Berührend zeitlos: Die unvergleichliche Kunst des Frans Hals 



Gerade erst wurde das Werk des niederländischen Meisters in Antwerpen, London und Berlin gefeiert. Doch auch nach diesen Ausstellungsereignissen kann man dem genialen Porträtmaler des „goldenen Zeitalters“ begegnen: Zehn seiner Werke beherbergt allein die Berliner Gemäldegalerie auf Dauer.
Titelbild
Ausschnitt aus Frans Hals' Gemälde „Singender Knabe mit Flöte“ von 1623, Gemäldegalerie Berlin.Foto: Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=154234648
Von 28. Oktober 2024

Oft blicken sie uns direkt entgegen und überbrücken so Jahrhunderte. 
Die Gesichter der Menschen, die Frans Hals in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts malerisch auf Leinwand bannte, erstaunen durch ihre berührende Unmittelbarkeit.

In unzähligen Farbnuancen fängt Frans Hals Momente ein. Mit kühner und bis dahin nicht da gewesener Leichtigkeit hält er fest, was vor ihm kaum jemand zu verewigen vermochte: den Glanz freundlicher Augen, die Feinheit eines verschmitzten Lächelns, die Schönheit eines glücklichen Blicks, die Unbeschwertheit fröhlichen Lachens.

Lachender Knabe mit Flöte, um 1627 von Frans Hals, Ölfarbe auf Holzpanel, Durchmesser: 37.5 cm, Staatliches Museum Schwerin. Foto: Public Domain

Meister der Menschenkenntnis und Beobachtung

Kaum etwas ist schwieriger in Malerei zu übersetzten, als diese flüchtigen Augenblicke. Groß ist die Gefahr, dass diese feinen und ephemeren Ausdrücke menschlicher Mimik zu gemalten Grimassen gerinnen.

Nicht jedoch bei diesem Großmeister der genauen Beobachtung und warmherzigen Menschenkenntnis, dessen atemberaubende, lockere und dennoch präzise Pinselführung auch heute noch den aufmerksamen Bildbetrachter begeistert.

Brustbild eines lachenden Knaben mit Weinglas, Öl auf Holzplatte, Durchmesser: 38 cm, Staatliches Museum Schwerin. Foto: Public Domain

Ohne das Trocknen der Farbe abzuwarten, in Alla-Prima-Technik mit schnellen Pinselstrichen gemalt, liegen in Hals‘ Gemälden Farbtöne oft nebeneinander und verbinden sich im Auge des Betrachters. Leichte Unschärfen entstehen, die dem gemalten Moment faszinierende Lebendigkeit verleihen.

Flüchtige Momente gebannt

Wüsste man nicht, dass die Fotografie erst Jahrhunderte nach der Schaffenszeit von Frans Hals erfunden wurde, man würde vermuten, dass der Künstler fotografische Momentaufnahmen als Vorlagen seiner Porträts verwandte.
 So jedoch müssen Dutzende Skizzen und Zeichnungen jedem Gemälde vorausgegangen sein.

Nur ein einfühlsamer genauer Blick für die Mitmenschen und begnadete zeichnerische und malerische Könnerschaft erklären die Glaubwürdigkeit und berührende Präsenz der Porträts, die Frans Hals schuf.

 Kaum sattsehen kann sich das Auge des Betrachters an den Gesichtern einer fernen Zeit, die ihm in annähernder Lebensgröße und all ihrer Vielfalt und Individualität entgegensehen.

Wahrhaftig und scheinbar mühelos

Im Zentrum von Frans Hals‘ Kunst steht immer der Mensch in der erstaunlichen Unverwechselbarkeit seines Wesens.
 Alles, was dieses Zentrum umgibt, ist Beigabe und wird doch mit größter Sorgfalt und meisterlichem Können zu einer harmonischen Bildkomposition zusammengeführt.

Gesten, Gegenstände und Raum, Stoffe, Spitzen und Kopfbedeckungen sind wichtige, unverzichtbare und doch dienende Bildelemente.

