Bertha Benz und die erste Fernfahrt der Geschichte

Vor 175 Jahren wurde Bertha Benz als Cäcilie Bertha Ringer in Pforzheim geboren. Mit Unternehmergeist und Wagemut verhalf sie den bahnbrechenden Erfindungen ihres Mannes Carl Benz zum weltweiten Erfolg.
Titelbild
Bertha Benz um 1870.Foto: Bühler, Mannheim, Automuseum Dr. Carl Benz, Ladenburg, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4236628
Von 25. Mai 2024

An einem Sommermorgen im August 1888 setzen Bertha Benz und ihre beiden Söhne Richard und Eugen einen geheimen Plan in die Tat um. Vater Carl und die beiden Töchter Clara und Thilde, elf und sechs Jahre alt, schlafen noch tief und fest, als die drei Abenteurer das Haus verlassen. Sie werden an diesem Tag Geschichte schreiben.

Heimliche Reise mit eigenartigem Gefährt

„… Carl hätte das nie erlaubt. Und so haben die beiden 13- und 15-jährigen Buben und ich eine richtige Verschwörung angezettelt: Früh am Morgen sind wir losgefahren, sodaß wir schon stundenweit waren bis der Papa aufwachte“, notiert Bertha Benz Jahre später.

104 Kilometer liegen vor den Reisenden. Eine für damalige Verhältnisse weite, aber nicht unübliche Tagesstrecke. Äußerst ungewöhnlich, ja einzigartig ist dagegen das Gefährt. Es ist der Benz-Patent-Motorwagen Nummer 3, den Bertha Benz über staubige Feldwege und schlecht befestigte Straßen über Land von Mannheim nach Pforzheim steuert.

Der Benz-Patent-Motorwagen Nummer 3 in der „Illustrirten Zeitung“ vom 1. Dezember 1888. Foto: G. Franz, Public Domain

Vor über zwei Jahren, am 29. Januar 1886, ist ihrem Mann für seine Erfindung das Patent erteilt worden.

Erfolg ist der Weltneuheit aber bisher nicht beschieden.
Zwar hat die Mannheimer Presse schon über die „pferdelose Kutsche“ berichtet – doch Käufer bleiben aus. Zu skurril wirkt das Fahrzeug ohne Zuggespann auf die Zeitgenossen, zu unsicher scheint sein Nutzen.

Spurrillen, Steigungen und Pannen

Im Sommer 1888 tuckert und holpert es also nun mit seinen drei Passagieren auf drei schmal bereiften Speichenrädern durch die Landschaft. Es hat mit den tiefen Furchen und Hufspuren zu kämpfen, die Pferdefuhrwerke auf den Wegen hinterlassen haben und ächzt bei jeder Steigung. Immer wieder muss die kleine Fahrgemeinschaft vom Wagen herunterklettern und schieben.

Und nicht nur das. Die historisch erste motorisierte automobile Fernfahrt hält weitere Überraschungen bereit.
 Die Treibstoffreserven gehen aufgrund der hügeligen Topografie schneller zur Neige als gedacht.

„Ligroin, so nannte man damals das Benzin, hatten wir [zwar] als Reserve dabei“, erinnert sich Bertha Benz später. Doch wo auf der Strecke Nachschub finden? Guter Rat ist teuer. Mutter und Söhne haben die rettende Idee und steuern im Städtchen Wiesloch die Stadtapotheke an.

Dort erwerben sie den gesamten Vorrat an Waschbenzin und machen so ganz nebenbei den Apotheker des beschaulichen Ortes – ohne dass er es ahnt – zum ersten Tankstelleninhaber der Weltgeschichte.

Die Wieslocher Stadtapotheke gilt als „erste Tankstelle der Welt“. Foto: Christina, CC0, Creative Commons CC0 1.0

Auch weiteren unerwarteten Problemen begegnet Bertha Benz mit Improvisationskunst und technischem Wissen.
 „Zwei schlimme Pannen hat es auf der Fahrt gegeben“, schreibt sie über ihr Abenteuer im Sommer 1888. „Das eine Mal war die Benzinleitung verstopft – da hat meine Hutnadel geholfen. Das andere Mal war die Zündung entzwei. Das habe ich mit meinem Strumpfband repariert.“

Begeisterung und Steinwürfe

Trotzdem bleibt der kleinen Reisegesellschaft noch genügend Zeit, um „ausgiebig Rast“ zu machen, wie Bertha Benz weiter schildert, „denn ich wollte so schmutzig wie wir geworden waren, nicht bei Helligkeit in Pforzheim ankommen.“

Die Pforzheimer Großmutter, die das Trio eigentlich besuchen will, ist ausgerechnet an diesem Tag verreist. Die knapp 13-stündige Testfahrt ist trotzdem ein Erfolg.
Per Telegramm wird den in Mannheim Daheimgebliebenen von der geglückten Premiere berichtet, während ganz Pforzheim, wie Bertha Benz schreibt, „Kopf stand“ und die Verwandten während der folgenden Tage alle „mal fahren wollten“.

„‚Benzine‘ haben die Leute unseren Wagen damals genannt“, erzählt die Autopionierin weiter. Doch nicht alle teilen die nun allmählich einsetzende Begeisterung für die Automobilität: „Die Bauern sagten ‚Hexenkarren‘ dazu und bewarfen uns mit Steinen oder schlugen mit Peitschen nach uns, wenn wir übers Land fuhren“, schreibt Bertha Benz in autobiografischen Aufzeichnungen.

Karl Benz (1844–1929) mit seiner Familie. Foto: Unbekannter Fotograf, CC BY-SA 4.0

Wichtige Impulse

Glücklich und stolz notiert sie aber auch, dass sie als erste gezeigt habe, dass der Motorwagen „auch für weite Strecken gut ist“. Aufgrund der Erfahrungen seiner wagemutigen Testfahrerin baut Carl Benz nun in seine bald vierrädrigen Motorwagen einen dritten Gang für Bergstrecken und verbessert Bremsen und Bremsbeläge wesentlich.

Es ist nicht das erste Mal, dass Bertha Benz nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklungen ihres Mannes nimmt. Schon vor der Hochzeit hatte sie unbeirrt an Können und Erfindergeist von Carl Benz geglaubt.
Die Tochter einer wohlhabenden Zimmermannsfamilie lässt sich deshalb noch vor der Eheschließung ihr Erbe auszahlen und investiert es in das Talent des fünf Jahre älteren Verlobten. Nicht ohne die Finanzierung in einem Ehevertrag festhalten zu lassen.

Carl Benz: Von Mutter und Ehefrau liebevoll gefördert

Im Jahr vor der Hochzeit 1871 kann Carl Benz – dessen Ausbildung und Studium seine früh verwitwete Mutter entbehrungsreich ermöglicht hatte – jetzt endlich auch seine erste eigene Firma gründen. Doch nachhaltiger Erfolg ist trotz vieler Ideen und unermüdlichem Fleiß nicht in Sicht.

Aus seiner „Eisengießerei und mechanischen Werkstätte“ wird zwar bald eine „Fabrik für Maschinen und Blechbearbeitung“.
Schließlich jedoch muss das Unternehmen auf Druck der Hausbank als „Aktiengesellschaft Gasmotorenfabrik in Mannheim“ firmieren.

Inzwischen hat Carl Benz einen verdichtungslosen Zweitaktmotor konstruiert, findet aber im Aufsichtsrat der AG für seine technischen Visionen kein Verständnis.

Rückblickend schreibt er 1925 über diese krisenhafte Zeit in seinen Lebenserinnerungen „Lebensfahrt eines deutschen Erfinders“: Nur ein Mensch habe in diesen Tagen, „wo es dem Untergange entgegen ging“, an ihn geglaubt und bei ihm ausgeharrt. „Das war meine Frau. Tapfer und mutig hisste sie neue Segel der Hoffnung auf.“

Mut zu Neuem

Mit Berthas mentaler Unterstützung verlässt er das Unternehmen, das ihm zum Hemmschuh geworden ist und gründet Benz & Cie. Zuerst werden dort vor allem stationäre Gasmotoren entwickelt und gebaut.

Bald jedoch legt Benz sein Augenmerk auch auf mobile Motoren. 1885 entsteht der dreirädrige Patent-Motorwagen Nummer 1 und fährt zum Erstaunen, oft auch zum Spott der Mannheimer kurze Strecken in der Stadt.

Bereits mehrere Erfinder, vor allem in England, hatten sich mit der Idee des Dampfkraftwagens auseinandergesetzt. Dem Mannheimer Carl Benz gelingt nun aber die Patentierung des weltweit ersten praxistauglichen Personenkraftwagens mit Verbrennungsmotor.

Alles für Familie und Firma

Trotz stetig wachsender Familie ist Bertha Benz oft stundenlang bei ihrem Mann in der Werkstatt und begleitet die Erfindungen und stetigen Weiterentwicklungen des Motorwagens mit großem Interesse.

So nimmt es auch kein Wunder, dass sie und ihre Söhne im Sommer 1888 zur Tat schreiten, um den praktischen Beweis für das zu erbringen, was der „Generalanzeiger der Stadt Mannheim“ schon im September 1886 vorhersagt, aber noch kaum jemand so recht glauben will:
Dieses „Fuhrwerk“ habe Zukunft, weil es „ohne viele Umstände in Gebrauch gesetzt werden kann und […] bei möglichster Schnelligkeit das billigste Beförderungsmittel für Geschäftsreisende, eventuell auch für Touristen werden wird“.

Während der „Bertha Benz Oldtimer Show“ in Eppelheim, Baden-Württemberg, 2019. Foto: EnDyk/iStock

Für ihren Pioniergeist und ihre Technikbegeisterung erhält Bertha Benz am Tag ihres 95. Geburtstags, dem 3. Mai 1944, die Ehrensenatorinnenwürde der Technischen Universität Karlsruhe verliehen, zwei Tage vor ihrem Tod.

Auf den Spuren von Bertha Benz

120 Jahre nach der denkwürdigen Fernfahrt im Sommer 1888, im Jahr 2008, wird auf Initiative zweier gemeinnütziger Vereine die Bertha-Benz-Memorial-Route zwischen Mannheim und Pforzheim ausgeschildert. So nah wie möglich hält sich ihr Verlauf an die historische Strecke und verknüpft so die Originalschauplätze von Bertha Benz‘ Pionierleistung.

Durch das Weinbaugebiet Baden, mehreren Römerstraßen folgend, versetzt die Fahrt in eine vorindustrielle Epoche zurück.
 Nun jedoch bequem beschildert, auf gut ausgebauten Straßen – und nicht mehr allein auf weiter Flur wie einst Bertha Benz mit ihren Söhnen im Motorwagen Nummer 3.

Schild der Bertha Benz Memorial Route. Foto: SHolzhüter, CC BY-SA 3.0



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