinnt man sich gerade in aufregenden Zeiten wie diesen, so der Lauschaer Kunstglasbläser Michael Haberland.

Qualität statt „Tetrapak“

Auf die Frage, warum man Lauschaer Weihnachtsschmuck der Billigimportware aus Asien vorziehen sollte, antwortet Michael Haberland: „Es liegt auf der Hand: Die Lauschaer haben es erfunden. […] Wenn ich Weihnachten feiere, da trinke ich gern einen guten Wein und hole mir keinen Tetrapak aus dem Supermarkt. Es soll nicht irgendeine Importware an den Baum, sondern was Richtiges.“

Nur mit Ruhe, Vorsicht und Langsamkeit können die kleinen Meisterwerke aus Glas behandelt werden. Für das Baumschmücken hat man sich früher richtig Zeit genommen, so Michael Haberland, welcher noch die alten, schon schwarz angelaufenen Weihnachtskugeln seines Großvaters besitzt.

Über mehrere Generationen wurden diese Kostbarkeiten, deren Firnis Geschichten von längst vergangenen Weihnachtsfesten erzählen, weitervererbt. Die Menschen aus dem Ort bringen Michael Haberland auch alte Formen, die sie mitunter in den Wänden der alten Lauschaer Fachwerkhäuser gefunden haben: „Bring das mal dem Michael, der macht was draus.“ Aus ihnen entstehen dann Figuren, bei welchen nicht nur die Jüngeren, sondern auch die Älteren ins Schwärmen geraten: „Ooooh, die kenne ich ja noch aus Kindertagen.“

Das traditionelle Kunstglasbläser-Handwerk reicht in Michael Haberlands Familie bis in die vierte Generation. Noch früher gab es die Heimwerkstätten, in denen ganze Familien am hohen Glasbläser-Tisch Hand in Hand arbeiteten.

Zartheit im Glas: solche Kunstwerke entstanden früher aus kleinen Glasperlen, heute werden sie aus Glasröhren hergestellt. Foto: Michael Haberland

Das Wesen des Glases

„Unser Glas kann man anfühlen“, empfindet das „Urgestein“ des Lauschaer Kunstglasbläser-Handwerks Theo Enders: „Dieses spröde Material so zu erwärmen, an der richtigen Stelle, mit der richtigen Temperatur, mit dem richtigen Zug, mit dem richtigen Hauch, das ist eine technische Sache, die muss natürlich gelernt werden. Aber die Auffassung für das Tier, für die Form ist das Geheimnis, was man sich suchen muss. Hier in Lauscha ist das Gefühl von Glas […] davon lebe ich, das gestalte ich.“

Michael Haberland entdeckte 1991 in einem alten Schuppen unter einem Berg von Holz einen richtigen Schatz: die 80 Jahre alten Formen seines Großvaters. Das war für den damals knapp 23-Jährigen der Beginn seines abenteuerlichen Weges als Kunstglasbläser für traditionellen Weihnachtsschmuck.

Alteingesessene Handwerker wie Theo Enders waren hierbei seine Mentoren. „Ich habe mir dann im Ort einen alten Glasbläser genommen, der mir die Sachen gezeigt hat: das Aufblasen in der Formzange, danach die Sachen per Hand versilbern und bemalen“, erzählt er seinen Werdegang. Früher hätte man noch vor einer kleinen Flamme gearbeitet und Glasperlen hergestellt. „Heute gibt es zusätzlich Sauerstoffflaschen und Kompressoren, die Druckluft erzeugen, sodass die Artikel größer werden, aber die Machart, wie man das Glas bereitet, hat sich seit 180 Jahren nicht verändert.“

Natur und traditionelles Handwerk

1597 entstand in Lauscha die erste ortsansässige Glashütte. Die zahlreichen Heimwerkstätten prägen Lauscha bis heute. Der gläserne Christbaumschmuck kam hier Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Michael Haberland erzählt, dass sich vor rund 180 Jahren ein Glasbläser echte Früchte als Baumschmuck nicht leisten konnte.

Aus dieser Not heraus blies er für seinen Weihnachtsbaum kleine, einfache Glaskugeln. Davon erfuhr kein Geringerer als Frank Winfield Woolworth (1852–1919), der Gründer der Kaufhaus-Kette Woolworth. Er gab schließlich 200.000 Kugeln in Auftrag. Denen folgten schließlich Früchte und Nüsse als auch verschiedene Figuren wie Tiere, Engel und Weihnachtsmänner.

Und da war ja noch … die Verantwortung jedes Einzelnen

Die Zukunft des traditionellen Kunstglasbläser-Handwerks ist wie sein Material „äußerst zerbrechlich“, sprich ungewiss. Das Herstellen von Glasröhren, die in der Glasbläserei als Rohmaterial verwendet werden, lohne sich für die produzierende Firma heute wirtschaftlich nicht mehr. Michael Haberland befürchtet: „Wenn diese aufhört zu produzieren, dann wird es brenzlig für die Glaskunst in Lauscha. Helfen würden da nur mehr Abnehmer und somit auch mehr Käufer von traditioneller Glaskunst.“

Es liege in der Hand eines jeden Einzelnen, dass traditionelles Handwerk nicht von Billigimportware verdrängt wird. Es gibt zwar in Lauscha jährlich 15–20 Auszubildende im Glashandwerk, aber diese verschwinden im Nirgendwo, so Michael Haberland. Und diese fehlen dann schließlich als notwendige Abnehmer für das Rohmaterial. „Als Kunstglasbläser mit eigener Werkstatt braucht man Jahre, um die Selbstständigkeit solide aufzubauen, sodass man davon leben kann. Aber wer kann das heute noch?“

Kunstglasbläser Michael Haberland hofft, dass seine Tochter das Handwerk weiterführt. Foto: Michael Haberland

Die Ortsansässigen sagen oft zu ihm, dass er doch froh sein könne, dann gäbe es keinen so großen Wettbewerb. Aber die Konkurrenz nachfolgender Kollegen wäre ihm lieber, als dass am Ende möglicherweise sein Handwerk ausstürbe. Seine Tochter Sophia will jedenfalls nach ihrem Studium auch einmal das Handwerk erlernen, was Zartestes von Zartem erschafft.

Weihnacht und die Kraft gläserner Zartheit

Gerade diese äußerst filigranen Gebilde aus Glas vermitteln Stabilität und Rückhalt in einer oft brüchig empfundenen Zeit. Michael Haberland sagt, dass sich die Menschen gerade in Krisenzeiten wieder auf das Ursprüngliche besinnen: „Auto, Möbel, eine Reise nach Amerika beispielsweise, das vergeht alles, aber das Weihnachtsfest kommt jedes Jahr und mit ihm der Lauschaer Weihnachtsschmuck; das bleibt.“

Am Lauschaer Weihnachtsschmuck liest man den jeweiligen Zeitgeist, ja sogar verschiedene Kulturen ab, denn Lauscha exportiert weltweit. Der unvergängliche Kern der traditionellen Volkskunst bleibt jedoch verlässlich in allem Wandel bestehen. Diese „Hoffnung und Beständigkeit“ suchen gerade auch die jungen Menschen dieser Tage. Beständige Werte beziehen sich auf einen behutsamen Umgang mit sich selbst und dem Anderen. Der leicht zerbrechliche Christbaumschmuck aus Lauscha kann uns an diese notwendige Sorgfalt, an die Zartheit unserer Existenz erinnern.

Nicht nur zur Winterzeit sind daher die Lauschaer Heimwerkstätten mit ihren solcherart herzerwärmenden Glasbläser-Flammen wie die von Michael Haberland zu empfehlen: Auch das dort ansässige Museum für Glaskunst ist eine Reise wert.

Die Glasbläser arbeiten teilweise mit Formenzangen, die seit vielen Jahren wie Schätze in den Familienbetrieben weitergegeben werden. Foto: Michael Haberland



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