Ein Ausdruck gemeinsamen Glücks: Das Hochzeitsporträt von Isaac Abrahamsz Massa und Beatrix van der Laan von Frans Hals, 1622, 140 x 166,5 cm, Rijksmuseum Amsterdam. Foto: Public Domain

Nichts ist dem Zufall überlassen und alles wirkt doch leicht und scheinbar mühelos auf die Leinwand gebracht.
 Ein untrügliches Kennzeichen wahrhaft großer Kunst.

Vergessen und wiederentdeckt

Wie konnte es geschehen, dass dieses Werk nach dem Tod des Malers im Jahr 1666 für fast 200 Jahre in Vergessenheit geriet?

Schon in seinen letzten Lebensjahren war der Künstler auf eine Gnadenrente der niederländischen Stadt Haarlem angewiesen gewesen. Hier hatte er fast sein gesamtes Leben verbracht. Hier ging sein Stern als Künstler auf und sank aus unerfindlichen Gründen.

Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts erkennt der französische Kunstkritiker Théophile Thoré-Bürger die unvergleichliche Meisterschaft und zeitlose Frische der kaum beachteten Hals’schen Porträts von Neuem. 

Eine Wiederentdeckung, die nicht nur den Journalisten und Kunstkenner Thoré-Bürger, sondern auch Maler seiner Zeit inspiriert.

Von Vincent van Gogh tief bewundert

So schreibt Vincent van Gogh in einem Brief an seinen Bruder Theo voll Bewunderung über die unfassbar reiche Farbpalette des Barockmalers.

Allein die Farbe Schwarz habe bei Frans Hals mehr als zwei Dutzend feine Farbnuancen. Durch seine Charakterstudien habe Hals, so van Gogh, nicht weniger erreicht, als „das Bild der Menschheit durch das einfache Medium des Porträts“ zu malen.

Bildnis von Jean de la Chambre im Alter von 33 Jahren, Frans Hals, 1638, Öl auf Leinwand, National Gallery, London. Foto: Public Domain

Gustave Courbet, Édouard Manet, Max Liebermann und Lovis Corinth – sie alle begeistern sich für die unkonventionelle, unbeschwert wirkende Malerei von Frans Hals. Sein intuitiv rascher und doch traumwandlerisch sicherer Malstil inspiriert vor allem die Impressionisten und bleibt doch unerreicht und einzigartig.

Positives Lebensgefühl einer Epoche

Die Symbiose aus der Hals’schen Malweise, der Epoche des niederländischen Barock, seiner Menschen und ihres Lebensgefühls verschmilzt in seinem Werk zu einer singulären Erscheinung.

Frans Hals, um 1585 geboren, wächst mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts in das sogenannte Goldene Zeitalter der Niederlande hinein und wird jahrzehntelang neben Rembrandt van Rijn und Jan Vermeer einer seiner führenden Protagonisten sein.

Fast 100 Jahre dauert die in der europäischen Geschichte beispiellose wirtschaftliche und kulturelle Blüte, die auf dem Nährboden einer prosperierenden bürgerlichen Gesellschaft, ihres Selbstbewusstseins und ihres Optimismus gedeiht.

In den Gemälden des begnadeten Porträtisten Frans Hals spiegelt sich all dies in den Gesichtern der Menschen wider. Selbst in den Porträts einfacher und armer Menschen, ja sogar in den Gesichtern gesellschaftlicher Außenseiter findet sich die Gestimmtheit einer Epoche wieder, die im Grunde zuversichtlich auf die Welt blickt.

Malle Babbe, um 1640 von Franz Hals gemalt. Vermutlich handelt es sich um eine Bewohnerin des Haarlemer Armenhauses. Öl auf Leinwand 78,5 x 66,2 cm, Staatliche Gemäldesammlung Berlin. Fotograf: Christoph Schmidt, Public Domain

 

 

 

 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion