Begegnen Sie Brahms!

Beim diesjährigen Brahms-Festival der Musikhochschule Lübeck vom 06. bis 14. Mai gibt es viele, wunderbare Gelegenheiten, dem großen deutschen Komponisten zu begegnen.
 Sicher ist: Die Begegnung mit Johannes Brahms und seiner Musik ist immer ein Geschenk.
Titelbild
Blick in die Wohnung von Johannes Brahms in Wien, Karlgasse, nahe der Karlskirche.Foto: commons.wikimedia.org
Von 30. April 2023

Vor 190 Jahren, am 7. Mai 1833, erblickt Johannes Brahms als das zweite von drei Kindern des Kontrabassisten und Hornisten Johann Jakob Brahms und seiner Frau Johanna im ärmlichen Hamburger Gängeviertel das Licht der Welt.

Früh zeigt sich die musikalische Begabung des Jungen und schon im Alter von zehn Jahren spielt er erstmals öffentlich bei einem Benefizkonzert, das sein begeisterter Klavierlehrer Otto Cossel für seinen talentierten Schüler organisiert. Doch auch zum Komponieren zieht es Johannes schon bald. Cossel setzt sich deshalb auch intensiv dafür ein, dass der bekannte Klavier- und Kompositionslehrer Eduard Marxsen den Jungen in seinen Schülerkreis aufnimmt.

Die finanzielle Not der Familie Brahms, jahrelang unverändert groß, kann Johannes bald durch eigenes Unterrichten etwas lindern. Auch Auftritte in Hamburger Tanzlokalen allein oder gemeinsam mit seinem Vater helfen die Familie wirtschaftlich über Wasser zu halten.

Bald erscheinen die ersten, eigenen Kompositionen, die der zurückhaltende, gerade 15-jährige Jugendliche unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlicht. 1853 schließlich entschließt sich der inzwischen 20-jährige Brahms als Klavierbegleiter des ungarischen Violinisten Eduard Reményi erstmals auf Konzertreise zu gehen.

Die Türen zur Musikwelt öffnen sich

Die Tournee nimmt sich eher bescheiden aus und führt in einige norddeutsche Städte, für Johannes Brahms wird diese Reise jedoch endgültig die Türen zur Musikwelt seiner Epoche öffnen.

Schon 150 Kilometer südlich von Hamburg, in Hannover, macht Eduard Reményi seinen Pianisten mit dem bereits berühmten österreichisch-ungarischen Geiger Joseph Joachim bekannt.

Diese Begegnung ist für den eher scheuen Brahms ein wegweisender Impuls und der Beginn einer lebenslangen, fruchtbaren Musikerfreundschaft. Der zwei Jahre ältere, selbstbewusste Joseph Joachim ermuntert Brahms eindringlich, mit weiteren Berühmtheiten der aktuellen Musikszene Kontakt aufzunehmen. Er stattet seinen neuen Musikerfreund mit Empfehlungsschreiben aus und ebnet ihm so den Weg.

Brahms reist also nach Weimar und sucht dort den mehr als 20 Jahre älteren, europaweit bekannten Komponisten, Dirigenten und Klaviervirtuosen Franz Liszt auf. Und: Nur einige Wochen später, am 30. September 1853, fährt Brahms bereits nach Düsseldorf zu einem weiteren Giganten seiner Zeit: Robert Schumann.

Freundliche Begegnungen mit großen Folgen

Franz Liszt verspricht, sich für den jungen Nachwuchskomponisten einzusetzen, Robert Schumann jedoch tut es. Er und seine Frau Clara erkennen das große Talent des jungen Mannes, der ihnen eigene Kompositionen auf dem heimischen Pianoforte vorspielt, sofort. Robert Schumann scheint sogar geradezu sehnlich auf die Begegnung mit einer Ausnahmebegabung wie dieser gewartet zu haben.

Schon im Oktober 1853 veröffentlicht er auf der Titelseite, der von ihm mitbegründeten, einflussreichen „Neuen Zeitschrift für Musik“ unter dem Titel „Neue Bahnen“ folgende, folgenschwere Zeilen, die inzwischen in die Musikgeschichte eingegangen sind:

„Ich dachte, (…) es würde und müsse (…) einmal plötzlich Einer erscheinen, der den höchsten Ausdruck der Zeit in idealer Weise auszusprechen berufen wäre.(…). Und er ist gekommen,(…). Er heißt Johannes Brahms, kam von Hamburg, dort in dunkler Stille schaffend, aber von einem trefflichen und begeistert zutragenden Lehrer gebildet in schwierigen Satzungen der Kunst (…)“ 
und Schumann fährt fort: „Er trug, auch im Äußeren, alle Anzeichen an sich, die uns ankündigen: Das ist ein Berufener.“
 Scheinwerferlicht gleich richten diese Worte Robert Schumanns das Interesse des musikbegeisterten Deutschland auf den 20-jährigen Brahms.

Bewährungsproben als Komponist und als Mensch

Johannes Brahms begreift sie als ehrenvolle Verpflichtung, gleichzeitig aber verunsichern sie den zu Selbstzweifeln und Perfektionismus neigenden, noch unsicheren, jungen Mann zutiefst. Sofort vernichtet er mehrere, frühe Kompositionen und macht sich fast verzweifelt auf die Suche nach dem idealen, musikalischen Ausdruck, den Robert Schumann in seinen ersten Werken bereits erahnt hat. Erst fünf Jahre später wird Brahms mit seinem ersten Klavierkonzert zu innerer Ruhe, Zufriedenheit und der Gewissheit finden, nach quälenden Jahren der Selbstzweifel endlich Schumanns hoher Meinung und seinem eigenen, hohen Anspruch gerecht geworden zu sein.

Doch nicht nur für den jungen Komponisten, auch für den jungen Menschen und Freund wird die Bekanntschaft mit dem Ehepaar Schumann zur Bewährungsprobe.

Bereits im Jahr nach der ersten Begegnung stürzt der psychisch labile Robert Schumann in den Abgrund einer schweren, seelischen Krise. Er unternimmt einen dramatischen Selbstmordversuch, wird gerettet und lässt sich selbst in eine Nervenheilanstalt einweisen. Seine Frau Clara Schumann erwartet gerade ihr siebtes Kind.

Johannes Brahms reist ohne zu Zögern von Hamburg nach Düsseldorf und eilt Clara zu Hilfe. Er macht es ihr möglich, schon bald nach der Niederkunft wieder zu konzertieren. Der wirtschaftliche Ruin der kinderreichen Familie ist so abgewendet.

Für zwei ganze Jahre bleibt Brahms in Düsseldorf, hütet die Kinder, ringt mit seinen Kompositionen und verliebt sich in die 14 Jahre ältere, mütterliche Freundin, Pianistin und Komponistin. Eine tiefe Verbundenheit entsteht zwischen zwei verwandten Musikerseelen -
spätere Briefe geben davon beredtes und berührendes Zeugnis. Clara Schumann wird jedoch nach dem frühen Tod ihres Mannes nie mehr heiraten.

Neue Heimat Wien

Und auch Johannes Brahms Hoffnungen auf eine feste Anstellung im Musikbetrieb seiner Geburtsstadt Hamburg zerschlagen sich – sogar mehrmals. Enttäuscht wendet er sich von seiner Heimat ab und dem damaligen Zentrum der deutschsprachigen Musikwelt zu, denn die Musikstadt Wien nimmt ihn mit offenen Armen auf.

Und endlich wird auch ein lang gehegter, immer wieder aufgegriffener und verfolgter Traum wahr: 
1876 vollendet Johannes Brahms seine erste Symphonie. 14 Jahre lang hat er begonnen, pausiert, wieder aufgegriffen, mit dieser Königsdisziplin der Orchestermusik gekämpft und gehadert. Denn, so Brahms, wenn jemand es tatsächlich wagen wolle „nach Beethoven Symphonien zu schreiben, so müssten sie ganz anders aussehen“.

Frei fließende Melodien voller Liebe

Nun jedoch scheint er, bereits ein unvergleichlicher Meister der Klaviersonaten, der Klavier- und Violinkonzerte, von großen Chorwerken, Kammermusik und einer schier unglaublichen Zahl herzergreifender Lieder, wie befreit von der Last seiner Angst, an der großen Kunstform der Symphonie zu scheitern.

Seine zweite Symphonie vollendet er nur ein Jahr später, im Sommer 1877 am Wörthersee in einer Flut von Inspirationen.

„Hier fließen die Melodien so frei, dass man darauf achten muss, nicht auf sie zu treten“, schreibt Johannes Brahms geradezu fröhlich an einen Freund. Noch zwei weitere, geniale Symphonien werden folgen.

Besonders während der Sommermonate, auf Sommerfrische, schöpft Brahms aus den schier unerschöpflichen Quellen seiner musikalischen Imagination. „Ich denke nur Musik. Ich bin verliebt in die Musik – ich liebe die Musik, ich denke nichts als sie und an anderes nur, wenn es mir Musik schöner macht.“ schreibt er in einem seiner Briefe.

Am 3. April 1897 verstirbt Johannes Brahms nach kurzer, schwerer Krankheit in seiner Wiener Wohnung. Mit seinen letzten Worten dankt er der Krankenschwester, die dem Bettlägrigen einen Schluck Wein einflößt, mit einem freundlichen „Oh, das schmeckt gut. Danke!“



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